Der Beitrag „Bezahlte Auftragstöter“ entstand offensichtlich im Zusammenhang mit der Einführung von Abschussprämien. Vor diesem Text sind einige Meinungen dazu in anderen Artikel zusammengefasst. Der Tenor ist oft genug, zur besseren Beherrschung des Schwarzwildproblems sei ein finanzieller Anreiz ein guter Mechanismus.
Nicht von ungefähr erinnert mich das an die unselige DDR und deren Prämien für Fuchsabschüsse. Aber auch an die vielen privaten Gespräche, wo irgendwann fast immer die Frage fiel, warum man eigentlich jagt. Wenn dann wohlmeinende Freunde dabei waren, ob Jäger oder nicht, wurden oft die Nützlichkeiten der Jagd aufgezählt: Das Beseitigen von Fallwild, das Regulieren von Wildbeständen, der Nutzen für die Natur, seltene Pflanzen und eine Vielfalt an Vögeln. Na gut, irgendwann muss da auch geschossen werden. Warum hatte ich nur den Eindruck, dass dieser Aspekt der „nützlichen“ Jagd besser nicht direkt angesprochen und irgendwo außer Sichtweite erholungssuchender Passanten durchgeführt werden sollte.
Meine Antwort aber sieht anders aus: Ich jage, weil ich gerne jage.
Einem Briten konnte ich das erklären. Ein Afrikaner versteht das und auch ein Kanadier und unsere Freunde in Österreich. Aber bei uns ist das eher ein Thema für den inoffiziellen Teil des Abends. Die Medien der organisierten Jägerschaft jedenfalls quellen über vor den Nützlichkeitsaspekten unseres Tuns.
Dann aber fiel mir der Artikel von Bernd Balke in die Hände und da war plötzlich jemand der genau das laut sagte oder besser schrieb, was ich denke: „Ist die Jagd wirklich schon so weit, dass wir mit einer Prämie in den Wald gelockt werden? Reichen Freunde und Beutetrieb, Naturerleben und Beuteglück nicht mehr aus? … es werden die Pächter von Rotwildrevieren nicht ihre Berufsjäger oder Jagdaufseher in die Wälder beordern, um dort die Rotwildbestände auf ein Maß herunterzuschießen, das den vom Alarmismus untergehender deutscher Wälder infizierten Forstwirtschaftlern ihr Fieber nimmt.“
Zu Recht verweist Balke, wie übrigens auch ein zu wenig beachteter Artikel in der Welt (Nie ging es dem Wildschwein besser) auf die Tatsache, dass die Jäger nicht dafür verantwortlich sind, wenn es zunehmend Maisanbau und abnehmend Schussschneisen gibt. Ich möchte ergänzen, wir sind ebenfalls kaum dafür verantwortlich zu machen, dafür dass es zunehmend gesetzliche Hindernisse (Falljagdverbot, ausgeweitete Schonzeiten des Fuchses, Drangsalierung durch das Waffenrecht, der man sich vielleicht nicht mehr aussetzen möchte etc.) und andere Jagdstörungen gibt (z.B. durch besorgte Stadtväter und militante Tierschützer bei der Entenjagd). Anstatt sich gegen diese zunehmende Nützlichkeitsforderung der Politik (z.B. die rot-grüne Diktion vom Primat der natürlich weltanschaulich definierten Ökologie) zu wehren, lässt sich die Jägerschaft auf Tauschgeschäfte ein, um ein paar Euro Jagdsteuer zu sparen und der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen erfindet eine Pflicht zur Fallwildentsorgung, der als eine der wenigen Stimmen die Deutsche Jagdzeitung fundiert widersprach.
Balke fährt fort: „Unsere ‚offizielle’ Rechtfertigung sieht jedoch regelmäßig anders aus. Angeblich jagen wir, weil ‚das etwas bringt’. Zum Beispiel für das biologische Gleichgewicht, indem wir die ausgerotteten Großraubtiere ersetzen. Oder weil wir damit Naturschutz betreiben, weil wir Jäger das Fallwild entsorgen usw. Wir haben unsere Rechtfertigung in der Gesellschaft immer daran festgemacht, dass Jagd etwas bringe, also nützlich sei. Wenn wir es weiter zulassen, Jagd als Geschäft der Nützlichkeit zu verkaufen und auch so zu rechtfertigen, werden wir in nicht zu ferner Zukunft über die unnütze Jagd auf Hasen, Enten usw. zu reden haben. Die natürliche Freude an der Jagd ist unsere Motivation und Legitimation. Deshalb ist die Jagd überall dort, wo sie nicht schädlich ist, gut. Sie muss nicht nützlich und kein Geschäfts sein“. Besser kann man es nicht sagen und vorausschauender kann man die Prämienthematik nicht abhandeln. Und es ist so wohltuend, dass Balke nicht das Wort „Spaß“ verwendet. „Freude“ ist etwas anderes.
