„Grünes Abitur“ oder Schnellkurs? Der Jagdschein

Der Verfasser dieses Beitrages hat viele Jahre mit interessanten Jagderlebnissen verschenkt – einfach weil ihm die Erlangung des Jagdscheins unzutreffenderweise als unverhältnismäßig teuer und zeitaufwendig erschien. Was mir schlicht fehlte, war die richtige Information. Schuld daran sind sicherlich auch das von Jägern aufgebaute Image des schweren „Grünen Abiturs“ und die Scheu vor der scheinbar großen Exklusivität des Jagdgeschehens. Fehlte anfänglich vermeintlich das nötige Geld, wurde später eher die Freizeit zu knapp um solch ein Projekt anzugehen. Aber irgendwann war der Wunsch so groß, daß ich dachte, vielleicht ist der Jagdschein gar nicht so unerreichbar, auch wenn meine Freizeit sehr stark begrenzt ist.
Im Prinzip gibt es sowohl die Möglichkeit, unter verschiedenen Modalitäten einen Intensivkurs (also etwa 2 oder 3 Wochen Urlaub oder eine Reihe von Wochenenden zu opfern) oder einen regelmäßigen Kurs (mehrmals in der Woche am Abend) zu besuchen. Für beides gibt es sowohl kommerzielle Anbieter als auch örtliche Jägerschaften. Ich glaube nicht, daß grundsätzlich einer der beiden Anbieter-Typen besser oder schlechter ist.



Ich selbst habe mich für die örtliche Jägerschaft entschieden und zwar in einem als „schwer“ verschrieenen Bundesland. Der Grund dafür war im Wesentlichen, daß mir persönlich eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema trotz starker beruflicher Inanspruchnahme leichter erschien.
So nahm ich jeden Montagabend und meistens ebenfalls mittwochs am Unterricht teil. Die Schießausbildung, die Samstag stattfand, nutzte ich jedoch selten, weil ich diese Zeit lieber mit der Familie verbrachte. Die Kursteilnehmer waren sehr heterogen. Da gab es den Pensionär, der sich endlich seinen Wunsch erfüllen wollte, aber auch den 16-jährigen Schüler. Es gab den Sportschützen, der Interesse an der Jagd gefunden hatte, den Landwirt, dessen Vater und Großvater bereits jagten, aber auch die junge Studentin und den mittelalten Angestellten, der stets in seinem beruflich bedingten Anzug erschien.
Ich holte die Schießausbildung mit einem professionellen Schießlehrer an wenigen Tagen, die wir ganz mit der Prüfungsvorbereitung verbrachten, nach. Besonders beim Flintenschießen profitierte ich davon, weil der Lehrer sich ausschließlich darauf konzentrierte, mir eine reproduzierbare Schießleistung anzutrainieren, die ich auch unter Streß nicht mehr vergaß. Aber eine solche Extraausbildung ist keineswegs notwendig, wie nahezu alle anderen Teilnehmer des Kurses bewiesen.
Die Ausbildung in allen anderen Fächern machte ich mit meinen Kurskameraden mit. Wir verwendeten Heintges-Lernmaterialien, die ich als etwas umfangreich im Verhältnis zur Prüfung, aber als gut strukturiert und leicht verstehbar empfinde. Ich selbst erwarb für verhältnismäßig wenig Geld zusätzlich die Lernkarten von Heintges, die auf der Vorderseite Wild und Pflanzen abbilden und auf der Rückseite die entsprechende Erklärung. Damit konnte ich leicht, fast spielerisch ein zuverlässiges Gerüst von Kenntnissen erwerben, die mir heute noch in der Praxis nützlich sind. Ich nahm die Lernkarten mit auf Reisen und verbrachte damit viel sonst oft vertane Zeit mit sinnvollem Lernen. Noch wesentlicher für meinen Prüfungserfolgt war eine wirklich preiswerte Software von Manfrin IT, die für die meisten Bundesländer genau auf das Multiple Choice-Verfahren der Prüfung vorbereitete und dafür echte oder sehr ähnliche Prüfungsfragen verwendete. Mir gelangen damit in fast allen Fächern Prüfungsergebnisse mit Null Fehlern. Ich habe aber auch bis zum Abend vor der Prüfung mit diesem exzellenten System gearbeitet.
Für die praktische Prüfung nutzte ich nicht nur das Angebot in meinem Kurs, sondern ich ging auch ab und zu zum Waldlehrpfad (von wo ich auch etwas Laub zum Lernen mitbrachte) und in ein Museum mit Präparaten. Beides hat mir gemeinsam mit der Familie vor allem viel Spaß gemacht und hat sich auch für die Kinder gelohnt.
Die Lehrfilme, die ich erworben habe, haben mir im Gegensatz dazu wenig geholfen, zu gering war die Informationsdichte und eigentlich habe ich mehr passiv die Filme geschaut, als aktiv etwas davon mitgenommen und gelernt. Sie waren allerdings auch nicht sehr zeitgemäß – etwa was Bildqualität, Infografiken und Animationen betraf. Einzig der DJV-Film “Wildbretgewinnung und -verwertung”, der sich auf aktuellem Stand mit der Wildbrethygiene befaßt war mir von Nutzen.

