Der Irak-Krieg 2003 in den Medien


Die westlichen Medien und das US-Militär hatten beide aus dem ersten Golfkrieg 1991 gelernt. Eine bessere Berichterstattung über den Irakkrieg 2003 hat es trotzdem nicht gegeben. Auf der einen Seite gab es in deutschen Rundfunksendungen und Zeitungsartikeln zahlreiche Hinweise auf die Einwirkung von Propaganda und Zensur beider Kriegsparteien. Auf der anderen Seite versuchten die Koalitionsstreitkräfte nicht mehr wie noch im ersten Irak-Krieg oder im Kosovo-Konflikt hauptsächlich mit Satellitenaufnahmen Erfolge zu zeigen. Damit erschöpften sich aber die Lerneffekte von Medien und Militär.
                                                                  
Eingebettete Journalisten
Die Koalitionsstreitkräfte ließen rund 500 ihnen bekannte Journalisten eingebettet („embedded“) in die Streitkräfte berichten, d.h. permanent und unmittelbar einen bestimmten Truppenteil begleiten. Diese Berichterstattung unterlag der Beschränkung, keine Angaben zu machen, die – wie genaue Ortsangaben – für die Truppe gefährlich sein könnte und setzte, wenn sie „in Echtzeit“ stattfand, auf das Videophon an Stelle von Fernsehkameras, das über Satellitenkanäle sendete, aber dafür Einbußen an Ton- und Bildqualität aufwies. Die Bilderflut, die die Folge war, führte dazu, dass rund 1,5 Millionen Zuschauer in Deutschland mitverfolgt haben, wie der Angriff auf den Irak begann.
In diesem Konflikt gab es zahlreiche Liveberichte von Kampfhandlungen. So konnten z.B. wenige Tage später die Zuschauer von CNN, Euro News, n-tv, dem belgischen Sender RTBF und anderen Fernsehanstalten Teile der 7. US-Kavalleriebrigade im Ortskampf in Umm Kasr sehen.
          
Verschwindet die Distanz des Berichterstatters?
               
Mehr Informationen konnten die Zuschauer dadurch aber nicht erhalten. Sie hatten durch die eingebetteten Journalisten höchstens den Eindruck, den die beteiligten Soldaten selbst haben konnten, oft genug unkritisch und geprägt von persönlicher Meinung und eigenem Erleben, nicht aber einen Überblick über das Kampfgeschehen. „Ich sehe einen gigantischen Vormarsch von Stahl durch die irakische Wüste“, verkündete z.B. der CNN-Reporter Walter Rodgers von einem Panzer herab. Er werfe seine ganze Integrität als Reporter gegen das irakische Regime in die Waagschale, erklärte er, als er zum Dementi der ersten Geländegewinne durch die Iraker befragt wurde. Er konnte aber nicht mehr berichten, als dass er bei einem Vormarsch einer Panzereinheit irgendwo im Südirak dabei war (FAZ, 22.3.2003, „Diese Bilder sind echt“).
Als die irakische Verwaltung und Militärorganisation nach drei Wochen Krieg zusammenbrachen, inszenierten die US-Truppen in Bagdad ein Medienereignis ersten Ranges: US-Panzer stießen in das Zentrum bis zu einem repräsentativen Platz mit Saddam Hussein-Statue und genau gegenüber dem Hotel „Palestine“ vor, in dem zahlreiche westliche Medienvertreter wohnten. Einfacher konnte man nicht vor den Kameras der Weltmedien vorfahren. Auf dem Platz wurde dann später die Statue umgestürzt und das Hotel durchsuchten US-Soldaten – alles mit Liveübertragung gegen 16 Uhr Ortszeit in Mitteleuropa. Besser konnte man den Zerfall der irakischen Machtstrukturen nicht weltweit im Bild beweisen und entsprechende Titelbilder auf nahezu allen europäischen Zeitungen am Folgetag schaffen. Den Amerikanern unterlief nur ein Regiefehler, als ein Soldat der Statue zunächst die US-Fahne umhängte die dann aber rasch durch die irakische Fahne ersetzt wurde. Zu sehr sah die erste Aktion nach Besetzung und nicht nach Befreiung aus.
         
Fehlendes Know-how der Journalisten
Die Medien nutzten Militärexperten in den Heimatredaktionen wegen ihrer Kenntnisse, die jedoch in der Regel keinen Einblick in den Konflikt besaßen und sich auch nur auf zensierte TV-Bilder verlassen konnten. Die Journalisten vor Ort dagegen kannten den Konflikt aus erster Hand, konnten aber viele Angaben und Vorgänge nicht kritisch bewerten, weil ihnen Hintergrundwissen fehlte. An dieser Stelle hätte beides miteinander verbunden werden müssen, das Hintergrundwissen und der Eindruck vor Ort. Dies unterblieb aber in den meisten Fällen. Das bedeutet letztlich, dass die Kompetenz von Journalisten, über Krisen und Kriege zu berichten, in Frage gestellt werden muss. Allein die Geschichte der uranhaltigen (und damit panzerbrechenden) Munition wurde einmal im ersten Golfkrieg, ein zweites Mal nach dem Bosnien-Konflikt und auch in diesem Irak-Krieg wieder berichtet – das kollektive Gedächtnis der Journalisten war kurz genug, um das Phänomen vergessen zu können.
                 