Nach dem Lesen dieses Artikels habe ich den Expresslieferdienst eines Internetbuchhändlers genutzt, um für die bevorstehende Reise noch schnell in den Besitz von Balkes Buch „Weidgerechtigkeit“, das im Österreichischen Jagd- und Fischereiverlag erschienen ist, zu kommen.
Balke ist Hautarzt in Bonn und Vater von vier Kindern, lese ich. Natürlich lag das Buch zwar im Rucksack, aber ich habe es schon so oft hervorgeholt, dass ich es fast durch habe. Aber man kann es ja zwei Mal lesen. Einen Gedanken möchte ich noch zitieren „Jäger haben nicht nur das Gegenständliche zu behüten, sondern auch Abläufe und Funktionszusammenhänge. Es hat uns nicht nur die einzelne Kreatur zu interessieren, sondern auch die Konsequenzen deren Fehlens in der Gesamtheit. Es geht um das Flechtwerk des Waldes. Es ist ein Unterschied, ob ein reifer Keiler oder die führende Leitbache gestreckt wurde. Denn am Tod des Keilers hängt keine Sozialstruktur einer Rotte und nicht das Nähren und Erziehen von Frischlingen. Das Behüten und Bewahren hat den Charakter der möglichst großen Vorsicht beim Zugreifen. Es geht darum, sich auf der einen Seite zwar selber zu leben und seine eigene Rolle auch als Töter mitzuspielen. Aber dies ist keine Lizenz zur Verschwendung.“
Man kann und darf Freude an der Jagd haben und die Waidgerechtigkeit hoch halten und sich dennoch gelegentlich am erlegten Wild fragen, ob man überhaupt jagen sollte. Ab und zu frage ich mich das auch, trotz der großen Freude an der Jagd, die ich als zu meiner Natur gehörig empfinde. Aber immer beantworte ich die Frage mit einem klaren „Ja“. Auch darum geht es in diesem Buch, das erstaunlicherweise positive Kritiken von so unterschiedlichen Kreisen wie dem ORF (nicht gerade ein Sender, der die Jagd befürwortet oder für streng neutralen Journalismus über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt ist) oder den Jagdzeitschriften in der Bundesrepublik und Österreich – auch recht konservativen.
So bewertet der ORF „Die Lust an der Jagd ist es, was vielen Jagdgegnern missfällt. Der Autor tischt uns hier keines der oft gehörten und zum Teil nicht ganz ehrlichen Argumente für die Jagd auf, als da sind: die Notwendigkeit, den Wald gegen Wildverbiss zu schützen oder die angeblich edle Aufgabe, die Natur bei ihrer natürlichen Auslese zu unterstützen, sondern er nennt die Dinge beim Namen. … Das Töten als Voraussetzung fürs Haben ist für Bernd Balke keine Perversion, als die es oft dargestellt wird, sondern ein Vorgang, der zum Menschsein gehört. Die Frage, so der Autor, sei nur das Wie, und nicht das Ob. … Wer er an das Tier menschliche Maßstäbe anlegt, so Bernd Balke, sei ebenso in Gefahr, die natürlichen Zusammenhänge aus den Augen zu verlieren, wie der unweidgerechte Jäger, der das Tier und seine Leidensfähigkeit nicht achtet.“
Natürlich ficht das die extremsten Jagdgegner nicht an, die nach wie vor mit dem angeblichen Heuss-Zitat hausieren gehen, Jagd sei eine Form von Geisteskrankheit. Aber wenn eine Gruppe oder ein Grüppchen vom „blutigen Krieg in Wald und Flur“ spricht und davon phantasiert, dass „Ponies und Kühe auf der Weide, Zier-Enten, Minischweine, Lamas auf einem Gnadenhof Opfer von Jägern werden?“, dann halte ich sie – wie ein Freund von mir formuliert hat – für intellektuell nicht satisfaktionsfähig.
Der „Kärtner Jäger“ jedenfalls spricht mir aus der Seele wenn er in seiner Rezension sagt „Bernd Balke auf seiner philosophischtheologischen Suche nach der Weidgerechtigkeit zu folgen ist ungeheuer spannend. Wer sich auf dieses Buch einlässt, der wird verstehen, was der Autor meint, wenn er sagt: „Ich kann davon berichten, dass ich meine Ruhe gefunden habe.“
Vielleicht hat der Artikel in der Deutschen Jagdzeitung etwas den Nützlichkeitswahn der deutschen Jagdfunktionäre geheilt. Mit seinem Buch über die Waidgerechtigkeit, hat Balke jedenfalls einen Impuls abgegeben, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Diesen sollte wir weiterverbreiten. Für die Waidgerechtigkeit.