Die deutsche Jagdkultur gehört sicherlich mit zu den wichtigsten Impulsgebern weltweit, aber ihre heutige Form hat keinen universellen und unvergänglichen Anspruch - noch nicht einmal in Deutschland. Zwar gibt es Vorbehalte gegen die Jagd mit Bogen/Armbrust, Kurzwaffe, Schwarzpulver oder Blankwaffen, aber nichts davon ist grundsätzlich illegitim oder nicht waidgerecht, wenn es fachmännisch und ethisch betrieben wird und im Einklang mit geltendem Recht ist (z.B. USA oder Südafrika, Namibia). Im besonderen Maße trifft das auf die in Deutschland rechtlich einwandfreie Jagd mit Schwarzpulverwaffen zu. In einem Interview mit Thomas Leigh Dobert wollen wir für mehr Klarheit eintreten. Er ist seit 38 Jahren Jäger und Schwarzpulverschütze in Deutschland, anfangs mit Ausländerjagdschein (da gebürtiger Amerikaner). Nach Einbürgerung hat er das "grüne Abitur" abgelegt und jagt mit deutschem Jagdschein.
JagdWaffenNetz: Die Schwarzpulverjagd führt in Deutschland anders als in Südafrika und vor allem in den USA eher ein Nischendasein. warum ist das so?
Thomas Leigh Dobert: "Die Jagd mit Schwarzpulverwaffen ist in Deutschland zwar nicht verboten, ist aber schlicht 'unüblich' geworden. Fälschlicherweise wird jedoch von einer großen Anzahl der Jäger selbst behautet, die Form der Jagd sei erstens verboten, und zweitens nicht mit dem im Deutschen Jagdgesetz verankerten sog. „waidgerechtem Schuss“ vereinbar. Einige Jagdherren verbieten auch expressis verbis in ihren Revieren die Jagd mit Vorderladergewehren, was zwar ihr gutes Recht ist, aber oft auch von dem oben gesagten abgeleitet ist."
Was genau ist eigentlich Schwarzpulverjagd und wie steht es mit dem rechtlichen Status und der Waidgerechtigkeit?
"Hier muss man zunächst etwas grundlegendes unterscheiden : Es gibt die Möglichkeit mit Vorderladerflinten und Vorderladergewehren, die nach historischem Vorbild gefertigt sind und mit der sog. Perkussionszündung ausgerüstet sind, zu jagen – und es gibt die Möglichkeit mit (ebenfalls historischen Vorbildern) Flinten und Gewehren die mit Schwarzpulver geladene Patronenmunition verschießen, auf die Pirsch zu gehen.
Ich als eingefleischter Fan der Schwarzpulverjagd werde jedoch immer die historischen Vorderladerwaffen zur Jagdausübung bevorzugen; die Variante mit den Schwarzpulverpatronen zählt aber ebenfalls zu dieser Jagdart.
Der rechtliche Status im jeweiligen Jagdrevier muss von jedem verantwortlichen Jäger genau geklärt werden, und zwar immer für das Bundesland, in dem er sein Revier hat, oder zu Gast ist. Dazu muss man sich schlicht das gültige Jagdgesetz des jeweiligen Bundeslandes (in Deutschland) beschaffen, und es genau lesen. Dabei muss man aber auch darauf achten, zu lesen/zu verstehen was drinnen steht – und was nicht drinnen steht !
Wie oben gesagt, ist ein Verbot der Jagd mit Schwarzpulver aber in Deutschland nicht vorhanden. Das Bundesjagdgesetz verbietet in § 19 (sachliche Verbote) das Jagen mit Büchsenpatronen, die eine Auftreffenergie von 2.000 Joule bzw 1.000 Joule auf 100 Meter unterschreiten. Ebenfalls wird verboten mit Kurzwaffen unterhalb einer Mündungsenergie von 200 Joule zu schießen. Weitere Verbote gibt es was Schusswaffen betrifft nicht.
