Illegale Schusswaffen spielen in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle. Zwar gibt es eine kontinuierliche Berichterstattung über Funde auch großer Mengen illegaler Waffen und eine Vielzahl von mit illegalen Waffen begangenen Straftaten, aber das Thema erzielt dennoch nicht annähernd das selbe Interesse wie der private Legalwaffenbesitz. Naturgemäß ist es schwierig, den Bestand illegaler Waffen in Deutschland zu schätzen - Schätzungen reichen von 20 bis 40 Millionen.
Die besondere Gefährlichkeit illegaler Schusswaffen ist deshalb gegeben, wie eine US-Untersuchung feststellt, weil „firearms are durable goods … a well-maintained AK-47 will last indefinitely … the modern pistol or assault rifle represents ‚a mature technology’, so current weapons holders do not need to regularly update their stock to remain competitive”.
Illegal sind Schusswaffen, die ohne Erlaubnis besessen und/oder geführt werden. Dabei kann es sich um Kriegswaffen handeln (z.B. vom Kriegswaffenkontrollgesetz – Kriegswaffenliste Teil B – erfasste vollautomatische Maschinenpistolen oder –gewehre, für die Zivilisten mit Ausnahme von wenigen Sachverständigen keine Erwerbserlaubnis bekommen) oder um andere Schusswaffen für die es verschiedene Arten von zu prüfenden Bedürfnissen und Waffenbesitzkarten gibt (z.B. Repetiergewehre, Selbstladebüchsen oder Pistolen und Revolver bestimmter Spezifikationen für die Bedürfnisse Jagdausübung, Sport oder kulturhistorisch wertvolle Sammlungen). Das berechtigte Führen dieser Waffen ist mit einer Waffenbesitzkarte nicht möglich, sondern außerhalb des eigenen befriedeten Besitztums – in sehr eng begrenztem Umfang – lediglich bei der Jagd oder im Falle eines zusätzlich erteilten Waffenscheins bei wenigen tausend gefährdeten Personen generell gestattet.
Im Folgenden beschäftigen wir uns mit dem Besitz, dem Führen und Einsatz von Schusswaffen, für die keine waffenrechtliche Erlaubnis vorliegt. Nicht betrachtet werden verbotene Waffen, die keine Schusswaffen sind wie z.B. Faust-, Butterfly- und Fallmesser oder Stahlruten, Totschläger etc.
Organisierte Kriminelle oder Kleinschmuggler:
Grundsätzlich ist jede Waffe in jeder Menge erwerbbar
Kriminalitätsrelevanz
Die jährlich veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik unterscheidet bei Straftaten mit Schusswaffenzusammenhang (also auch dem Drohen) nicht zwischen legalen und illegalen, nicht zwischen Privat- und Dienstwaffen und nicht zwischen „scharfen“ Schusswaffen und Gas- bzw. Schreckschusswaffen. Betrachtet man den langfristigen Verlauf der Straftaten, so ist festzustellen, dass die Anzahl der Straftaten mit Schusswaffenzusammenhang seit 1993 (seitdem wird die Erfassung innerhalb der ganzen Bundesrepublik vorgenommen) erheblich gesunken ist. In nur rund 0,2 Prozent aller Straftaten wird eine Schusswaffe – unbekannt welcher Herkunft – verwendet.
Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der legalen Waffen in Privatbesitz gestiegen. Damit lässt sich trotz der mangelhaften Datenlage feststellen, dass weniger Legalwaffen nicht zwangsläufig auch mehr innere Sicherheit bewirken. Der gleiche Schluss kann aus Zahlen aus den USA gezogen werden – wobei hier bemerkenswert ist, dass Bundesstaaten mit einem sehr liberalen und solche mit einem sehr restriktiven Waffengesetz existieren (z.B. Totalverbot in New York und Washington D.C.). Auch hier ist kein Zusammenhang zwischen strengem Waffengesetz und innerer Sicherheit festzustellen – die Anzahl der Tötungsdelikte mit Schusswaffen in New York und Washington spricht eher eine andere Sprache.
