Machtdemonstration: Alpini-Aufmarsch in Bozen 2012

Vom 11.-13. Mai 2012 findet in Südtirols Hauptstadt Bozen der 85. „Nationalappell“ des Reservistenverbandes der italienischen Gebirgstruppe der „Alpini“ statt. 400.000 erwartete Teilnehmer werden die südlichste Stadt des deutschen Sprachraums in ein italienisches Heerlager verwandeln. An diesem unfreiwilligen Schnittpunkt der Völker werden solche „Machtdemonstrationen“ mit größter Sensibilität registriert. Auf Facebook sagen Alpini-Gruppen offen, was das Organisationskomitee nicht offen zugibt, daß das Treffen eine „nationalistische Kundgebung“ für die „Italianità“ Südtirols, Pardon „Alto Adige“ ist. Den Südtirolern und der Öffentlichkeit soll demonstriert werden, daß Bozen, Pardon Bolzano eine italienische Stadt ist.
Die Südtiroler sehen dem Aufmarsch mit unguten Gefühlen entgegen, weil sie eben diesen politischen Mißbrauch befürchten. Ein „Nationalappell“ fand bereits 1949 in Südtirol statt, ebenfalls in Bozen. Unmittelbar nach Kriegsende gestaltete er sich zum Drohmarsch gegen den Wunsch der Südtiroler nach Selbstbestimmung, die ihnen seit Ende des Ersten Weltkrieges verwehrt wird.
    

Für Diktator Mussolini sollte 2012 kein Platz mehr sein


Die Südtiroler Versuche, das Treffen 2012 abzuwenden, blieben erfolglos. Die Bozner haben ein wesentlich kleineres Alpini-Treffen von 1988 noch in schlechter Erinnerung, als die Stadt in einem grün-weiß-roten Fahnenmeer erstickte. Gleiches wurde auch jetzt wieder angekündigt.
Daß es sich um eine politische Kundgebung und nicht um ein harmloses Freizeittreffen handelt, beweist die vom Organisationskomitee gewählte Marschroute. Sie führt vom 1926 errichteten faschistischen „Siegesdenkmal“ bis zum Gerichtsplatz. Das „Siegesdenkmal“ erinnert an den „Sieg“ Italiens im Ersten Weltkrieg über Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich, als Tirol geteilt und Südtirol gegen den erklärten Willen seiner deutschen Bevölkerung von Italien annektiert wurde.
Das Denkmal wurde auf den Fundamenten eines gesprengten Kaiserjägerdenkmals errichtet, das an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Söhne der Stadt erinnern sollte. Das faschistische Denkmal, das größte der Welt, erinnert die Südtiroler täglich neu an die „Eroberung“ ihrer Heimat durch Italien. Die lateinische Inschrift umgeben von faschistischen Symbolen beleidigt seit 85 Jahren die Südtiroler Bevölkerung. Pünktlich zum Alpiniaufmarsch wurde das Denkmal für 1,2 Millionen Euro vom italienischen Staat auf Hochglanz gebracht.
    

Italienische Neofaschisten liefern immer wieder erschreckende Bilder
 

Am Gerichtsplatz befindet sich an einem italienischen Regierungsgebäude das größte Flachrelief der Welt. Es verherrlicht den Faschismus. Den Mittelpunkt bildet ein hoch zu Roß reitender Mussolini mit zum Gruß erhobenem rechten Arm, darunter das Motto der seit 1945 verbotenen Faschistischen Partei „Glauben, Gehoren, Kämpfen“ und am Rande die Inschrift „Evviva Mussolini“. Während man in Italien nach Kriegsende die faschistischen Symbole entsorgte, wurde das Mussolinirelief in Bozen erst 1957 (!) fertiggestellt. Wenn es um Südtirol geht, ticken italienische Uhren anders. Hier war der Faschismus „Eroberer“ für das italienische Vaterland. Er brachte mit seiner staatlichen Siedlungspolitik „Eroberung des Bodens“ erst Italiener ins Land. Als „Verteidiger“ der Grenze wird er bis heute in die Staatsdoktrin integriert. Genau vor der Kulisse des Mussolinireliefs wird am 13. Mai auch die Abschlußkundgebung der „Alpini“ stattfinden.
Für den Denkmalschutz ist zwar das Land Südtirol zuständig, doch die faschistischen Denkmäler hat der italienische Staat in seinem Besitz behalten. Keine italienische Regierung war bisher trotz Protesten bereit, die provokanten Denkmäler zu entfernen oder zu „entschärfen“.
Der Südtiroler Schützenbund und die Südtiroler Freiheit kritisieren das Treffen als „Huldigung“ an den Faschismus und dessen Gedankengut. Sie werfen den „Alpini“ vor, sich nie von der faschistischen Vergangenheit und von begangenen Kriegsverbrechen, vor allem im Libyenkrieg (1923-1935) und im Abessinienkrieg (1935/1936) distanziert zu haben. Der Schweizer Historiker Aram Mattioli berichtet von mehr als 100.000 Giftgasopfern des italienischen Imperialismus in Libyen und fast einer halben Million in Äthiopien.
In Bruneck, einer anderen Südtiroler Stadt steht noch heute ein Denkmal zur Verherrlichung des Völkermordes, den die Alpini durch den Einsatz von Giftgas in Äthiopien begangen haben. Das 1938 errichtete Denkmal erinnert an die Alpini-Division „Pusteria“ (italianisierter Name für das Tiroler Pustertal), die von 1935 bis 1943 Bestand hatte. Der „Alpini“ erfüllte die Aufgabe eines steingewordenen „Grenzwächters“ dessen Blick grimmig auf die Unrechtsgrenze des Alpenhauptkammes gerichtet ist.
     