Vertrautes Ritual mit geringem Informationswert
               
Andere Merkwürdigkeiten in der Berichterstattung weisen in ähnliche Richtung: Am 26.3.2003 hatten deutsche und andere Fernsehsender z.B. berichtet, es seien über 100 gepanzerte Fahrzeuge der Iraker auf dem Marsch vom noch nicht besetzten Basra nach Fao, wo bereits die Koalitionsstreitkräfte herrschten. In anderen Berichten hieß es zudem, es seien rund 1.000 Fahrzeuge aus Bagdad unterwegs auf die Stellungen der Koalitionsstreitkräfte. Diese großen und mehrfach berichteten Truppenbewegungen wurden in den folgenden Tagen aber einfach nicht mehr erwähnt. Jeder, der einmal eine einzige Panzerkompanie auf dem Marsch gesehen hat, weiß aber, wie wenig 100 oder mehrere hundert gepanzerte Fahrzeuge einfach verschwinden können. Entweder, die ersten Meldungen waren Falschmeldungen oder die Sender hatten einfach die Spur dieser Verbände verloren oder die Iraker waren inzwischen übergelaufen oder vernichtet worden und darüber sollte oder konnte nicht berichtet werden. Das Totschweigen dieses mehrfach angekündigten Aufmarsches bleibt jedenfalls unverständlich. Der Zuschauer musste heftige Kampfhandlungen erwarten, die dann einfach ausblieben.
            
"Shock and awe"
                 
An der Einschätzung, der Erfolg des Krieges sei für die Koalitionsstreitkräfte nicht mehr in greifbarer Nähe, weil der Vormarsch stockte, waren aber nicht nur Journalisten, sondern auch US-Politiker selber schuld. Denn z.B. Pentagon-Berater Perle behauptete noch am 11.7.2002, das irakische Militär werde „nach dem ersten Hauch Pulver“ zusammenbrechen. Verteidigungsminister Rumsfeld bezweifelte sechs Wochen Krieg, Vizepräsident Cheney erklärte, es werde schnell gehen, „eher in Wochen als in Monaten“. Ende März häuften sich aber von denselben US-Politikern die Erklärungen, die Eroberung des Iraks werde länger dauern und schwieriger werden. Der Anteil der Amerikaner, der daran glaubte, dass der Irak-Krieg sich mehrere Monate hinziehen würde stieg nach einer Umfrage der Washington Post innerhalb weniger Tage von rund 40 auf rund 50 Prozent. Dieser Meinungswechsel der Politiker ließ offenbar vergessen, dass der Vormarsch in drei Wochen in der Tat sehr schnell erfolgte und viele wichtige Kriegsziele erreicht werden konnten: der Zusammenbruch des irakischen Militärs, die Verhinderung des Beschusses Israels, die Verhinderung eines türkischen Eingreifens im Nordirak, die Verhinderung des systematischen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen.
                  
Noch erstaunlicher war jedoch, dass die vergleichsweise geringe Zahl von Gefallenen bei den Koalitionstruppen nicht in den Medien gewürdigt wurde. Dafür dürfte auch das geringe Know-how der Journalisten verantwortlich sein. Übersehen wurde durchgängig, dass der grundsätzlich verlustreiche Ortskampf nicht nur in Bagdad, sondern z.B. auch in Umm Kasr, Basra oder Kerbela hätte umfangreicher stattfinden können und verdeckt kämpfender Feind überall auf der gewaltigen Nachschublinie zwischen der kuwaitischen Grenze und Bagdad häufiger hätte zuschlagen können. Zudem wurden nicht nur Erfahrungen aus dem Zweite Weltkrieg vergessen (allein im Endkampf um Berlin verloren die russischen Angreifer rund 800 Panzer, über 100.000 Zivilisten wurden getötet), sondern auch aus Mogadishu in Somalia (1993) oder Grosny in Tschetschenien (1990), wo sich weder US-Amerikaner noch Russen gegen militärisch deutlich schwächere Gegner durchsetzen konnten.
            
Und erst recht ging der erstaunliche Umstand in der Berichterstattung völlig unter, dass es in Bagdad eben keine tagelangen schweren Kämpfe Haus um Haus und Straße und Straße gab, sondern die weit überwiegende Zahl der Soldaten und Polizisten ganz einfach ihre Uniformen auszogen und nach Hause gingen. Sie waren beim Einmarsch der Amerikaner ganz einfach wie auf Verabredung verschwunden, ohne dass das von den Medien im Mindesten für merkwürdig befunden wurde. Der Vergleich mit dem alliierten Sieg gegen Deutschland 1945, der von vielen Medien gezogen wurde, verbot sich dementsprechend von selbst, denn bis zum 8. Mai 1945 war in Deutschland gekämpft worden – auch mit Offensivhandlungen der Deutschen wie z.B. bei der Ardennenoffensive – und allein die Amerikaner hatten über 400.000 Tote. Bis zum 21. Kriegstag im Irak hatten die Koalitionsstreitkräfte dagegen rund 150 Tote und Vermisste.
          
