Warum ich (vorerst?) keine Anschützwaffe mehr kaufen werde

Zu dem Versuch von Anschütz, mittels der Technologie der Firma Armatix eine so genannte „Smartgun“ für Jäger und Sportschützen anzubieten, ist eigentlich alles gesagt worden, was gesagt werden muss, z.B. von Backyard Safari und Tetra Gun Waffenblog. Wir wollen noch einige persönliche Anmerkungen aus jagdlicher Perspektive machen. Eines vorweg: Das JagdWaffenNetz lehnt dieses Anschützprodukt nicht nur ab, sondern wir haben für uns darüber hinaus entschieden, dass die Mitglieder und (auch zukünftigen) Autoren unseres Projekts und Blogs keine Waffen von Anschütz mehr erwerben werden und auch keine Waffen und Zubehörteile von Firmen, die zu Anschütz gehören.
Diese Feststellung mag den Hersteller zunächst nicht schockieren, denn eine noch nicht einmal zweistellige Zahl von Mitwirkenden dieses Projekts und selbst die täglich zwischen 50 und 100 Leser werden durch fehlende Käufe den Umsatz nicht ernstlich in Frage stellen können. Unsere Kritik schadet also nichts? Diese Annahme ist falsch. Ganz falsch. Lassen Sie mich erklären warum.
Nicht nur, weil wir selbst gerne Waffen kaufen und gerne spezielles Gerät für spezielle Jagdarten und Jagdländer einsetzen und schon deshalb häufig Händler und Messen aufsuchen und viele Gespräche führen. Wir kommen natürlich auch im Ausland herum, z.B. auf Jagdreisen, aber auch auf Geschäftsreisen (häufiger) und Urlausreisen (leider seltener) und – es ist ja nicht überall wie in Deutschland – natürlich redet man hier und da über Jagd und Waffen. Wir werden diesen Fall zu würdigen wissen. Wir haben eine lebendige und wichtige Jagdkultur und viele wichtige Hersteller. Deutsche Jäger werden oft nach Waffen gefragt.
Weiters tauschen wir uns in Netzwerken aus. Nein, nicht nur Waffen online (trotz allem eine einzigartige Plattform zum Austausch). Es gibt ja auch einigermaßen passende Gruppen bei Xing, Linkedin, Facebook, Vz oder eine neue internationale Plattform für Jäger. Man jagt nicht nur in Deutschland.
Und auf Gesellschaftsjagden bei uns? Mag sein, dass man irgendwann nicht mehr ohne dieses Teil mitmachen kann. Aber so weit ist es noch nicht. Bis dahin will ich persönlich es anders herum halten: Ich lade niemanden mit so einem Ding ein und ich folge keiner Einladung von dessen Befürwortern. Gut, ich kann mir jetzt gerade wirklich keinen Bekannten vorstellen, der auf so eine Idee kommt. Aber fragen werde ich. Manche haben etwas gegen Selbstlader. Da kann ich ja andere Präferenzen haben, nicht wahr?
Aber eigentlich ... tut es mir nur leid, was Anschütz da vermutlich aus kurzfristigen und kurzsichtigen ökonomischen Motiven eingefallen ist. Es tut mir leid, weil es sich um eine Traditionsfirma handelt. 153 Jahre, mein Gott. Natürlich, man kann einen "Plan B", wenn alle "waffenrechtlichen Stricke reißen" in der Schublade haben. Das könnte so eine Smartgun sein, nachdem es die Politik erzwungen hat. Aber sich selbst zum Motor dieser Idee befördern, ohne äußeren Zwang. Entschuldigung, das akzeptiere ich nicht.
Schade, weil die IWA-Neuheiten, die haben mich interessiert. Die 1780-Repetierer. Schöne Waffen. Aber versteht mich. Ich mag jetzt nichts mehr davon hören. Ich mag auch nichts davon in Waffen- und Jagdzeitschriften lesen. Ganz falsches Thema gerade für mich.
Jagd ist Handarbeit, Handwerk. Gejagt wird letztlich von einem Jäger, einem Menschen, in einer bestimmten jagdlichen Situation in eigener Verantwortung. Selbst, wenn ihn jemand begleitet oder führt, er ist für den Schuss moralisch und rechtlich ganz allein verantwortlich. Dieses Motiv durchzieht unsere ganze jagdliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland und überall dort, wo deutsche Jäger ihre "Fußspuren" hinterlassen haben. Und jetzt gibt es eine Smartgun. Nein, schönen Dank.
