Zweite Bluttat in Lörrach offenbart: Legalwaffenbesitz kriminalistisch irrelevant
Ein Kommentar von Beate Meier-Kühne
Die idyllische südbadische Kleinstadt Lörrach mit nicht einmal 50.000 Einwohnern ist erneut Ort einer Beziehungstat mit mehreren Toten geworden. Natürlich ist dieses Verbrechen zunächst Anlass, inne zu halten, der Toten und Verletzten und ihrer Angehörigen zu gedenken und zu trauern. Aber – und das ist im Interesse aller Verbrechensopfer – es muss auch darüber nachgedacht werden, was man tun kann, um ähnliche Taten zu vermeiden. Dazu gehört es zwingend auch, Irrwege in der Verbrechensbekämpfung zu identifizieren und beim Namen zu nennen, wie z.B. die Forderung nach Legalwaffenverboten – egal welche Lobby und welche öffentliche Meinung dem entgegenstehen mag.
Wir erinnern uns: Vor einigen Monaten wurde Lörrach, die friedliche Kleinstadt im Dreiländereck von einer Bluttat, einem schweren Beziehungsverbrechen, heimgesucht. Eine verzweifelte Frau erstickte ihren Sohn und tötete Unbeteiligte mit einem Messer und Kleinkaliberwaffen. Sie wurde von der Polizei schließlich mit 17 Schüssen getötet.
Reflexartig meldeten sich die Gegner des legalen Waffenbesitzes zu Wort – in der Regel ohne einen größeren Zugang zu den Hintergründen dieses Verbrechens oder größere Einblicke in die Kriminalitätsentwicklung allgemein zu haben. Trotz der Unterschiedlichkeit der Taten in Winnenden und Lörrach konnte z.B. das so genannte Aktionsbündnis Winnenden mit Kommentaren und Forderungen aufwarten.
Wir kennen sie alle, die Beiträge in der Zeitung „Die Zeit“, die Kommentare und Forderungen des sogenannten Aktionsbündnisses oder der Gruppe „Mordwaffen“ und anderer und die Verlautbarungen der Mini-Gewerkschaft Bund Deutscher Kriminalbeamter. Meiner ganz persönlichen Meinung nach tragen diese Kommentare nicht dazu bei, dass Deutschland sicherer wird. Und meiner Meinung nach kann grundsätzlich auf Ideologie und persönlicher Trauerarbeit und Konfliktbewältigung keine faire und sachliche Diskussion basieren.
Die kriminalistische Erkenntnis, dass für eine Beziehungstat das Tatmittel nicht entscheidend ist, ging in dem medialen Feuerwerk zu Lörrach unter. Ähnlich wie zuvor in Winnenden. Das letzte private Bild aus dem Tatumfeld, die unwichtigste „Zeugenaussage“ irgendeines Anwohners, der drittklassigste „Experte“ – ein Riesenaufgebot widmete sich der „Berichterstattung“. Welche andere Aufgabe als Gewinnmaximierung durch höhere Auflagen und bessere Einschaltquoten haben viele Medien eigentlich damals wieder einmal verfolgt?
Inzwischen gibt es in Baden Württemberg eine grün-rote Regierung. Es gibt einen Koalitionsvertrag, der dieser Regierung zugrunde liegt, in dem u.a. das Verbot des legalen Privatwaffenbesitzes als ein langfristiges Ziel verstanden werden muss. Eine andere als eine ideologische Begründung dafür kann ich nicht entdecken. Es wird auch nicht der Versuch unternommen, eine fundierte Begründung für weitere Restriktionen zu finden. Ich glaube übrigens auch nicht, dass eine solche existiert.
Es besteht auch kein Widerspruch dazu, dass der neue Ministerpräsident Kleinkaliberschütze und Mitglied in einem Schützenverein ist und trotzdem diesen Koalitionsvertrag mitverantwortet. In Baden-Württemberg kann man nicht mit früheren Mitgliedschaften beim Bund Westdeutscher Kommunisten oder als ehemaliger „Streetfighter“ in einem schönen Armani-Anzug glänzen. Ich habe lange in Baden-Württemberg gelebt und sogar dort meinen Jagdschein gemacht und als Sportschützin trainiert.
Es ist meine Überzeugung: Man kann gerade in diesem Bundesland nicht reüssieren, wenn man sich übermäßig konfrontativ gibt, noch nicht einmal gegen die Legalwaffenbesitzer. Man kann allerdings vermutlich bieder und doch „irgendwie konservativ“ wirken und gleichzeitig einen langfristigen Masterplan „Abschaffung des Legalwaffenbesitzes“ verfolgen.
Da kommen einem Claqueure zu Pass, die abwiegeln und beschwichtigen und auch auf den ein oder anderen vorschriftsmäßig bieder wirken. Und auch der Kotau, der für mich darin liegt, daß die baden-württembergische „Landesschützenobermeisterin“ (was für ein Titel) vor kurzem den kleinkaliberschießenden Ministerpräsidenten in Schutz nahm, Kontrollen rechtfertigte und das Tun unserer aktivsten Interessenvertreter als aggressiv brandmarkte.
Zivilcourage spricht meiner Meinung nach nun nicht aus diesen Worten. Ich glaube eher Angst zu entdecken. Angst, dass die eigene kleine Nische, die schönen dunkelgrünen Uniformen und die ganze schöne bierselige Geselligkeit leiden. Angst aber, war noch nie ein guter Ratgeber, da stimme ich Friedrich dem Großen zu. Und ich selbst als berufstätige Hausfrau und Mutter sage Ihnen, meine Dame, eine Vorbildfunktion für unsere jungen Menschen haben Sie für mich damit nicht übernommen. Geselligkeit und Klönen am Schützenfest waren es nicht, die unsere Vorfahren antrieben, in der schwierigen deutschen Geschichte auch gegen staatliche Willkür und trotz Verbot und Gleichschaltung das deutsche Schützenwesen zu gründen, zu verteidigen und zu bewahren.