Stealth Bomber oder Gespenster?
                    
CNN gegen El Dschasira
Der 1996 gegründete arabische Sender El Dschasira („Die Insel“) mit einem Publikum von rund 35 Millionen Zuschauern in der arabischen Welt und mit Sitz im Emirat Katar (wie die US-Kommandozentrale von General Franks) und finanziell abhängig von Katars Scheich Hamad Bin Khalifa Al-Thani zeigte – erstmalig in diesem Konflikt – am 23.3. nicht nur Bilder von toten US-Soldaten, sondern auch gefangene US-Soldaten in einer Art Verhör, die u.a. ihren Namen, ihre Einheit und den Grund ihres Einsatzes im Irak nennen sollten. US-Verteidigungsminister Rumsfeld erklärte dazu, wer Bilder von misshandelten Kriegsgefangenen zeige, mache sich mitschuldig. El Dschasira hatte bereits die Video-Botschaften von Osama bin Laden ausgestrahlt und war bereits deshalb im Pentagon kritisch beurteilt worden. Im Irak-Konflikt hielten sich die US-Fernsehanstalten weitgehend an die Empfehlung Rumsfelds, die Bilder der Kriegsgefangenen nicht zu zeigen. Sie erschienen nur als Standbild. Die US-Medien übten in diesem Fall also Selbstzensur. Auf der anderen Seite waren mehrfach irakische Tote im Fernsehen zu sehen.
                
Mehr noch als CNN profitierte der Sender Fox News vom Konflikt: in der ersten Woche des Krieges sahen nur rund 3,2 Millionen Amerikaner CNN, 3,6 Millionen jedoch Fox News, die wesentlich unkritischer den US-Feldzug berichtete und sogar den Pentagon-Slogan „Operation Iraqi Freedom“ als Berichterstattungstitel übernommen hatte. Für Fox berichtete u.a. Oliver North, der Protagonist der Iran-Contra-Affäre sowie Geraldo Rivera, der bereits im Afghanistan Krieg durch unseriöse Äußerungen aufgefallen war und nun vom Pentagon des Einsatzgebietes verwiesen wurde, weil er in einem Livebericht US-Positionen in den Sand zeichnete und so weltweit verriet (Der Spiegel 15/2003, Irak-Krieg. Subtiles kann nur verwirren). El Dschasira konnte allerdings trotz intensiver Berichterstattung in 2003 nicht in die Gewinnzone einziehen. Der bislang von Katar finanzierte Sender konnte – nach der britischen Zeitschrift Economist wegen seiner politischen, d.h. zu liberalen Ausrichtung – trotz vieler spektakulärer Berichte (z.B. die exklusive Ausstrahlung von Osama bin Laden-Videobändern) nicht annähernd genügend Werbekunden gewinnen. El Dschasira verkaufte aber auch im Irakkrieg Bildmaterial an CNN, Fox und andere (The Economist 21.6.2003, All that Jazeera. Television in the Arab world).
                 
El Dschasira stellte seine Live-Berichterstattung in Bagdad am 3.4. ein, als nicht nur ein Korrespondent aus der Stadt ausgewiesen worden war, sondern auch einem zweiten die Berufsausübung verboten worden war. In diesem Punkt ähnelten sich El Dschasira und CNN: Korrespondenten beider Sender waren ausgewiesen worden.
                    
In den Berichterstattungskonflikt zwischen CNN und El Dschasira griffen auch US-amerikanische Hacker ein: Sie hatten die Internet-Seite von El Dschasira mit Links zu einer US-Flagge und pornographischen Inhalten verbunden und die Botschaft „Gott segne unsere Truppen“ hinterlassen. Ähnliche Hacker-Angriffe waren besonders seit der Ausstrahlung von Bildern der US-Kriegsgefangenen auf El Dschasira zu verzeichnen gewesen.
                      
"Regiefehler"

Neben El Dschasira und CNN gab es aber auch noch das irakische Staatsfernsehen El Schabab als Informationsquelle aus erster Hand. Den Eindruck der zunehmenden Lähmung des öffentlichen Lebens konnte auch dieser staatliche Sender nicht verhindern. Neben Freiwilligen aus anderen arabischen Ländern, die auf Seiten der Iraker kämpfen wollten, und Aufnahmen von Saddam Hussein wurden offenbar vor allem Soldaten und offizielle Ansprachen gezeigt.
                    
Israel geriet mit abnehmender Wahrscheinlichkeit irakischer Raketenangriffe aus dem Blickfeld der Medien. Die meisten Auslandsjournalisten waren Anfang April bereits abgereist. Den Israelis selbst standen in Englisch ausschließlich Medien zur Verfügung, die eher aus US-Perspektive berichteten (Fox, CNN und Sky). Die BBC wurde wegen angeblich mangelnder Nachfrage aus dem Programm genommen. Das Handelsblatt vermutete allerdings, – ähnlich wie medienkritische Israelis – dass diese Verarmung des Fernsehangebots wegen der angeblichen israelkritischen Berichterstattung der BBC bewusst in Kauf genommen wurde (Handelsblatt, 4.4.2003, Kritische Töne unerwünscht).
          