Ehrlich, der Name passt schon nicht. Was ist "Smart" daran, mit so einer Pseudoarmbanduhr (das erinnert mich persönlich irgendwie an eine elektronische Fußfessel) im Wald und auf der Heide herumzulaufen? Und was mache ich mit dem Zeugs in Afrika oder in Österreich im Gebirge (funktioniert das da auch - und was, wenn nicht)?
Ich werde nicht und unter keinen Umständen mit so einem Plastikteil an der Hand herumlaufen. Gangster werden elektronisch kontrolliert. Ich nicht.
Und der Sicherheitsaspekt. Das ist doch Unsinn. Wollen wir auf Gesellschaftsjagden jedem so eine elektrische „Uhr“ verpassen? Allen Treibern, Hunden, Aufbrech-Teams etc.? Klar, das bringt Kohle ohne Ende. Man braucht ja dann 10, 20 oder mehr. Müssen Jogger und Radfahrer im Wald dann auch so eine Uhr tragen, und Katzen und potenziell wildernde Haushunde (die darf man ja zunehmend nicht mehr im Rahmen seines Hegeauftrages kurz halten)? Müssen überhaupt Tiere in der Schonzeit so eine Uhr tragen? Sicher, das alles klingt komisch, aber passt meiner Meinung nach in einer fiktiven Endausbaustufe ganz gut. Vielleicht wird es auch anders. Der Wald wird vom Wild „gereinigt“ („Wald vor Wild“ – das sind auch so Freunde von mir) und nur noch wenige, ausgesuchte und (elektronisch?) gemanagte Tiere dürfen rein (mit Minisender natürlich) und die erlegen wir dann wieder und wieder – natürlich nur durch einen fiktiven Treffer. Total abwegig? Nein, es gibt ja auch den Unsinn „Green Hunt“ in Afrika (nachstellen, betäuben, Trophäe aus Gips nachbauen) oder „Catch and release“ (habe ich Mal im Central Park gesehen: Fisch fangen, rausziehen und befreien und wieder rein werfen). Ist das Jagd und Fischerei? Nein. Besten Dank. Das ist Unsinn.
Sicherheit. Klar. Abprallerverbot gibt's auch gleich und einen automatischen Kugelfang und radargestützte Zielerkennung (nur Schwarzwild ab einer Größe von...). Hört mir doch auf. Sicherheit beginnt und endet im Kopf des verantwortungsvollen Schützen. Das Gelump sitzt hinter dem Schaft, nicht wahr. Und dem Gelump hilft auch nicht so eine Plastikarmbanduhr, oder?
Wissen Sie, so ein Unternehmens- und Markenimage, das haben viele Fachleute jahrelang, manchmal jahrzehntelang aufgebaut. Gerade bei Traditionsfirmen. Die beobachten Kundenäußerungen, den Handel und andere Resonanzflächen des Unternehmens. Schon an der Veränderung eines Packagings (einer Produktverpackung wie sie sich dem Endkunden präsentiert) arbeitet man zaghaft und überlegt und meist mit zuverlässigen Akzeptanztests. Ganz zu schweigen von Geschmacksveränderungen oder neuen Kommunikationsmaßnahmen. Schon im Vorfeld versucht man, potenzielle Konflikte zu erkennen und zu managen. Und wenn man klug ist, umgeht man solche Konflikte. Einfach ein Produkt gegen den Willen und meiner Meinung nach auch gegen die Interessen von vielen Kunden zu erschaffen, das ist betriebswirtschaftlich meiner Erfahrung nach sehr, sehr selten. Wie leicht kann man so ein Image unachtsam zerstören oder beschädigen. Was in vielen Jahren aufgebaut wurde an Reputation (eine durchaus messbare ökonomische Größe), kann in kurzer Zeit dahin sein. Und das, denke ich, das ist gerade jetzt, in diesem Moment bei Anschütz zu bemerken.
Schade. Ich mochte die.
Aber selbst, wenn man als Unternehmen all das nicht berücksichtigt hat und einem jetzt der Wind ins Gesicht bläst, dann kann man ja immer noch sagen: OK, wir haben uns geirrt. Unsere Idee war eigentlich gut gemeint, ist aber auf den entschiedenen Widerspruch unserer Kunden gestoßen. Wir haben das verstanden und werden das ändern. Bleiben Sie uns gewogen.
Denn es ist ja nicht jeder Google, so von der Marktrelevanz und fehlenden Alternativen her.
Und dann, ja dann würde ich Anschütz wieder in Betracht ziehen. Auch wegen des Mutes, einen Fehler zu korrigieren. Das wäre sogar wirklich honorig.