Wenn ich die Prüfung Revue passieren lasse, bleibt festzuhalten: Ich habe selbstverständlich fleißig gelernt. Es war aber nicht so, daß das über Monate hinweg meine Freizeit verdorben oder mich auch nur ansatzweise von der Arbeit abgehalten hätte. Diese Meinung ist schlichtweg falsch. In der Prüfung selbst ging die Theorie mit dem computergestützten Auswendiglernen der Fragen leicht von der Hand (selbst in Fächern, die mich bis heute wenig interessieren), die praktische Prüfung ging so leidlich (hier half der Film über Hygiene und das längere eigene Beschäftigen mit Waffen und Munition (immer wieder laden, entladen, spannen, entspannen usw.) sowie das strenge Achten auf Sicherheitsvorschriften) und die Schießprüfung hätte leichter gehen können, wenn ich geeignetere Waffen zur Verfügung gehabt hätte und zwar immer die selbe und mit denen auch auf der Prüfung gewesen wäre (etwa ein angemessenes Glas und ein kleineres Kaliber), stellte aber auch kein unüberwindbares Hindernis dar. Heute muß ich über die Prüfungsanforderungen beim Schießen fast lachen – und es gibt wirklich viele bessere Schützen. Ich habe mich eben an meine Waffen gewöhnt.
Die reinen Kurskosten würde ich auf knapp unter 1.500 Euro beziffern, hinzu kommen das genannte Extra-Material, für das ich unter 500 Euro rechne, und der Schießlehrer, den ich mir hätte sparen können, wenn ich mich Samstags öfter zum Schießstand bequemt hätte. Aber das ist mit Kindern eben schwierig. Diese Summe mag auf den ersten Blick viel erscheinen, wenn man sie aber sozusagen auf die folgenden Jahre umrechnet und die mit der Jagd verbundene Entspannung, aber auch die aufregenden Erlebnisse berücksichtigt, ist es nicht mehr viel Geld. Die meisten anderen Hobbys dürften in dieser längerfristigen Betrachtung teurer sein.
Es ist auch nicht zutreffend, daß das „dicke Ende“ der Ausgaben dann erst kommt, weil man Waffen, Ausrüstung und Bekleidung kaufen muß. Niemand zwingt einen, sofort das teuerste Fernglas, die exklusivsten Waffen und die feinste Jagdbekleidung zu kaufen. Natürlich ist ein Investment in Qualität sinnvoll, aber ein solider Repetierer mit einem Qualitätsglas, darf auch gebraucht sein, wenn er aus zuverlässiger Quelle, also z.B. von einem Händler mit Gewährleistung kommt. Und Bekleidung braucht man außer dem Hut in meinen Augen sowieso keine spezielle. Das erste Glas, ein militärisches 10x56, habe ich auch gebraucht gekauft und es tut immer noch problemlos seine Pflicht beim Morgen- und Abendansitz.

Ich habe keine eigenen Erfahrungen aus einem Blockkurs bei einem kommerziellen Anbieter, ich kenne aber Jäger, die dort gelernt haben und die sind nicht schlechter als ich und schon gar keine Wundertiere, die schon vorher alles konnten. Im Gegenteil: Die meisten hatten wie ich buchstäblich keinerlei Vorkenntnisse. Es gibt sicherlich sehr, sehr engagierte Jagdschulen und es ist selbstverständlich möglich, bei eigenem Engagement und eigenverantwortlichen Lernen damit die Prüfung zu bestehen und damit viel schneller das „Grüne Abitur“ zu bekommen, als ich es bekam. In der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Visier ist ein Erlebnisbericht von einem solchen Blockkurs abgedruckt. Im Fazit kommt die Autorin zu dem Ergebnis, daß dies zwar Streß bedeute, aber funktioniere. Sie schreibt abschließend, daß diese Blockkurse von manchen Jägern kritisiert würden, weil sie nur auf die Prüfung vorbereiteten, nicht aber auf die Jagd.

Zweifellos haben manche Jäger so eine Einstellung. Ich halte sie für unangemessen und überheblich. In der heutigen Zeit gibt es eben bestimmte formelle und inhaltliche Anforderungen an die Prüfung, die man erfüllen muß. Das bloße Interesse an der Jagd oder das jahrelange Mitlaufen mit dem Vater oder Großvater führen nicht zur Erteilung des Jagdscheins, sondern einzig diese Prüfung. Es nützt auch nichts, über die Inhalte der Prüfung zu lamentieren. Wer diese nicht lernen möchte, kann keinen Jagdschein erwerben, auch wenn das 1960 oder 1970 noch nicht alles gefordert wurde. Wir können es uns als stellenweise angefeindete Minderheit von 350.000 Personen nicht leisten, die Vertretung unserer Interessen auch noch durch unnötige interne Vorbehalte zu gefährden. Ich halte diese Meinung weiterhin nicht für zutreffend, denn ich habe inzwischen den ein oder anderen Jäger kennengelernt, darunter sogar Berufsjäger, die eben nach dem 20. Jahresjagdschein z.B. immer noch Nachholbedarf bei dem Aufbrechen oder den Hygienevorschriften hatten oder einen Besuch beim Schießlehrer machen sollten. Und schließlich muß ich sagen, daß mich solche Ansichten überhaupt nicht interessieren, denn das ist auch eine der schönen Seiten der Jagd: Man lernt jeden Tag etwas dazu und man ist vor allem dem Gesetz und der Waidgerechtigkeit verpflichtet und nicht irgendwelchen Einzelmeinungen.

Am wesentlichsten erscheint es mir jedenfalls, jeden jagdlich Interessierten, gerade den ohne Vorkenntnisse und ohne familiären Bezug zur Jagd zu informieren, zu ermutigen und auch zu begeistern. Denn der Jagdschein ist machbar und er ist auch finanzierbar. Man muß es nur wollen.

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