Waidgerechtigkeit ist zwar ein Begriff, der im Gesetz vorkommt, jedoch nicht gesetzlich definiert ist. Dies hat Vorteile, aber auch Nachteile. Der Vorteil ist, dass der Begriff jeweils zeitgerecht interpretiert werden kann, der Nachteil ist, dass er eben nicht fest umrissen ist. Ich denke, dass man wohl den Begriff am ehesten so fassen kann: Waidgerechtigkeit bedarf der Jäger um dem Wild, das er tötet gerecht zu werden, damit sein Herz und sein Gewissen rein bleiben. Waidgerechtigkeit ist für mich eine kulturelle Leistung.
Zur Waidgerechtigkeit von Schwarzpulverwaffen kann ich aus über 30jähriger Erfahrung sagen, dass diese jagdlichen Waffen sämtliche Kriterien erfüllen – wenn – und hier liegt der wesentlichste Punkt !! - der Jäger seine Waffe genau passend zur bejagten Wildart auswählt (z.B. ist jedes Vorderladerjagdgewehr unter dem Kaliber .54 für die Jagd auf Reh/Dam/Rotwild ungeeignet), und mit dieser Waffe ständig übt! Ein solcher Jäger kann unmöglich ohne eine ständige Übungstätigkeit mit seiner Waffe als verantwortungsbewusst und/oder waidgerecht gelten. Wer die Gewissheit haben möchte, einen schnellen zweiten Schuss anbringen zu können, der rüstet sich zweckmäßigerweise eben mit einer Doppelbüchse aus. Ich habe in all den Jagdjahren niemals erlebt, dass ein beschossenes – auch starkes – Stück Wild nach dem Auftreffen des Geschosses „auf den Läufen“ geblieben ist. Die Geschosswucht ist nach meiner Erfahrung so groß, dass jedes Stück Wild sofort umgerissen wird und liegt. Außerdem ist es meine Erfahrung, dass die verhältnismäßig „langsamen“ Bleigeschosse mit ihren ca. 450 m/sek wesentlich weniger – bis gar keine – Hämatome im Umfeld des Schussbereiches aufweisen."
Es gibt eine tolle Untersuchung zur Jagdausübung mit Schwarzpulverwaffen - können Sie dazu ein paar Stichworte geben?
"Wir, meine Frau und ich, haben vor Jahren schon durch unsere gelegentliche Tätigkeit als freie Mitarbeiter bei der Fachzeitschrift VISIER, zusammen mit dem dortigen Redaktionsteam, eine fundierte, von einem unabhängigen Ballistiker durch eine Testreihe die ballistische Wirkung von Schwarzpulvergeschossen erstellen lassen, die dann auch in der o.g. Zeitschrift erschienen ist. Bei diesem Test hat der Ballistiker selbst gestaunt, welche massive Geschosswirkung durch diese Bleigeschosse entstanden ist, es war nach dem Test auch völlig klar, dass ein solches Geschoss den Wildkörper durchdringt – selbst aber dabei nicht zerstört, sondern nur verformt wird. Die Leistung des Schwarzpulvergewehres im Kaliber .58 wurde auf 100 Meter mit der ballistischen Leistung eines „modernen“ Jagdgewehres im Kaliber .308 verglichen, übrigens nicht zum Nachteil der Perkussionswaffe im historischen Stil!
Dazu muss aber auch ganz klar gesagt werden, dass diese Schussdistanz von 100 Meter mit einem solchen Vorderladergewehr unter keinen Umständen anzuraten ist. Ich selbst beschränke mich mit meiner Büchse auf max. 70 Meter Schussdistanz. Was natürlich auch eine Herausforderung an den Jäger selbst darstellt ! Moderne Waffen erreichen sicher Distanzen von 200 Metern – aber für mich ist diese Jagdart (oft genug aus beheizter Kanzel etc.) eben nicht die traditionelle – wildschonende – Jagdform.