Das Institut für Rechtspsychologie der Universität Bremen, das Daten des Bundesinnenministerium aus 2005 verwendet, gibt an, dass nur in 2,5 Prozent der Fälle, in denen Schusswaffen im Rahmen von Straftaten eingesetzt werden, legale private Waffen verwendet werden. Und auch Erfahrungen aus Großbritannien zeigen ein anderes Bild, als häufig in Talkshows und bei ähnlichen Gelegenheiten behauptet: weniger legale Waffen bewirken nicht gleichzeitig weniger illegale Waffen und auch nicht weniger mit Waffen begangene Verbrechen.
Ein dem Verfasser vorliegender offizieller Bericht über die Kriminalität in England und Wales aus dem Jahr 2008 belegt für eine 12-Monats-Periode bis September 2007 die Anzahl von 10.182 „firearms offenses“, was einer vierprozentigen Steigerung zum gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Darunter fielen 49 getötete, 368 schwer verletzte und 2.718 leicht verletzte Opfer. In 4.284 Fällen wurden Kurzwaffen eingesetzt. Dieses Lagebild dürfte es gemäß der weit verbreiteten Annahmen vom Erfolg des „firearms ban“ in Großbritannien gar nicht geben.
Das letzte veröffentlichte deutsche Bundeslagebild „Waffenkriminalität“ behandelt das Jahr 2007. Darin ist die Zahl von 14.466 sichergestellten Waffen genannt. Davon sind 5.950 illegal besessen, 581 illegal gehandelt und 3.622 illegal eingeführt worden. 626 wurden gefunden, 1.114 bei Straftaten verwendet, 158 illegal hergestellt oder bearbeitet. Nur 2.392 wurden illegal geführt und 23 wurden illegal überlassen (und jeweils legal besessen). Dementsprechend urteilt diese BKA-Untersuchung: „Das Gefahrenpotenzial der Waffenkriminalität liegt in Deutschland schwerpunktmäßig im illegalen Besitz und Führen von Waffen. Allerdings ist die Anzahl der Straftaten unter Verwendung von Schusswaffen seit dem Jahr 2005 rückläufig, zudem kamen in rund 74% der Fälle des Berichtsjahrs überwiegend erlaubnisfreie Schusswaffen wie Gas-/ Alarm- und Druckluftwaffen zum Einsatz.“
Für die fehlende Wahrnehmung der Gefährdung durch illegale Schusswaffen sind eine Reihe von Gründen verantwortlich, z.B.
- spektakuläre Straftaten wie das School Shooting von Winnenden (obwohl die Tatwaffe einem legalen Waffenbesitzer entwendet und damit illegal besessen und geführt worden war),
- die medienwirksamen Sammelaktionen von Polizei und Ordnungsämtern insbesondere im Hinblick auf nicht angemeldete Erbwaffen.
Die Einfachheit und dementsprechend Öffentlichkeitswirksamkeit, mit der der legale Waffenbesitz geordnet und eingeschränkt werden soll/wird, stehen im Gegensatz zur Eindämmung illegaler Waffen, die in der Regel komplexe polizeiliche Operationen erfordern.
Möglicherweise sind auch Marketing- und Lobbyaktivitäten von Herstellern von Sicherungssystemen, für die illegale Waffen naturgemäß keinen Markt darstellen, relevant für die Bildung der öffentlichen Meinung.
Diese Fehlwahrnehmung ist insofern fatal, als das illegale Waffen in aller Regel entweder
a) konkret oder allgemein zur Begehung von Straftaten erworben werden oder
b) zum Handel mit Personen, die diese Absichten verfolgen.
Ihr grundsätzliches Gefahrenpotenzial ist deshalb um ein vielfaches höher als bei Waffen die als Sportgerät, Jagdwaffe oder Sammlungsgegenstand, also mit einer ganz anderen Motivation erworben werden.
