Ich habe Messer seit ich denken kann und ebenso lange lese ich Abenteuerromane. Als Kind verspürte ich wie so viele andere deshalb ein angenehmes Gruseln, wenn ich ein Messer mit "Blutrinne" betrachtete.
Es
hörte sich auch irgendwie plausibel an, die Blutrinne soll beim Stich
in einen Wild- (oder menschlichen) Körper die Wunde so weit offen
halten, dass das Blut abfließen kann. Andere behaupteten, dadurch sollte
Luft in einen Thorax gelangen und die Lunge zum Kollabieren bringen.
Noch
heute hört man derartige Theorien - unter anderem bei Abfangmessern.
Sie sind auch keineswegs auf den deutschen Sprachraum begrenzt, denn im
Englischen klingt "blood groove"und im Dänischen "Blodrille" ähnlich
schaurig.
Bei der Auslieferung der Bajonette
für das britischen SA80-Gewehr in den 1980er Jahren stand sogar in der
offiziellen Gebrauchsanweisung: "The bayonet is shaped to produce good
penetration when thrust, point first, into the body and is designed to
part the ribs without embedding into the bone. ... The recesses along
the blade are blood channels to reduce any suction effect and enable a
clean withdrawal from the body."
Damit wurde
der Unsinn von der "Blutrinne", für deren Nutzen es keinerlei Belege
gibt, wiederholt und so bleibt diese irreführende Bezeichnung trotz der
gesellschaftlichen Ächtung des Messers üblich.
In
Wirklichkeit ist diese Einrichtung in der Klinge, die man besser
"Hohlkehle" oder auf Englisch "Fuller" (nach dem zur Erzeugung
verwendeten Schmiedewerkzeug) nennt und die entweder einen Teil oder die
ganze Klingenlänge
Man sagt, eine Hohlkehle spare
zwischen 20 und 30 Prozent an Klingengewicht ein und das erscheint
nicht nur bei langen Bajonetten und Abfangmessern sinnvoll, sondern z.B.
auch bei Jagdmessern, die man den ganzen Tag am Gürtel trägt oder
robusten Camp Knives mit breiten und dicken Klingen, die nicht zu
klingenlastig sein sollen.
Da auch kleinere
Messer eine Hohlkehle haben wie z.B. die klassische Canoe-Form, die von
Marbles Knifes Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Markt gebracht wurden
und viele andere Messer, deren Funktion gar nicht als Waffe gedacht
war, ist die Erklärung der Hohlkehle als Blutrinne offensichtlicher
Unsinn.
Hingegen hat kaum eines der klassischen Kampfmesser eine Hohlkehle wie z.B. das Randall Nr. 1 "All purpose fighting knife"
, das 'Fairbairn Sykes", das "Applegate Fairbairn", das " Kampfmesser
2000" der Bundeswehr, das deutsche "Grabenmesser" des Ersten Weltkrieges
(Replik von Böker) oder das "Prather War Bowie".
Gleiches gilt für mein Lieblingsabfangmesser, das "Wild Pig Hunter", das nur für diesen Zweck konzipiert wurde.
Das berühmte Kabar bzw. "USMC Fighting Knife"
mit Hohlkehle war trotz des (propagandistischen) Namens von Anfang an
als "Utility Knife", also Allzweckmesser gedacht und auch nicht den
Kampftruppen vorbehalten.
Eine Klinge ist dann
tödlicher, wie jeder weiß, der einige Male Wild mit der Blankwaffe
abgefangen hat (wofür es gute Gründe gibt, wie den Schutz von Hunden und
Menschen durch Geschosssplitter und bei Durchschüssen), wenn sie lang
und breit genug ist und in der Wunde bewegt und vor allem wieder
herausgezogen wird.