Warum Zensur?
Kriegs- und Krisenberichterstattung sind keine unabhängigen Phänomene, sondern zum einen vom Mediensystem, zum anderen von Militär und Politik beeinflusst. Ein bedeutsamer Faktor für die Berichterstattung ist und bleibt die Zensur. Die Maßnahmen der negativen oder direkten Zensur zielen im Wesentlichen darauf ab, den Medien Informationen vorzuenthalten. Das geschieht z.B. durch die Kontrolle und Selektion des Bild- und Tonmaterials von Journalisten durch militärische Zensoren oder Verhängung von Nachrichtensperren bzw. Zurückhalten von einzelnen Informationen. Eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist dadurch jedoch kaum möglich und diese Methode kann auch gegenteilige Wirkungen entfalten, wie der Angriff israelischer Soldaten im April 2001 auf Journalisten zeigte, die die Mission des US-Vermittlers Anthony Zinni begleiten wollten: Die Soldaten schossen von ihren Panzerfahrzeugen vor laufender Kamera nicht nur mit Tränengas, sondern auch mit scharfer Munition. Um den Informationsbedarf der Leser und Zuschauer zu decken und auch die eigene Tätigkeit zu legitimieren, ist in der Regel davon auszugehen, dass in den Medien auf – so nennt es der Kommunikationswissenschaftler Siegfried Weischenberg – „ritualisierte“ Berichterstattungsformen zurückgegriffen wird, wie auf den Einsatz von Experten, die informationslose Liveschaltung zwischen Studio und Korrespondent, das Zitieren von offiziellen Kommuniqués, sowie Mutmaßungen und Spekulationen, die durch Archivbilder oder Computersimulationen illustriert werden.
              
Die Maßnahmen der positiven oder indirekten Zensur zielen direkt auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ab. Dazu zählen die Bereitstellung von Bildmaterial durch das Militär und die Lancierung nur ausgewählter oder verfälschter Informationen. Verfälschte Informationen im ersten Golfkrieg reichten so vom angeblichen Mord an Babys in Kuwait über die Fotografie von der Hinrichtung kuwaitischer Zivilisten (in Wirklichkeit irakische Plünderer) bis zur Menge so genannter intelligenter Bomben, wie J.R. MacArthur feststellt. Wie es sich z.B. mit der Behauptung der US-Regierung, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, verhält, die der wesentliche Kriegsgrund war, wird man erst nach einer weiteren Untersuchung der Verhältnisse im Irak beurteilen können. Von diesen Waffen sind Monate nach dem US-Sieg allerdings weder der ehemalige UNO-Chefwaffeninspektor Hans Blix, noch die oppositionellen Demokraten in den USA überzeugt: Während Blix im Juni 2003 betonte, die Aussichten für derartige Waffenfunde schwänden immer mehr, forderten die Demokraten eine parlamentarische Untersuchung des Vorwurfs der Kriegslügen (Financial Times Deutschland, 12.6.2003 Blix schimpft auf „Bastarde“ im Pentagon). Es bestehen Wechselwirkungen zwischen beiden Formen der Zensur, z.B. wird durch Informationsverknappung (direkte Zensur) die Übernahme militärischen Bild- und Tonmaterials (indirekte Zensur) begünstigt.
          
Protest gegen Zensurmaßnahmen
Die Europäische Rundfunkunion hat gegen britische und amerikanische Einschränkungen der Berichterstattung protestiert. Das Militär beider Staaten habe mehrfach unabhängige Journalisten aus verschiedenen Staaten mit Gewalt aus Gebieten im Südirak vertrieben. Es sei ein ungleiches System entstanden, erklärte der Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehanstalten: eingebettete Journalisten, dann Journalisten aus Ländern der Koalition und zuletzt unabhängige Berichterstatter, „die davon abgehalten werden auch nur in die Nähe der Ereignisse zu kommen“ (www.n-tv.de, 3.4.2003) US- und britische Militär-Pressesprecher erklärten, von diesen Vorgängen nichts zu wissen und verwiesen auf die angebliche Gefährdung unabhängiger Journalisten, einem beliebten Grund, Gebiete von der Berichterstattung zu sperren – von Tschetschenien bis Zaire. Die Benachteiligung von Journalisten aus Staaten, die dem Krieg ablehnend gegenüber stehen wurde, auch von einzelnen Korrespondenten bestätigt. Schließlich war auch die kuwaitische Armee damit beauftragt, die 240 Kilometer lange Grenze zum Irak für nicht autorisierte Korrespondenten zu sperren.
          
Gruselschauspiel auf Youtube gewollt?

Die „schweren Kämpfe“ der Reporter und die „brutalen Straßenkämpfe“ (www.n-tv.de, 1.4.2003) der britischen Militärsprecher in Basra forderten z.B. am 1.4. einen Toten bei den Koalitionsstreitkräften. Unter brutalen Straßenkämpfen versteht der Zuschauer nach Bildern aus Grosny in Tschetschenien oder den Kämpfen um deutsche Städte im Zweiten Weltkrieg von Königsberg bis Berlin mit mehreren hunderttausend Toten, die durch zeitgeschichtliche Sendungen in Erinnerung gerufen werden, andere Opferzahlen.
          