Der Aneignungszweck beeinflußt erheblich die Gefährlichkeit
Für die geringe kriminalstatistische Relevanz von privaten Legalwaffen gibt es indes eine Reihe von Expertenstatements. In einer Diskussion vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages 2002 stimmten die Vertreter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Rechtsmedizin in ihren Positionen weitgehend überein. So artikulierte der GdP-Vertreter „Der private Waffenbesitz ist aus polizeilicher Sicht, das haben wir schon öfter gehört, überhaupt nicht das Problem“. Der Rechtsmediziner konstatierte „Jäger, Waffensammler oder Sportschützen sind nicht unser Klientel, sie treten nicht als Täter oder Töter auf“. Die Autoren eines Beitrags in Kriminalistik (2006) über „Waffenbesitz und Waffenmissbrauch in Deutschland“ kommen zu demselben Ergebnis: „Kann nun eine Antwort auf die Eingangs gestellt Frage gefunden werden, ob der legale Waffenbesitz in Deutschland eine Gefährdung der inneren Sicherheit darstellt? Es kann verneint werden. Dafür sind die Fallzahlen in den meisten Deliktbereichen zu niedrig und machen einen verschwinden geringen Anteil an den Gesamtstraftaten aus.“ Vorhandene Fälle des Missbrauchs von Legalwaffen sind – dazu zitieren die Autoren auch das Bundeskriminalamt – Affekttaten, „ein affektiv motivierter Totschlag wird also unabhängig davon begangen, welche Waffe dem Täter im situativen Kontext konkret zur Verfügung steht. … Selbst die völlige Abschaffung jeglichen Legalwaffenbesitzes würde demzufolge diese Tötung nicht verhindern“.
Erwerb illegaler Waffen
Illegale Waffen werden erworben
1. Durch Einbruch/Diebstahl/Raub
- bei Polizei, Zoll, Militär und anderen Behörden sowie in deren Lager, Reparatureinrichtungen etc.
- bei Dienstwaffenträgern, die ihre Waffen führen oder zu Hause aufbewahren
- bei privaten Legalwaffenbesitzern
- bei privaten Vereinen, die Waffen zentral aufbewahren (z.B. in Schützenhäusern)
- bei ausländischen Streitkräften (z.B. den US-Streitkräften)
2. durch illegalen Kauf
- von in die Bundesrepublik geschmuggelten Waffen
- von Waffen im Ausland (auch wenn dieser dort legal erfolgt) und Schmuggel in die Bundesrepublik
- von illegal selbst gefertigten Waffen bzw. Waffen die aus erlaubnisfreien Waffen oder anderen Gegenständen hergestellt wurden
- von gefundenen (bzw. restaurierten) oder geerbten legalen oder illegalen Waffen (darunter auch abhanden gekommene Dienstwaffen)
- von deutschen und ausländischen Dienstwaffenträgern bzw. von Personen mit Zugriff auf Dienstwaffen
- von privaten Legalwaffenbesitzern
3. durch eigene Herstellung
- Umbau von deaktivierten oder erlaubnisfreien Schusswaffen
- Umbau von anderen erlaubnisfreien Gegenständen oder Neufertigung aus Rohmaterial
4. durch Erbe und unterlassene Anmeldung und Blockierung
Einige Beispiele:
Diebstahl von Waffen: Im Februar 2010 wurden aus einer gesicherten Untertageanlage der Bundeswehr in Mechernich vier funktionstüchtige Pistolen gestohlen, die dort zur Reparatur gelagert worden waren. Neben Einbrüchen und Diebstählen von Außen in Kasernen und andere militärische Anlagen werden Polizei- und Militärwaffen auch auf Übungen und im Einsatz verloren bzw. von Innentätern gestohlen. Insgesamt kamen von 2000 bis 2009 der Bundespolizei und Bundeswehr 146 Waffen abhanden – darunter 67 Kriegswaffen.
Militärische und Polizeidepots sind in aller Regel rund um die Uhr nicht nur alarmgesichert und baulich bzw. technisch gesichert, sondern auch mit bewaffneten Posten und/oder Streifen – darunter auch Hundestreifen – bewacht.
