Notfall-Ausrüstung im Kfz

Einen Verbandskasten hat fast jeder im Auto. Kunststück, das ist vorgeschrieben und es kostet Geld, wenn er bei einer Polizeikontrolle fehlt. Die Frage ist, ob der Inhalt (sofern er nicht ohnehin das Haltbarkeitsdatum überschritten hat), geeignet ist, uns bei den vielfältigen Notfallszenarien heute wirklich gut zu helfen. Und natürlich muss man sowohl mit dem alten Krempel, als auch mit besserer Ausrüstung wissen, was zu tun ist. Ein Ersthelferkurs vor vielen Jahren befähigt dazu nicht.


Warum vorbereiten?
Es gibt es nicht nur Verkehrsunfälle. Eine veränderte Sicherheitslage macht heute u.a. auch Terroranschläge und Messerangriffe auf der Straße wahrscheinlicher als noch vor wenigen Jahren. Uns als Jäger können zudem auch Jagdunfälle und Unfälle auf dem Schießstand betreffen. Hinzu kommen Unfälle bei der Revierarbeit oder der Holzernte.

Warum sollte man diese Ausrüstung aber ausgerechnet im Auto mitführen? Nun, ich sage nicht, dass man Ausrüstung nur im Auto haben sollte. Ich führe wenigstens etwas Sanitätsmaterial immer in der Range Bag und dem Jagdrucksack mit. Aber das Auto ist in vielen Fällen in meiner Nähe, z.B. auf dem Schießstand oder vor einem Geschäft oder Restaurant. Ich kann in diesen Fällen schnell zum Auto und das Material mit einem Griff aus dem Kofferraum meines Kombi holen.

Im Folgenden möchte ich zeigen, was ich für Notfälle zusätzlich zum normalen Erste Hilfe-Kasten mitführe. Da ich keinen medizinischen Rat geben kann und will, werde ich die einzelnen Teile nur kurz ansprechen und nicht im Einzelnen erklären. Dafür bedarf es einer richtigen Ausbildung. Ich habe neben dem Kurs Ersthelfer Alpha der Bundeswehr und entsprechenden Auffrischungen auch einen längeren zivilen Erste Hilfe-Kurs bei einer der großen Hilfsorganisationen gemacht, sowie eine Reihe kommerzieller Fortbildungen. Ich rate dazu, sich erst fortzubilden und dann einzukaufen, was man sich zutraut einzusetzen.


Die Sanitätstasche ist von 9.11, in einem Grünton gehalten ("Ranger Green") und verfügt über zwei separat zugängliche Fächer. Sie liegt hier übrigens auf einer Wolldecke, die ich gebraucht aus dänischen Armeebeständen gekauft habe. Ich führe sie im Auto mit, um damit Verletzte wärmen zu können, aber auch für eine kalte Nacht im Auto oder, um mich oder jemand anderen wärmen zu können, der z.B. durch Regen oder einen Sturz beim Angeln durchnässt ist. Man muss diese Decken aus Militärdepots mehrfach waschen und draußen lange trocknen lassen, um den muffigen Geruch rauszubekommen. Leider flust diese dänische Decke mehr, als z.B. die Decken der deutschen Bundeswehr, die etwas teurer sind und mittlerweile auch als Nachbau verkauft werden. Ich rate zur Bw-Decke und zwar dem Original.


Notfalls könnte man das Erste Hilfe-Set auch am Gürtel mitführen, es ist auf der Rückseite Molle-kompatibel. Bei potenziell risikoreicheren Jagden, z.B. einer Maisdrückjagd oder einer Nachsuche, oder auch bei Revierarbeiten mit Motorsäge u.a. schweren Gerät kommt die Tasche im Rucksack mit.
An dem Reißverschluss habe ich eine eine kleine Microlampe befestigt, um bei Dunkelheit weitere Schritte wenigstens notdürftig beleuchten zu können.