Alliierte und irakische Kommunikation
Die USA bedienten sich teilweise relativ leicht erkennbarer Maßnahmen, so z.B. bei der Behauptung, der irakische Vizepräsident Asis sei geflohen. Als einziger Christ in der irakischen Regierung konnte er am glaubhaftesten als Überläufer bezeichnet werden, um in den ersten Stunden das Bild von Desertion und Panik in der irakischen Armee und Führung zu entwerfen, um dieses erst zu ermöglichen. Vom britischen Guardian bis zu Spiegel online berichteten westliche Medien von der Flucht und Details (z.B. er sei von Kurden im Nordirak gestellt worden) und saßen der Desinformation auf. Asis war danach derjenige, der im irakischen Fernsehen seinerseits an einer Propagandaaktion teilnahm, als er völlig unglaubwürdig behauptete, ein US-Hubschrauber sei von einem Bauern mit einem Gewehr abgeschossen worden.
             
Wie wenig man auch alliierten Berichten Glauben schenken konnte, war auch Bildern zu entnehmen, die von deren Zensoren selbst freigegeben worden waren. So waren am 21.3. angeblich der Ort Umm Kasr und die Halbinsel Fao eingenommen worden. Dennoch gab es zwei Tage später Bildberichte von intensiven Kampfhandlungen an eben diesen Stellen. Es war aber nicht berichtet worden, dass der Ort seinen Besitzer gewechselt hatte.
             
Westliche Sender brachten Bilder von einer überschaubaren Menge irakischer Kriegsgefangener, die von Amerikanern bewacht wurden. Zweifel an den immer wieder von US-Seite geäußerten Zahlen der gefangenen Iraker konterte US-Verteidigungsminister Rumsfeld mit dem Hinweis, man zeige bewusst keine Gefangenen im Fernsehen, da dies von den Genfer Konventionen verboten worden sei (www.n-tv.de, 23.3.2003). Ob irakische Kriegsgefangene beim Gebet gezeigt werden oder amerikanische vor der Kamera befragt werden, was sie im Irak vorgehabt haben, ist demnach kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied.
                    
Bei der Bewertung der US-Kommunikation muss auch berücksichtigt werden, dass diese nicht erst bei Beginn der Kampfhandlungen einsetzte, um die Weltöffentlichkeit zu beeinflussen – genau wie die irakischen Maßnahmen. Zwar hatten die USA das umstrittene Projekt eines „Office of Strategic Influence“ zur Verbreitung von gezielter (Des)Information im Ausland beendet, aktive Maßnahmen mit dem Zweck der Beeinflussung der öffentlichen Meinung in wichtigen Ländern waren aber damit nicht beendet. Die US-Staatssekretärin Charlotte Beers (Public Diplomacy and Public Affairs) ist eine ausgewiesene Marketingspezialistin (u.a. Ogilvy & Mather und J. Walter Thompson) setzte nicht nur Fernsehspots ein (amerikanische Moslems berichteten darin z.B. von ihrem Leben in den USA), sondern auch Broschüren („Irak: Von der Angst zur Freiheit“ mit Terror, Giftgasangriffen und Massenvernichtungswaffen auf der einen und Freiheit auf der anderen Seite) und Medienauftritte (z.B. Außenminister Collin Powell in einer Diskussion mit Jugendlichen im Musiksender MTV).
            
Bereits im März/April 2002 hatte ein Artikel im US-Magazin Foreign Affairs mit dem Titel „Beyond Public Diplomacy“ gewarnt, dass die USA den Krieg um die Herzen und Hirne der Menschen in der moslemischen Welt verlieren würden, obwohl sie „legions of spokspersons on the airwaves at home and abroad“ einsetzen würden. Dafür sei nicht nur Osama bin Laden mit seinen damals regelmäßigen Video- und Audiobändern verantwortlich, sondern vielmehr die staatlichen Medien in den Regimen im Mittleren Osten. Washington solle sich daher eher darauf konzentrieren, freie Medien in diesen Staaten zu installieren.
                 
Dass die Kommunikation erfolgreich war sieht man selbst nach dem Bekanntwerden einiger drastischer Fälschungen und Regierungskrisen in Großbritannien und den USA. Die traditionell unbestechliche und kritische britische Zeitschrift The Economist veröffentlichte noch am 19.7.2003 einen Leitartikel mit dem Thema „Why we still think, on present information and trends, that the war was justified“. Offenbar hatten das Weiße Haus und die CIA an einer Formulierung für eine Bush-Rede gearbeitet, die trotz Zweifeln an irakischen Uran-Käufen einen solchen Eindruck erwecken sollte. Bush hatte gesagt, Washington hätte von einem Urangeschäft Bagdads erfahren.
            
