Südafrikas Innere Lage: Die Weißen, die Schwarzen und die Folgen der Affirmative Action

Dem Reisenden auf den breiten touristischen Pfaden bleibt nicht nur in Südafrika Vieles verschlossen. Aber besonders in Südafrika gilt, dass den Massentouristen aus den USA und Europa selten auffällt, wie es um die Innere Lage dieses Landes bestellt ist. Besonders zur Fußballweltmeisterschaft sicherten tausende von (vielfach ausländischen) privaten Sicherheitskräften die bekannten Tourismus- bzw. in diesem Fall Fußballhochburgen. Schon eine Autofahrt über Land, die an vielen verbrannten Farmen und Weideflächen vorbeiführt, zeigt jedoch viel eher die Realität.
In einer hiermit beginnenden losen Folge sollen einige Aspekte der Inneren Lage Südafrikas beleuchtet werden.
In Südafrika sind rund 10 Prozent der Bevölkerung Menschen weißer Hautfarbe. Ihr Anteil nimmt wegen ihrer geringeren Geburtenrate (1,7) und nach wie vor anhaltender Auswanderung Weißer ab. Man schätzt, dass seit 1994 rund eine Million Weiße Südafrika verlassen haben - meist in Richtung Australien, USA oder zu einem geringeren Teil auch nach Europa.
Die heute noch rund 4,6 Millionen Weißen sind trotz vielfältiger Einwanderung in den letzten 300 Jahren hauptsächlich englischsprachige Angelsachsen oder afrikaanssprachige Buren (Nachkommen von Niederländern, Franzosen und Deutschen), wobei sich speziell die Kultur der Weißen Afrikaaner über den langen Zeitraum ihrer Siedlung nicht nur sprachlich selbständig entwickelt hat. Rund 60 Prozent der Weißen sprechen heute Afrikaans als Muttersprache. Nicht nur in ihrem Selbstverständnis, sondern auch in den Augen vieler Schwarzer sind die Afrikaaner der einzige wirkliche weiße Volksstamm auf einem schwarzen Kontinent wie beispielsweise selbst der südafrikanische Präsident Zuma 2009 erklärte.
                     
Die Verteilung der Weißen in den einzelnen Provinzen sieht wie folgt aus (geordnet nach Bevölkerungsanteil)
- Gauteng: 42%
- Western Cape: 21%
- KwaZulu-Natal: 9,8%
- Eastern Cape: 6,6%
- Free State: 5,8%
- Mpumalanga: 5,4%
- North West: 5,1%
- Limpopo: 2,5%
- Northern Cape: 2,3%
                
Unterhalb der Armutsgrenze lebende weiße Kinder in einem Notcamp in
Coronation Park in Krugersdorp (März 2010). Reuters/Finbarr O’Reilly
Obschon aufgrund der südafrikanischen Geschichte vor dem Ende der Apartheid 1994 Weiße leichteren Zugang zu Bildung und bevorzugten Arbeitsplätzen hatten und bis heute vergleichsweise wohlhabender sind, wird in Südafrika selbst und auch im Westen gerne übersehen, dass mit rund 12 Prozent Bevölkerungsanteil zwischen 400.000 und 500.000 weiße Südafrikaner unterhalb der Armutsgrenze leben (von denen geschätzte 150.000 Hunger leiden) - oft in Camps, die denen schwarzer sozial Benachteiligter in Nichts nachstehen. Eine der Ursachen ist die von der Regierung gewollte Bevorzugung schwarzer Jobbewerber ("affirmative action employment legislation"), die Schwarze nicht nur bei der Bewerbung bevorzugt (weil sie eine 80 Prozent-Quote vorschreibt) und zu Arbeitslosenquoten der Weißen von 8 Prozent und mehr in vielen Provinzen geführt hat (Gauteng ist mit 8,7 Prozent Spitzenreiter), sondern auch den Unternehmensbesitz schwarzer Unternehmer bevorteilt.
Die staatlichen Maßnahmen sind aber nicht nur für die betroffenen Weißen nachteilig, sondern vielfach auch für die schwarze Mehrheit. So verlief das 2001 gestartete Projekt zur Umverteilung von Land, das etwa 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen betraf, so schlecht, dass 2009 von insgesamt 1.250 Projekten bereits 362 gescheitert waren und 275 unmittelbar vor dem Scheitern standen. Solche Ergebnisse betreffen nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern auch die Gesamtbevölkerung - in diesem Fall durch eine Verschlechterung der Ernährungslage. Weitere Konsequenzen wie das zerfallende Gesundheitswesen, die Ausbreitung von AIDS und die Kriminalität haben zu einem Absinken der Lebenserwartung seit 1990 um ganze 12 Jahre geführt. Heute liegt sie bei gerade einmal 50 Jahren im Durchschnitt. Gegen diese dramatischen Auswirkungen richtet sich zunehmend der Zorn der Schwarzen. So kam es zuletzt im Februar 2011 zu gewalttätigen Ausschreitungen mit einem Todesopfer, die sich gegen schwache öffentliche Dienstleistungen richtete.
                                           