Am 13. Mai ist Muttertag, traditionell ein Tag der Familien mit zahlreichen Veranstaltungen. In Bozen und Umgebung hat sich 2012 jedoch alles dem nationalistischen Italien-Spektakel der marschierenden Alpini zu unterwerfen. Die italienische dominierte Stadtverwaltung hat ein generelles Veranstaltungsverbot erlassen. Außer dem Alpini-Aufmarsch darf drei Tage lang in der Landeshauptstadt nichts stattfinden. Alles ist lahmgelegt.
Bereits 2010 sorgte der Aufmarsch von 1000 Neofaschisten der Organisation Casa Pound für großen Unmut unter den Südtirolern. Die Alpini wählten nun genau dieselbe Marschroute der Neofaschisten. Beide Kundgebungen sollen eine Machtdemonstration für die italienische Provinz „Alto Adige“ sein. Eine Kundgebung gegen die deutsche und ladinische Bevölkerung, um zu zeigen, wer „Herr im Haus“ ist und vor allem gegen den lauter werdenden Ruf nach Selbstbestimmung und einer Zukunft Südtirols ohne Italien. Italiens Außenminister Franco Frattini drohte 2010, Italien werde den Südtiroler Separatismus „mit allen Mitteln“ zu verhindern wissen.

     
Martialische politische Botschaft im krisengeschüttelten Italien


Wenn es um die „Italianità“ geht, sind sich die italienischen Parteien von rechts bis links einig. Die linksregierte (!) Stadtverwaltung Bozens sponsert die Kundgebung mit 1,5 Millionen für ein italienisches Fahnenmeer und eine Großtribüne vor dem Mussolinirelief. 3 Millionen steuert die linksdominierte italienische Abteilung der Südtiroler Landesregierung bei.
Roland Lang, der Vorsitzende des Südtiroler Heimatbundes schlug vor, das faschistische „Siegesdenkmal“ und das Mussolinirelief während des „Alpini“-Aufmarsches von Verpackungskünstler Christo verhüllen zu lassen.
Die Südtiroler Freiheit kritisierte die „Heuchelei“ um Südtirol: Es sei „völlig unglaubwürdig, wenn ständig auf deutscher Seite vor dem Rechtsextremismus gewarnt werde, man aber gleichzeitig auf italienischer Seite völlig blind sei“. Seit 20 Jahren veranstaltet der Südtiroler Schützenbund Proteskundgebungen gegen die faschistischen Relikte in Südtirol. Landeskommandant Paul Bacher kritisierte bei der Kundgebung von 2009, daß Italien am 25. April zwar jährlich die „Befreiung vom Faschismus“ feiert, „doch die faschistischen Denkmäler erinnern daran, daß der Faschismus in diesem Land weiterlebt“.
     

Ziviler Protest gegen rückwärtsgewandte Aufmärsche


Am 9. Juni 2011 beklagte der äthiopische Botschafter die Existenz des Alpini-Denkmals von Bruneck. Die Südtiroler hätten es schon längst verräumt, doch der italienische Staat klammert sich (jedenfalls in Südtirol) an sein faschistisches Erbe.