                                           
Bilder ohne Berichte und Berichte ohne Bilder
In Bezug auf alliierte und irakische Desinformation waren auf beiden Seiten sowohl Berichte ohne Bestätigung durch Bilder als auch Bilder ohne Bestätigung durch entsprechende Berichte zu verzeichnen. Obwohl z.B. bereits am 23.3. von alliierter Seite behauptet wurde, es gebe über 10.000 gefangene Iraker und die US-Truppen würden von der Bevölkerung freudig empfangen, wurde dies mit den immer gleichen Bildern einzelner Gefangener und zaghaft winkender Iraker illustriert. Massenphänomene wären sicherlich sowohl von den alliierten Truppen als auch den eingebetteten Journalisten anders im Bild gezeigt worden. Die Gegenwehr der Iraker – ob Militär, Baath-Partei oder Irreguläre – und der Widerstand der Bevölkerung wurde offenbar von den Koalitionstruppen unterschätzt.
                  
Auf irakischer Seite fand am selben Tag eine Suche nach angeblich mit dem Fallschirm abgesprungenen Piloten in Bagdad statt, die live im westlichen Fernsehen verfolgt werden konnte. Bei einigen Einstellungen war jedoch zu sehen, dass mehr Journalisten als Soldaten an dieser Suche teilnahmen. Es handelte sich also offensichtlich auch um ein inszeniertes Presseereignis. Im Sender n-tv wiederholte eine Banderole im Bild die geringwertige Aussage der Bilder: „Irakisches Militär feuert ins Wasser“ hieß es da lapidar. An den folgenden Tagen wurde diese Suche kaum noch thematisiert.
           
Auch die Gefangenenzahlen widersprachen sich ständig. Am 25.3. behaupteten US-Armee-Sprecher, dass es rund 4.000 gefangene Iraker gebe. Zwei Tage zuvor war bereits von rund 8.000 Gefangenen die Rede (es hatte geheißen, eine ganze Division habe sich ergeben).
             
Die Briten berichteten nicht nur fälschlich, der irakische Vizepräsident Tarik Asis sei übergelaufen, es seien Scud-Raketen auf Kuwait abgefeuert worden (es waren Silkworm-Raketen), es wären britische Gefangene regelrecht exekutiert worden oder rund 8.000 irakische Soldaten hätten sich an einem Tag ergeben. Auch der Fall der Stadt Umm Kasr wurde insgesamt bis Anfang April neun Mal gemeldet und die Kontrolle über Basra ebenfalls mehrfach erzwungen (Kölner Stadt-Anzeiger, 2.4.2003, Schon neun Mal wurde der Fall von Umm Kasr gemeldet).
          
Auch die Frage, ob Saddam Hussein noch lebte, beschäftigte die Medien während des gesamten Krieges, nachdem die Kampfhandlungen mit einem überraschenden von den Alliierten so genannten „Enthauptungsschlag“ auf einen vermeintlichen Aufenthaltsort Husseins begonnen hatten. Die USA spekulierten nach so gut wie jedem TV-Auftritt Husseins darüber, ob es sich um eine aktuelle Aufnahme von ihm selbst, die aktuelle Aufnahme eines Doppelgängers oder eine alte Aufnahme von ihm gehandelt hatte. Mit biometrischen Verfahren begutachteten u.a. deutsche Rechtsmediziner die irakischen TV-Aufnahmen und kamen zu dem Schluss, es handele sich um den „echten“ Saddam Hussein (Focus 13/2003, Biometrie: Verschwundenes Grübchen).
           
Ist es der echte?
           
Den USA konnte daran gelegen sein, sein Überleben und damit die Stabilität seiner Herrschaft in Zweifel zu ziehen. Dem Irak konnte dagegen daran gelegen sein, zu zeigen, dass er lebt und die Verteidigung des Iraks selbst leitet, wobei wechselnden Aufenthaltsorte und improvisierte Fernsehaufnahmen für die offenbar untypische Anmutung der Fernsehbilder verantwortlich sein könnten. Dem Aufruf Husseins zum Dschihad, zum Heiligen Krieg, am 1.4. folgten nicht nur u.a. eine unbekannte Menge Freiwilliger aus dem Jemen, dem Sudan, Ägypten oder Palästinenser. Auch die Straßendemonstrationen in den islamischen Ländern nahmen an Häufigkeit und Schärfe zu. Auch eher gemäßigte islamische Geistliche wie z.B. Vertreter der renommierten Kairoer Al-Azhar-Universität und Moschee stellten sich hinter den Dschihad-Aufruf.
           

Terminologie und Personifikation
Die Auswirkungen der psychologischen Kriegführung des Ersten und Zweiten Weltkrieges sind noch heute spürbar wie z.B. das, auch durch mediale Diffamierung beeinflusste Bild der Deutschen. Damals auch von offiziellen Stellen geschaffene Propagandabilder fanden und finden darüber hinaus, auch auf andere Nationen angewandt, in zahlreichen weiteren Konflikten Anwendung wie die Kommunikationswissenschaftlerin Mira Beham darstellt. Auch der Irak-Krieg war dadurch gekennzeichnet. Selbst wenn im Nachgang zur Berichterstattung die Wahrheit ans Licht kommt, der einmal entstandene Eindruck hat sich dann bereits eingeprägt oder seine Folgen im Kriegsbeginn oder im Kampfverlauf bereits gehabt. Anders ausgedrückt: „Was zählt ist die erste Behauptung. Dementis sind dann wirkungslos“ so der Medienwissenschaftler Müller-Ullrich.
             