Die Depots von Schützenvereinen sind nicht rund um die Uhr bewacht. Aufgrund der Lärmbelästigung und der Platzanforderungen eines Schießstandes sind solche Einrichtungen in aller Regel abgelegen und ohne direkte Anwohner. Eine zentrale Lagerung von Sport- und Jagdwaffen, die z.B. aufgrund der zwangsläufigen Unregelmäßigkeit der Jagdausübung ohnehin administrativ nicht zu bewerkstelligen ist, bietet deshalb nicht mehr, sondern weniger Sicherheit. Bei einem Einbruch in ein solches Lager kann gleich ein Vielfaches des persönlichen Waffenbesitzes erbeutet werden, ohne dass – selbst bei Alarmierung – ein wirksamer Schutz möglich ist. Eine obligatorische Aufbewahrung an diesen Orten, die Tätern die Gewähr gibt eine große Anzahl von Waffen erbeuten zu können, wird das Gefahrenpotenzial voraussichtlich erheblich erhöhen. In der Schweiz, wo in Schützenhäusern häufiger größere Mengen großkalibriger Waffen lagern, ist das Problem dementsprechend ausgeprägter. Im Erfolgsfall fallen den Tätern nicht nur viele Waffen, sondern auch Munition in die Hände.
Änlich den Angriffen auf Kreditinstitute und Juweliere, bei denen u.a. Wände mittels Kraftfahrzeugen durchbrochen und auch schwerste Panzerschränke aus den Verankerungen gerissen, verladen und anderorts gewaltsam geöffnet werden, stellt auch eine bauliche und mechanische Absicherung keine endgültig sichere Lösung dar, sondern eher die Dezentralität und Anonymität des einzelnen legalen Waffenbesitzers sowie die permanente Bewohnung und somit Kontrolle dieses Waffenlagerorts.
So griffen nicht nur die Vierfachmörder von Eislingen auf eine gestohlene Schützenwaffe zurück, sondern Ende 2009 entwendeten Diebe gleich 40 Sportwaffen und Munition aus dem zentralen Lager eines Schützenheimes in Gettorf. Weitere Einbrüche in Schützenhäuser gab es in den letzten Jahren u.a. in Neuried, Hornburg, Würzburg, Scharnebeck oder Langenfeld.
Waffenschmuggel: Das Zollfahndungsamt Stuttgart, zuständig für Baden-Württemberg sowie hinsichtlich Außenwirtschaftsrecht auch für Bayern, stellte im Jahr 2009 6 Kriegswaffen, 128 sonstige Schusswaffen, 1.074 Waffenteile und 21.051 Schuss erlaubnispflichtige Munition, 10 Schalldämpfer und 1.541 Kg Sprengstoff sicher. Das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg stellte 2009 26 Schusswaffen, 201 Schuss erlaubnispflichtige Munition und 100 Gramm Sprengstoff sicher.
Das beunruhigende am Waffenschmuggel ist, dass erstens häufig große Waffenmengen bei einem Einzelfall gefunden werden (z.B. 2007: 2.000 Kriegswaffenteile aus Serbien und 500 Selbstladegewehre aus Kanada) und zweitens das BKA konstatiert: „Aufgrund des Wegfalls der Kontrollen an den Binnengrenzen ist von einem weitaus größeren Dunkelfeld auszugehen“.
Der Waffenschmuggel scheint außer bei kleineren Fällen fester Bestandteil des Tätigkeitsspektrums der organisierten Kriminalität zu sein. Dabei heißt es in der genannten US-Untersuchung, dass „Although clandestine cross-border movement does occur, it is soften easier, to ship the weapons through regular commercial channels, relying on false or fraudently acquired paperwork and/or corrupt officials to ensure passage.” Schon die Kontrolldichte von Containern in deutschen Häfen macht diese Aussage glaubhaft.
Zufallsfunde wie ein Paket aus Asien mit einem getarnten Elektroschockgerät führen zwar zu Waffenfunden (in diesem Fall im Juni 2010 u.a. 15 Pistolen, eine Maschinenpistole, 3 Handgranaten, vier Schalldämpfer und 7.000 Schuss Munition sowie Sprengstoff), stellen aber nur Zufallsfunde dar. Nach wie vor sind die Länder des ehemaligen Warschauer Paktes, die u.a. außergewöhnlich robuste Lang- und Kurzwaffen für ihr Militär in großer Zahl eingelagert hatten, eine Bezugsquelle für illegale Schusswaffen. In der Ukraine gibt es z.B. statistisch pro aktivem Soldaten nach wie vor 54 eingelagerte Kleinwaffen (in Summe sieben Millionen), in der Russischen Föderation 29.