In der Tasche bindet sich dann neben Schutzhandschuhen zur Vermeidung von durch Blut übertragbare Krankheiten eine Not-Stirnlampe von Petzl, damit ich alle weiteren Arbeiten direkt beleuchten kann und trotzdem die Hände frei habe.


Es mag dem ein oder anderen übertrieben vorkommen, aber ich führe u.a. wegen des Umgangs mit Schußwaffen Celox mit, ein Mittel zur Blutgerinnung bei stark blutenden Wunden, die man nicht mit Druckverband oder Tourniquet in den Griff bekommt. Man muß sich mit der Anwendung auskennen.


Etwas ähnliches gilt für das Chest Seal, eine Art spezielles großes Pflaster, dass bei offenen Brustkorbverletzungen (z.B. durch Schuß- oder Stichwunde) einen Pneumothorax vermeiden hilft. Es funktioniert wie eine Art Einwege-Ventil und läßt Luft und Flüssigkeit aus dem Wundbereich entweichen, es kann aber keine Luft, Blut oder Schmutz hinein.


Als nächstes sind drei Rettungsdecken darin, da dem Erhalt der Körperwärme eine besondere Bedeutung bei der Erstversorgung zukommt, sowie ein Tourniquet. Ein zweites Tourniquet habe ich im Handschuhfach. Das Tourniquet ist ein Abbindesystem, das leicht bedienbar ist (notfalls auch mit einer Hand) und zum Stoppen einer stark blutenden Wunde (z.B. Amputationswunde) verwendet wird. Es ist heute bei jedem Soldaten im Einsatz am Mann (meist sogar mehrfach).


Weiterhin habe ich zwei unterschiedliche große Control Wraps in der Tasche. Das sind Bandagen, die über mehrere Klettstreifen verfügen und somit auch unter Streß oder mit einer Hand leicht für einen Druckverband verwendet werden können.



Weiterhin habe ich eine spezielle Schere von Leathermann dabei, die mehrere Funktionen hat. Man kann damit u.a. Gurte und Kleidung aufschneiden, Fingerringe entfernen und (mit dem integrierten Glasbrecher) Scheiben zertrümmern.


Weiterhin führe ich im Auto ein Klappmesser von Pohlforce mit (das kein Einhandmesser ist und somit nicht dem Führverbot unterliegt), ein starkes Tool von Gerber mit ein paar Ersatzteilen (ich muß zugeben, ich habe bisher damit nichts am Auto repariert, wohl aber an Zielfernrohr und Waffe oder Kettensäge) und einen Gurtschneider von Leatherman. Der Gurtschneider und das Klappmesser sind immer zugriffsbereit in der Mittelkonsole vorne im Auto.

Ich weiß, dass sich manche professionelle Rettungskräfte gerne darüber mokieren, dass Soldaten wegen ihrer einsatzvorbereitenden Sanitätsausbildung bei Unfällen und Notlagen in Deutschland "übermotiviert" sind und Ausrüstung anwenden, die sie in Afghanistan oder anderorts kennengelernt haben, wo es keine Rettungskette nach deutschem Vorbild gibt. Mag sein. Aber meiner Meinung nach haben sich die Zeiten geändert. Es ist nun einmal so, dass heute Verletzungsbilder in einer Art und Menge in Deutschland möglich sind, die sich vor ein paar Jahren kaum jemand hätte vorstellen können. Und ich bin gerade während der Zeit der Gesellschaftsjagden oder des Holzmachens auch einem höheren Risiko ausgesetzt, als nur als Autofahrer. Wenn ich verhindern kann, dass jemand nach einem Anschlag, Messerangriff, Motorsägen- oder Massenunfall verblutet, indem ich das Gelernte anwende, dann verantworte ich das.

Literatur: Carsten Dombrowksi: Taktische Verwundetenversorgung für Militär und Spezialeinheiten der Polizei. Bildatlas und Praxisbuch. 2012.


Anmerkung: Diese Beschreibung meines persönlichen Erste Hilfe-Materials stellt keine medizinische Beratung oder Handlungsempfehlung dar. Alles Material darf nur von entsprechend ausgebildetem Personal eingesetzt werden.