Die Bezeichnung des Gegners waren sowohl bei den Militärs, als auch bei westlichen Journalisten zum Teil äußerst problematisch. So erklärte der n-tv-Korrespondent Ulrich Klose am 23.3., die US-Truppen würden sich Gefechte mit „Rebellen“ liefern, so als handele es sich nicht etwa um einen Angriffskrieg der USA, gegen den sich reguläre irakische Truppen auf ihrem eigenen Staatsgelände verteidigen, sondern um Aufständische gegen eine legitime Regierung. Mancher Sender nannte die gesamt Auseinandersetzung „Krieg gegen Saddam“, so als handele es sich nicht um einen Konflikt zwischen mehreren Staaten mit dem offiziellen Ziel der Entwaffnung des Irak. Diese Personifikation konnte auch bei anderen Zeitungen (z.B. die Boulevard-Blätter Express und Bild) und Zeitschriften sowie Fernsehsendern festgestellt werden. Personifizierend wirkte auch die Berichterstattung über „Saddams Paläste“ nach einem US-Vorstoß am 7.4., und nahezu jeder deutscher Sender brachte die Bilder, die US-Militärs in den Palästen gemacht hatten – Badewannen und die sprichwörtlichen goldenen Wasserhähne inbegriffen.
            
Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung im Irak setzten in vielen Städten Plünderungen ein, die teilweise im Fernsehbild festgehalten wurden. Dabei schleppten die Diebe u.a. Fahrzeuge, Möbel und Computer weg. In den entsprechenden Liveberichten hieß es dazu z.B. beschönigend: die Einwohner Bagdads seien dabei, „so viel Hab und Gut wie möglich zu organisieren“. Die negativen Bezeichnungen Plünderung und Diebstahl passte offenbar nicht zum als positiv empfundenen Rückzug des irakischen Staates. Wie viele antike Kunstschätze im Verlauf der Plünderungen verschwunden oder zerstört sind, konnte auch Monate nach dem Krieg noch nicht genau gesagt werden.
          
Nach der Vorführung von US-Kriegsgefangenen im irakischen Fernsehen konnten die USA mit der Befreiung einer Gefangenen nicht nur in der öffentlichen Meinung an Ansehen gewinnen, sondern den Erfolg auch personifizieren. Und wer sah harmloser aus, als die verwundete 19-jährige US-Obergefreite Jessica Lynch, die aus einem irakischen Krankenhaus in Nasirija befreit wurde. Das Thema wurde bereits unmittelbar danach als Filmstoff ausgewählt, obwohl sich nach Kriegsende – u.a. vom britischen Sender BBC und der deutschen Sendung „Monitor“ erhebliche Zweifel an der Befreiungsgeschichte vernehmen ließen.
           
Jessica Lynch

Psychologische Maßnahmen
Nicht nur die Bevölkerung außerhalb des Irak oder die Journalisten im Irak befanden sich im Fadenkreuz der Kommunikation der Koalitionsstreitkräfte, sondern auch die irakische Bevölkerung. Wie im letzten Konflikt am Golf setzten die Koalitionsstreitkräfte wieder umfangreiche Maßnahmen der psychologischen Kriegführung ein: Flugblätter und Handzettel, Fernseh- und Hörfunksendungen, aber auch E-Mails und SMS an irakische Offiziere und Beamte.
                 
Auf den Flugblättern der US-Truppen wurde in diesem Konflikt nicht nur zum Überlaufen und zur Kapitulation aufgefordert. Die irakischen Truppen wurden auch gewarnt, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, Infrastruktur zu zerstören, Kriegsgefangene zu misshandeln oder Radaranlagen einzusetzen, um Koalitionsflugzeuge zu bekämpfen.
         
Mehrere Hörfunkstationen mit unterschiedlicher Zielsetzung wirkten auf die Iraker mit so genannter weißer (der Absender gibt sich zu erkennen) und schwarzer (der Absender gibt sich als jemand anders aus) Propaganda. Modifizierte Hercules-Flugzeuge, die in einer Höhe von 5.000 Metern über dem Irak kreisten, strahlten aus der Luft Sendungen über Mittelwelle und UKW aus. Dabei wurden u.a. bewusst irakische Sender imitiert, um glaubwürdig zu wirken und sich den Sendegewohnheiten der Bevölkerung anzupassen. Parallel wurden irakische Rundfunkstationen mit Störsignalen behindert. Aber auch Sendestationen auf der Erde (z.B. in Kuwait) sendeten diese Programme aus. Zusätzlich wurden im Irak Programme der BBC, von Radio Monte Carlo oder dem US-finanzierten Sender Sara in arabischer Sprache gehört. Im Nordirak sendeten kurdische Sender und im Iran, in Saudi Arabien oder in Kuwait andere oppositionelle Gruppen (Die Welt, 20.3.2003, Luftschläge aus dem Äther). Auch das war den Medien kaum einen Bericht wert. Angeblich sollten auch Militärangehörige und Führungspersonen aus Staat und Wirtschaft per SMS und E-Mail angesprochen worden sein, den Kampf aufzugeben. Entsprechende schnelle Erfolge sind aber ausgeblieben.
         