Mit Recht hat sich zuletzt auch vermehrt bundesweit Widerstand dagegen geregt, als Sammler, Jäger oder Sportler von einigen Journalisten und Interessengruppen (wobei mir die eigentlichen Interessen mancher Gruppe nicht immer klar sind – man hört so vieles, was den Verdacht auf ökonomische Ziele lenkt) und leider auch dem ein oder anderen Kirchenvertreter in einen Generalverdacht und eine Sippenhaft genommen zu werden. Die Menschen in Deutschland lassen sich immer weniger von scheinbaren Autoritäten bevormunden, marginalisieren, verdächtigen und in Haft nehmen (weder im übertragenen Sinne, noch wörtlich).
Viele Menschen haben mir nach meinem Offenen Brief an das Aktionsbündnis geschrieben, völlig Unbekannte haben mir ihre freundliche Unterstützung angeboten, meinen Brief weitergeschickt, ausgedruckt und ausgehängt, publiziert und verteilt. Nein, das geschah nicht wegen meines Briefes an sich. Andere hätten das besser formulieren können. Ich bin keine Frau der Worte. Das geschah, weil sein Inhalt der Inhalt vieler von uns ist, die wir unbescholtene Sammler, Jäger oder Sportschützen sind, die wir unserer Arbeit täglich nachgehen und gleichzeitig unseren Haushalt ordentlich halten und vor allem verantwortungsvolle Staatsbürger und Steuerzahler und Mütter und Väter sind.
Als meine Diktion in einigen kleineren Medien als „forsch“ und „aggressiv“ abqualifiziert wurde, habe ich nochmals viel, viel Zuspruch erhalten. Immer noch wird der Brief übrigens von über hundert Menschen pro Woche gelesen – allein im JagdWaffenNetz (dem ich für seinen unbeirrten Kurs danke).
Jetzt stehen wir in Lörrach erneut fassungslos vor einer Beziehungstat, einem schweren Gewaltverbrechen mit drei Toten und einer Schwerverletzten. Aber nein, der Täter war kein Sportschütze, kein Jäger, kein Waffensammler. Und abermals nein, er hat eine Stichwaffe und stumpfe Schlagwaffen und seine bloße Kraft benutzt. Keine Schusswaffe. Das Bild, das die Zeitungen eifrig beschreiben, soll schrecklich ausgesehen haben: Überall Blut. Nächtliche Schreie. Verstörte Anwohner. Fassungslosigkeit.
Es macht mich krank, die eine oder andere Berichterstattung zu verfolgen. Ich will mir nicht im Einzelnen vorstellen müssen, wie der Tatort ausgesehen hat. Zum Glück wird diese Berichterstattung nicht lange anhalten. Nicht aus Pietät, sondern weil eine solche Tat ohne Schusswaffen, ohne die bekannten Testimonials, ohne politische Forderungen, ohne Ideologie für die Medien nicht „sexy“ ist.
Aber es macht mich noch mehr krank, zu sehen, wie bewiesenermaßen sinnlos, ja kontraproduktiv (weil die wahren Probleme ausblendend) die Patentlösungen all der Legalwaffenfeinde ist und wie wenig Schneid sie zeigen, den eigenen Irrtum von der sichereren Welt ohne Schusswaffen einzugestehen. Jetzt wäre die Gelegenheit zur Umkehr: Wenige hundert Meter vom Ort der ersten Bluttat gibt es eine zweite, deren Motivation und Konstellation ganz ähnlich ist. Wie egal ist es beiden Tätern wohl gewesen, welche Waffe sie verwenden oder ob sie überhaupt eine Waffe verwenden? Glauben Sie nicht, dass Menschen, die mit dem Leben abgeschlossen haben, genau so gut Brandbeschleuniger, den es in jedem Supermarkt gibt, oder einen selbstgemachten Sprengstoff oder auf Messer, Schraubenzieher, Beile, Chemikalien, wie ich sie in meinem Putzschrank habe, oder auch ihre bloßen Hände zurückgreifen?
Solche Schlüsselerlebnisse gibt es jährlich leider Dutzende: Die inzwischen regelmäßigen willkürlich schwer verletzten U-Bahn-Opfer in Großstädten, die zusammengeschlagenen Bus- und Straßenbahnfahrer (nicht nur in Großstädten, sondern sogar in unserem kleinen Ort), der zuletzt an einer Hauptschule in Nordrhein Westfalen totgeschlagene 14-jährige Junge (er hatte versehentlich einen anderen angerempelt) und all die Kinder und Jugendlichen, die mit Angst zur Schule gehen müssen. Das alles macht mich nicht nur betroffen, sondern es macht mich auch wütend. Wütend auf die Täter, wütend auf das Unvermögen der Verantwortlichen, diese Menschen zu schützen, die sich ihnen als Fahrgäste, Schüler oder Staatsbürger anvertraut haben und wütend auf all die, die mit der Scheinlösung nach Waffenverboten nichts anderes erreichen, als ideologische Forderungen geschickt zu platzieren. Sie werden damit nicht durchkommen!
Beates erster Streich: Offener Brief an das Aktionsbündnis Winnenden