„Bei mir hat das Wild, das ich bejage eine gleichwertige Chance mir zu entgehen!“
Interessanterweise gab es vor etwa 3 Jahren einen Gesetzesvorschlag für die Jagd mit Schwarzpulverwaffen in Italien (mit Unterstützung der „Grünen“). Per Gesetzesänderung sollte diese Jagd zur schonendsten Jagdart erklärt worden, und hätte damit Vorrang über die konventionelle Jagd gehabt. Begründung: Die Anforderungen an das Können und das Fachwissen des Schwarzpulverjägers sind ungemein höher als diejenigen der konventionellen Jäger. Ausserdem werde durch die schonende Jagd mit Schwarzpulver wesentlich weniger in die lebendige Natur eingegriffen als z.B. bei der Jagd mit herkömmlichen Waffen. Zudem kämen durch die erschwerten Bedingungen für die Jäger viel weniger Wild zur Strecke, als es gegenwärtig der Fall sei. Was aus der Gesetzesinitiative geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis."
Muß man für die Jagd mit Schwarzpulverwaffen ein "Goliath" sein - also ist es nur Männern möglich?
"Beim Abschuß aus einer Schwarzpulverwaffe wird durch die völllig andere Abbrandgeschwindigkeit des Teibmittels der herkömmliche „Rückstoß“, den man aus modernen Waffen kennt, viel eher als „Rückschub“ empfunden. Deshalb fällt es auch zierlichen Frauen leichter mit einer großkalibrigen Schwarzpulverwaffe umzugehen. Wir haben in Dänemark jährlich den sogenannten „Quigley Shoot Off“, wo wir mit Schwarzpulverwaffen einen Eimer auf 600 Meter beschießen. Regelmäßig nehmen an diesem Wettbewerb Frauen mit sehr guten Schießergebnissen teil. Außerdem empfinden auch Rollstuhlfahrer den Umgang mit diesen Waffen als angenehm."
Was raten Sie dem Jäger, der Interesse an der Jagd mit Schwarzpulverwaffen hat? Wie kann man Informationen bekommen oder auch einen Einstieg finden?
"Da hilft eigentlich nur vertrauensvolles Nachfragen unter den Schwarzpulverschützen bei großen Schießveranstaltungen, oder eben die Recherche im Internet. Auch unter befreundeten Jägern (meist ältere Jahrgänge!) kann man vertrauensvoll nachfragen. Aus eigener Erfahrung weiß ich dass einige „es tun“ - aber niemals darüber zu sprechen wagen."
Gibt es auch Tipps für Schwarzpulverschüzen, die noch nicht Jäger sind - außer der Erwerb des Jagdscheins?
"Grundsätzlich darf in Deutschland – wie sonst überall in Europa und den USA auch – nur derjenige dem Wild nachstellen, und es auch bejagen, der einen in dem jeweiligen Land gültigen Jagdschein hat. Wenn man jedoch unter den Kollegen Schwarzpulverschützen auch einen aktiven Jäger kennenlernt (meist ältere Generationen!), dann kann es durchaus klappen dass man zu einer solchen Jagd als Zuschauer/Gast mitgenommen wird – hier ist aber auch viel Vertrauensarbeit auf Seiten des potentiellen Gastes notwendig !
Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, mich zu „outen“ und frei zu erklären dass ich, dort wo es nicht per Gesetz oder Verordnung verboten ist, gerne und bevorzugt mit Schwarzpulverwaffen jage. Ich tue dies schon seit Jahren – und habe Waschkörbe voll von Post bekommen, deren Absender mich entweder völlig verdammen – oder mir (zurückhaltend) zustimmen, teilweise auch mit dem Hinweis dass sie selber 'es auch tun'."
Das JagdWaffenNetz wünscht alles Gute und Waidmannsheil und der Schwarzpulverjagd, einer Königsklasse der Jagd, einer Disziplin, die sehr viel Hingabe an Wild und Waffe erfordert, viel, viel mehr Akzeptanz!