Opfer und Gefangene
Der erste und erfolglose britische Irak-Feldzug des Ersten Weltkrieges hatte 1915 noch rund 23.000 Tote und Verwundete gekostet, bis die Briten mit noch mehr Verlusten in einem zweiten Feldzug 1917 Bagdad, das bis dahin von den Türken verteidigt worden war, erobern konnten. In diesem Konflikt waren hohe Opferzahlen nur auf Seiten der Iraker zu verzeichnen. Der Umgang sowohl mit Kriegstoten als auch mit Gefangenen ließ auf beiden Seiten zu wünschen übrig.
                  
Nachdem die USA mutmaßliche Taliban- und El-Qaida-Mitglieder auf ihrem Stützpunkt in Guantanamo Bay gefangen hielten, erscheint ihr Protest gegen die Behandlung der gefangenen US-Soldaten doppelzüngig. Experten wie Detlev Vagts von der Havard Law School oder Vertreter von Amnesty International bemängelten darüber hinaus, dass nicht nur die Iraker gefangene Amerikaner zeigten, sondern umgekehrt auch die Bilder gefesselter irakischer Soldaten in US-Gewahrsam ausgestrahlt wurden. Beide Seiten bezogen sich auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre beiden Zusatzprotokolle, die den Schutz der Kriegsgefangenen vor Einschüchterung, Beleidigung und öffentlicher Neugier sowie erniedrigender und entwürdigender Behandlung fordern, wozu sie auch die, in diesen Bestimmungen nicht genannten, Fernsehauftritte rechnen (Financial Times Deutschland, 25.3.2003, Irak und USA verletzen mit Propaganda Völkerrecht). In ähnlicher Weise bewerten viele deutsche Zeitungen den Umstand, dass die USA ohne UN-Mandat begonnen hat. International überwog auch die Kritik am Alleingang von USA und Britannien.
         
Irakische Bildsprache 
Resümee
Insgesamt lässt sich dem US-Regierungsberater Harlan K. Ullmann, dem Erfinder des strategischen Konzeptes „Shock and Awe“, nicht zustimmen: Die Offensive lief „prächtig“, erklärte er, was allerdings gar nicht prächtig laufe sei die entsprechende PR-Kampagne. Im Gegenteil, Offensive und Kommunikationsmaßnahmen trugen beide zum Erfolg der Koalitionsstreitkräfte bei – und dazu, dass der Krieg überhaupt erst stattgefunden hatte.
            
Außerdem muss man feststellen, dass es viele spektakuläre Liveberichte von Einzelereignissen gab, aber zu wenige Analysen und Hintergrundberichte des Gesamtkonfliktes und seiner politischen Folgen. Positive Einzelfälle zeigen sich z.B. in der britischen Zeitschrift Economist, die am 7. Juni 2003 einen kritischen Bericht über mögliche britische Kriegsverbrechen veröffentlichte: „The reality of course, is that British troops haven’t soldiered impeccably in the past, and they did’nt in Iraq.“ (The Economist, 7.-13.6.203.). Das Magazin diskutiert auch ergebnisoffen, – denn das zeigt die politische Untersuchung – ob Tony Blair ein „Tony Bliar“ [Tony Lügner] ist, weil er Britannien wegen der nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen in einen Krieg geführt hat.
         
Erneut zeigte sich, dass Desinformation und Propaganda systemspezifische Charakteristika von Medien aufweisen. Wenn sie über die bekannten Nachrichtenfaktoren (z.B. Negativität, Personifizierung, Kontroversität) verfügen, die den journalistischen Thesen von Realität entsprechen, werden sie potentiell übernommen, machen möglicherweise – einmal etabliert – internationale Themenkarriere und werden in anderen Medien zitiert. Auf Grund der besonderen Umstände der Kriegsberichterstattung sind Medien potentiell immer anfällig für Desinformation oder Propaganda, insbesondere dann, wenn sie mit Maßnahmen der direkten oder indirekten Zensur einhergehen, der Journalisten mit einer Art ritualisierter Form der Berichterstattung antworten, um überhaupt Aussagen treffen zu können.
Gastbeitrag

Literatur und Verweise
- M. Beham: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik. München 1996
- J.R. MacArthur: Die Schlacht der Lügen. Wie die USA den Golfkrieg verkauften. München 1993.
- B. Müller-Ullrich: Medienmärchen. Gesinnungstäter im Journalismus. München 1996.
- S. Weischenberg: Zwischen Zensur und Verantwortung. Wie Journalisten (Kriege) konstruieren. In: M. Löffelholz (Hg.): Krieg als Medienereignis. Opladen 1993.
Information Operations der US-Streitkräfte
Kriegspropaganda im Zweiten Weltkrieg