Kommunikationspartner Terrorist? Wahrnehmung der Ausschreitungen gegen die Bundeswehr in Talokan, Nordafghanistan

Am 18. Mai 2011 kam es in Talokan/Nordafghanistan zu Ausschreitungen gegen ein Feldlager der Bundeswehr. Aus einer in Teilen gewalttätigen und offenbar organisierten Menge heraus wurden Brandsätze und Handgranaten auf das Lager geworfen. Zwei deutsche Soldaten und vier afghanische Wachen wurden verwundet. Möglicherweise sind bis zu elf Teilnehmer an der schließlich gewalttätigen Demonstration getötet worden. In der Berichterstattung scheinen deutsche Medien wieder einmal zu vergessen, dass Gewalt eine wichtige Kommunikationsform von Terroristen ist und welche Rolle sie selbst dabei spielen.
Die Bundeswehr berichtet: "Am 18. Mai begann gegen 8 Uhr Ortszeit (5.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit, MESZ) eine gewaltsame Demonstration vor dem Provincial Advisory Team (PAT) Talokan in der Stadt Talokan. Das PAT ist eine Außenstelle des Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) Kundus in der Provinz Takhar. Circa 100 Menschen protestierten gegen eine in der letzten Nacht durchgeführte Operation in der Provinz Takhar, bei der vier Afghanen getötet worden sein sollen. An dieser Operation waren keine deutschen Kräfte beteiligt. Polizisten der ANP versuchten zunächst mit Warnschüssen, die Demonstration aufzulösen. Gegen 9.50 Uhr Ortszeit (7.20 Uhr MESZ) bewegte sich die Demonstration aus dem direkten Umfeld des PAT in die Innenstadt. Im Laufe der Demonstration wurden dabei unter anderem auch Geschäfte und Autos im Nahbereich zerstört. Gegen 11.20 Uhr Ortszeit (8.50 Uhr MESZ) gelang es Demonstranten erneut zum PAT vorzudringen. Beim Wurf von Handgranaten und Molotowcocktails durch die Demonstranten wurden insgesamt sechs Menschen verwundet. Dabei handelt es sich um zwei deutsche Soldaten, von denen einer mittel und einer leicht verwundet wurde, sowie um vier afghanische Wachmänner. Der Zustand der Soldaten ist stabil und die erste medizinische Versorgung im PAT ist gewährleistet."

Gewalttätige Demonstranten mit Holzprügeln; Foto: Reuters
                
Wenn man sich die Mühe macht, einige der Bilder genauer zu betrachten, die aus Talokan vom gestrigen Tage zu stammen scheinen, erkennt man u.a. neben nicht näher benannten Verletzten und in der Hitze herumgetragenen Leichnahmen (?) einen aggressiven und teilweise mit Holzprügeln und Eisenstangen bewaffneten Mob und ein kleines Mädchen, das angeblich um getötete Angehörige weit. Das Mädchen steht inmitten einer Menschenmenge, aus der heraus sie von zahlreichen Digitalkameras fotografiert wird. In der afghanischen Gesellschaft ist es undenkbar, dass das Mädchen sich dazu alleine entschlossen hat. Auch Zwang ist nicht auszuschließen, um diese Verhaltensweise, die nicht den kulturellen Gewohnheiten entspricht, auszulösen.
         
Aus den Bildern lassen sich mindestens drei Aussagen ableiten:
1) Die Demonstranten waren teilweise gewalttätig und fanatisiert.
2) Die Hintermänner der Demonstration setzten auf die Macht der Bilder und eine starke Symbolik (Leichnahme, weinendes Mädchen).
3) Die Demonstration wurde auch medial begleitet und von Stellungnahmen flankiert (Taliba-Statement).
             
Fotografien aus der Menge; Foto: Reuters
             
Die Welt berichtet von einem "Die Taliban nannten das Vorgehen gegen die Demonstranten ein 'Verbrechen gegen die Menschlichkeit' und beschuldigten die Bundeswehr, das Feuer eröffnet zu haben. "
       
Deutsche Medien sollten sich weder durch Bilder noch Pressemitteilungen der Taliban und ihrer Vorfeldorganisationen und Verbündeten instrumentalisieren lassen. Die Übernahme von Bildern und Texten bedarf der genauen Abwägung. Das gleiche gilt für Begriffe, die in Deutschland anders besetzt sind. Eine "Demonstration" oder ein "Demonstrationszug" ist in Afghanistan etwas anderes als in Deutschland.
        
Auch die Bewertung des Gesamtvorganges bedarf der Vorsicht. Es ist noch nicht lange her, dass gewalttätige Demonstranten die UNO-Zentrale in Masar-i-Scharif gestürmt und mehrere UNO-Mitarbeiter brutal ermordet haben - während die mit dem Schutz der UNO beauftragten Wachleute offenbar keine bewaffnete Gegenwehr geleistet haben.
Es dürfte auch noch erinnerlich sein, dass Oberst Georg Klein nach einem Luftangriff bei Kunduz am 4.9.2009, der zwei von Taliban-Insurgenten gestohlenen Tanklastwagen galt,  sich einem Untersuchungsausschuß des deutschen Bundestages und einem Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen gegenüber sah (das erst im April 2010 eingestellt worden war).

Wir denken, dass auch diesmal wieder die Kritiker des deutschen militärischen Eingreifens in Afghanistan und die Kritiker deutscher Streitkräfte insgesamt auftreten werden, um den deutschen Soldaten, die in Stärke von knapp 40 Mann in diesem Lager sich selbst verteidigt haben, vorzuwerfen, unrechtmäßig oder übertrieben gehandelt zu haben. Die gewalttätigen, in der Regel durch Taliban-Aktivisten manipulierten und zuweilen auch durch getarnte Kämpfer unterstützten Demonstranten werden mit ihrem Anliegen, die deutschen und internationalen Truppen, die in Afghanistan sind, um sicherzustellen, dass sich das Land anders als unter dem Zwang eines militanten Steinzeit-Islamismus und korrupter Warlords entwickeln kann, zu diskreditieren, durchkommen.

Man sollte deshalb annehmen, dass sich deutsche Medien und Politiker nicht mit den Absichten gemein machen, Afghanistan sich selbst zu überlassen und die internationalen und deutschen Truppen dort medial zum Scheitern zu bringen. Auch gewalttätige Demonstrationen und Anschläge sind letztlich Teil einer Kommunikationsstrategie und nicht nur die Afghanen, sondern auch die Weltöffentlichkeit sind die Addressaten.