Die Weißen sind nicht nur wirtschaftspolitisch benachteiligt, sondern auch bevorzugte Zielscheibe krimineller Gangs. Obschon das Thema Kriminalität einem speziellen Text vorbehalten ist, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass von den über 40.000 weißen Farmern, deren Bedeutung für den Tourismus und auch die Ernährung Südafrikas nicht unterschätzt werden darf, rund 9.000 seit Ende der Apartheit ermordert worden sind - viele nach brutaler Folterung. Mehrere Tausend Farmen sind dabei niedergebrannt worden. Die häufig nur lasch verfolgten Aktivitäten schwarzer Gangs betreffen aber nicht nur weiße Farmer, sondern auch die Bewohner der von Weißen geprägten Vororte und auch wohlhabendere Schwarze. In diesem Zusammenhang sind zwei südafrikanische Phänomene zu nennen: Erstens legen es südafrikanische Kriminelle allermeist darauf an, bei Einbrüchen in Privathäusern den Besitzern zu begegnen oder besser noch, auf sie zu warten. Dem Einbruch schließt sich dann Raub, Vergewaltigung, Körperverletzung etc. an.
Zweitens ist zu beobachten, dass selbst in Townships oder ärmlichen schwarzen Vororten ein geringer sozialer Aufstieg sofort dazu führt, dass die Aufsteiger sich und ihr oft noch bescheidenes Eigentum massiv mit Zäunen, Stacheldraht, privaten Wachdiensten und Hunden schützen. Weder dieses Thema, noch die steigenden Vergewaltigungszahlen, die weltweit mit an der Spitze liegen und vor allem Kinder und Jugendliche von 12 bis 17 betreffen, spielen in westlichen Medien eine größere Rolle.
Eine südafrikanische Reaktion mag indes zu einem verbesserten Ansehen beitragen, nicht jedoch zu einer verbesserten Sicherheitslage: die Beschränkung der Medienberichterstattung. Jedenfalls haben im Sommer 2010 die vier weltweit größten Nachrichtenagenturen ihre Sorge über die Projekte für die Regulierung der Medien in Südafrika in einem Brief an Präsident Zuma zum Ausdruck gebracht. darin heißt es: "Mehr als fünfzehn Jahre nach dem Fall der Apartheid, bekunden wir unsere Beunruhigung und fügen unsere Stimmen zu denjenigen, die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit in Südafrika und der Welt verteidigen". Absender waren Associated Press ( AP), Reuters, Agence France-Presse (AFP) und Bloomberg.
                       
Einwanderer aus Mosambik, 35 Jahre, 3 Kinder,
von fremdenfeindlichem südafrikanischem Mob verbrannt
Nach dem Abschied des moralischen Giganten Nelson Mandela aus der aktiven Politik gewinnen auch Stimmen aus dem Lager des regierenden African National Congress (ANC) an Gewicht, die nicht auf eine Versöhnung der Rassen hinwirken, sondern im Gegenteil sogar Bürgerkriegsmotive bemühen, um Weiße und andere schwarze Bevölkerungsteile wie z.B. die Zulus zu entrechten. Das Beispiel des ANC-Jugendführers Julius Malema, der intensiven Umgang mit Simbabwes Alt-Dikator Robert Mugabe pflegt und das hetzerische Lied "Tötet den Buren" anstimmen läßt, wann immer er diesen Tabubruch öffentlichkeitswirksam begehen kann, ist nur ein, wenn auch prominentes Beispiel für diese Politiker. Vergleichbares Liedgut ist auch für den ANC-Chef selbst kein Problem.
Ehemalige ANC-Kämpfer, die heute an den Spitzen von Polizei und Justiz stehen, zeigen sich nicht als unfähig, sondern vielmehr als unwillig, energisch gegen die ausufernde Kriminalität einzuschreiten - nicht nur gegen die Gewaltkriminalität, sondern auch die politisch motivierte Spaltung der Gesellschaft. Jüngstes Opfer dieser Gewalt in Südafrika sind vor allem Einwanderer aus den Nachbarländern wie z.B. Mosambik.
                
Auch der Umgang mit den anderen afrikanischen Staaten hat eine - durchaus bewußt in Kauf genommene Signalwirkung. Bereits Regierungsschef Mbeki, der Mandela 1999 folgte, sorgte nicht nur durch seine irrationalen Vorstellungen zur Erkrankung AIDS für Aufsehen (angesichts von 5 Millionen HIV-Infizierten - 11 Prozent der Bevölkerung - eine sehr gefährliche Perspektive), sondern mehr noch durch seine kritiklose Nähe zu Mugabe und den Machthabern im Sudan, die in der internationalen Öffentlichkeit wegen ihrer "ethnischen Säuberungen" in der Kritik standen und denen massive Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen worden waren. Mbeki stand auch für gute Beziehungen zu Libyen und lieferte massiv Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete oder an Staaten, die sie eben dort einsetzten - darunter Algerien, Pakistan und Indien sowie Nigeria und Uganda.
            
Wenig überraschend ist, dass zwar die internationale Weltpresse zunehmend Notiz von der Situation der Weißen in Südafrika nimmt, nicht jedoch die deutschen Medien und auch nicht die deutschen Touristen. Bei der Analyse und Bekämpfung von Elend sollte (vermeintliche) politische Korrektheit allerdings nicht der Gradmesser sein.

Gastbeitrag von John Murray

Verweise
- Reuters: White Poverty in South Africa (inkl. Fotos)
- BBC: South Africa's Hidden White Poverty
- New York Times: Poverty and Little Sympathy in South Africa
- Norwegian Council for Africa: Poor Whites are Strangers in a New Land
- Südafrikas Kriege: Gegen ANC und SWAPO
- Mugabes Simbabwe: Innenansichten einer Diktatur
- Stern: Mandelas korrupte Erben
- Die Badische Zeitung über fremdenfeindlichen Mob in den Slums