Das hat mit Legalwaffenbesitzern nicht viel zu tun? Falsch. Wenn man die Aktivitäten der Legalwaffenbesitzer seit der erneuten Verschärfung des Waffenrechts nach Winnenden und weiterer, teilweise restriktiver Maßnahmen und angesichts der streckenweise stattfindenden medialen und gesellschaftlichen Ächtung betrachtet, findet man eines nicht: Die berühmt berüchtigte Waffenlobby. Was man aber findet ist:
- eine Vielzahl von alten und neuen Organisationen, in denen Legalwaffenbesitzer der einen oder anderen Art organisiert sind, zwischen denen durchaus in vielen Punkten gar kein Konsens besteht und die sich teilweise lange nicht oder noch nie an die breite Öffentlichkeit gewandt haben, die aber plötzlich für die Rechte der Legalwaffenbesitzer eintreten
- Fachmedien aus dem Bereich Jagd, Sammeln und Schießsport, die in einer Vielzahl von Beiträgen und Initiativen das Thema Legalwaffenbesitz aufgreifen und sich nicht mehr nur auf Berichterstattung zurückziehen, sondern teilweise gesellschaftliche Initiativen mitbegründen oder fördern
- Personen und kleine Personengruppen, die Initiativen aufgreifen oder selbst entwickeln
- Internetforen, in denen sich Einzelne und Initiativen austauschen und unterstützen, in denen unorganisiert und ungesteuert Forderungen artikuliert und vertreten werden und in denen Unterstützung organisiert wird für Protestaktivitäten
- eine Vielzahl von Diskussionen unter verschiedenen Arten von Legalwaffenbesitzern und zwischen Legalwaffenbesitzern und Unbeteiligten, Desinteressierten und Gegnern
Interessanterweise befassen sich nicht nur irritierte Politiker oder Medien damit, sondern jetzt auch die Wissenschaft. In einem Interview von ka-news, einem Karlsruher Nachruichtenportal im Internet, das zu einem Verlag gehört, wird ein Mann von der Landeszentrale für politische Bildung befragt. Der Artikel trägt interessanterweise den Titel "Haben Lobbyisten im Internet die Wahl entschieden?". Obwohl man das noch weitgehend herrschaftsfreie Internet und die demokratischen Bundestagswahlen zum Anlaß nimmt, auch über Legalwaffenbesitzer zu sprechen, werden wieder einige der echten Klassiker diskutiert. Zitat:
"ka-news: Das Beispiel Waffenbesitzer zeigt, dass sich da möglicherweise Entwicklungen auch hinter den Kulissen abzeichnen?
Wehling: Der Lobbyismus, der nicht öffentlich sichtbar wird, ist viel interessanter, auch weil er sehr viel wirksamer ist, als derjenige, der jetzt nach außen mit spektakulären Aktionen in Erscheinung tritt."
Dem Verfasser dieses Beitrages hat trotz aller Bemühungen bislang keine Spuren einer Waffenlobby im Sinne des Wortes in Deutschland finden können. Was ich fand, nannte ich oben. Dennoch beschreibt auch ein Artikel in Die Zeit unter der dramatisch klingenden Überschrift "Abrüstung gescheitert. Wie die deutsche Waffenlobby die Reform des Waffenrechts hintertrieb" ein ähnliches Szenario:
"Als sich in Berlin Ende März die Parlamentsmaschine in Gang setzte, begann ein Lehrstück darüber, was geschieht, wenn eine bestens organisierte Lobby auf eine Politik trifft, die unzureichend vorbereitet und in großer Eile Entscheidungen trifft." An anderer Stelle heißt es in dem Artikel: "Kein Wunder, denn noch besser als die Parlamentsmaschine funktionieren die Bremssysteme der Waffenlobby: Deutscher Schützenverband, Bund Deutscher Sportschützen, Deutscher Jagdschutz-Verband, Forum Waffenrecht. Das ist ein fein abgestimmtes Geflecht von Verbänden, in denen etwa 2,5 Millionen Mitglieder organisiert sind. Sie stellen für die großen Parteien ein beträchtliches Drohpotenzial dar, denn auch Waffenträger sind Wähler." Und noch weiter im Text heißt es "Doch dem Fußvolk der Jäger und Schützen geht selbst der ausgehandelte Kompromiss noch zu weit. Per Mail oder in Form von Musterbriefen, wie sie etwa in der Jägerpostille Wild und Hund oder auf der Homepage des Verbands für Waffentechnik und -geschichte zu finden waren, braust der Zorn in die Abgeordnetenbüros. Einzig die Gesundheitslobby, da sind sich Parlamentarier einig, trete beim Versuch, in Besitzstände einzugreifen, derart vehement auf wie die 'Peng-Gang' (taz)."
In dem anderen Artikel der ka-news wird weiter ausgeführt:
"ka-news: Das führt dann vielleicht dazu, dass man "legalen Waffenbesitz" als ein einklagbares Bürgerrecht ansieht?
Wehling: Das Image der Waffenbesitzer ist durch die schlimmen Vorfälle in Winnenden und Erfurt doch ziemlich schlecht geworden. Ich sehe da nicht, dass hier die Waffenlobby groß auftrumpfen kann.
ka-news: Wie können und sollen Politiker – gerade beispielsweise im Bezug auf das Waffenrecht – sich gegenüber den Forderungen von Lobbyistengruppen, die jetzt auch zunehmend über das Internet propagiert werden, positionieren?
Wehling: Das sollte zurückhaltend, sehr zurückhaltend erfolgen. Es darf nicht soweit kommen wie in den USA, wo die Waffenlobby ja sehr, sehr stark ist."
Hier taucht natürlich das deutsche Lieblingsbeispiel für eine Waffenlobby, die geheimnisvolle National Rifle Association (NRA) auf, die nach Meinung mancher Leute angeblich Unsummen aufwendet und Kolonnen von Berufslobbyisten, PR-Leuten und Funktionären beschäftigt, auch wenn es uns nicht so gut ansteht, die Amerikaner Demokratie lehren zu wollen.
Wie auch immer, das, was in Deutschland 2009 stattgefunden hat, ist etwas anderes: Hier haben sich Netzwerke aus völlig unterschiedlichen Vereinen und Organisationen und Einzelpersonen und Medien gebildet und an der Willensbildung in wichtigen gesellschaftlichen und politischen Fragen teilgenommen, die mit dem Legalwaffenbesitz verknüpft sind (Unverletzlichkeit der Wohnung, ersatzlose Enteignung, Vertrauen in die Gesetzestreue und Integrität von mehrfach überprüften Bürgern, öffentliche Stigmatisierung, Anlaßgesetzgebung usw.). Wer sich also an dem Protest gegen diese Einschränkung seiner Grundrechte beteiligt hat, wird sich zu Recht nicht in diesen Beschreibungen einiger Medien wiedererkennen und sich möglicherweise sogar dämonisiert fühlen. Wenn das kein Grund ist, weiter für die Rechte der Legalwaffenbesitzer einzutreten.
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