Trotz der Bemühungen von SFOR und nachfolgenden Operationen zur Entwaffnung, insbesondere von privaten Personen und Gruppen, werden im ehemaligen Jugoslawien noch rund acht Millionen Kleinwaffen vermutet. Weiter stattfindender Abbau von Lagern, Korruption und wirtschaftliche Unsicherheit begünstigen einen Abfluss von Waffen nicht nur in Krisenregionen, die größere Mengen abnehmen, sondern auch in die EU, wo höhere Stückpreise erzielt werden können.
Bau/Umbau von Waffen: Im Januar 2010 wurden im Saarland bei einem 40-jährigen Mann eine Vorderschaftrepetierflinte mit Pistolengriff, 15 Schrotpatronen sowie ein Faust- und ein Fallmesser sichergestellt, die im Wohnzimmer versteckt waren. Die Flinte war aus einer erlaubnisfreien Salutwaffe umgebaut worden.
Fund von Waffen: Im Februar 2008 wurde in Brandenburg bei Durchsuchungen -teilweise mit Suchgeräten- ehemaliger Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges, insbesondere den ehemaligen Kessel von Halbe, Objekte (u.a. Kriegswaffen) von vier Männern gefunden. Sichergestellt wurden ein Maschinengewehr, sieben Repetiergewehre und 2 kg Sprengstoff. Eine unbekannte Zahl Waffen wurde zuvor von ihnen teilweise restauriert und verkauft.
Gesetzliche Regelung des Waffenbesitzes
tangiert Kriminelle nicht
Problem Dunkelziffertangiert Kriminelle nicht
Wie erwähnt stellt die hohe Dunkelziffer eines der Hauptprobleme illegalen Waffenbesitzes dar. Während auch ohne zentrales Register (Einführung 2012) alle legalen Waffen bei der waffenrechtlich zuständigen Behörde registriert sind (in Nordrhein-Westfalen z.B. die Kreispolizeibehörde), gibt es zu illegalen Waffen naturgemäß noch nicht einmal valide Schätzungen. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 20 und 40 Millionen illegale Waffen in Deutschland, wobei vermutlich das Bundesinnenministerium und die Gewerkschaft der Polizei mit Schätzungen von rund 20 Millionen Waffen von Mitte der 2000er Jahre relativ konservative Annahmen treffen. Indessen geben zahlreiche große Waffenfunde Anlass, ihre Zahl nicht zu gering einzuschätzen, obwohl in der Regel noch nicht einmal die professionell getarnten Waffenlager organisierter Krimineller gefunden werden. Bloomberg berichtet z.B. im Januar 2009, dass Mafiagruppierungen in Italien seit 2007 die stärkste „Wirtschaftsmacht“ des Landes darstellen. Von 130 Milliarden Euro Einkommen entfiel zwar das Hauptgewicht von 50 Milliarden auf Drogenschmuggel, Waffenschmuggel erzielte jedoch stattliche 5,8 Milliarden.
Einige Beispiele – alle aus Oktober 2010:
- In Attendorn und Solingen wurde ein umfangreiches Waffenlager mit Maschinenpistolen, Maschinengewehren, Revolvern, Handgranaten und Sprengstoff in zwei Wohnungen sichergestellt. Der 57-jährige Besitzer ist wegen Waffenschmuggels vorbestraft.
- In Langenfeld wurde zufällig in einer Garage ein Waffenlager mit 50 Kurz- und Langwaffen – darunter auch Kriegswaffen – sowie großen Mengen Munition und Sprengstoff entdeckt. Der Mieter hatte die Garage nicht fristgerecht geräumt.
- In Berlin-Wedding wurde in einer ehemaligen Waschküche elf Kurz- und neun Langwaffen gefunden, darunter zwei Maschinenpistolen, sowie mehrere Handgranaten und rund 2.000 Schuss Munition. Der Besitzer ist unbekannt.
- Eine Woche zuvor wurde ebenfalls in Berlin in einer Wohnung ein Waffenlager mit 77 Schusswaffen und 15.000 Schuss Munition gefunden.
- In einer Scheune im Schwalm-Eder-Kreis wurden nach einer Anzeige wegen Drohens mit einer Waffe 16 Langwaffen, 6 Kurzwaffen, ein Schalldämpfer sowie 2.600 Schuss Munition gefunden. Der 62-jährige Besitzer soll auch mit Waffen gehandelt haben.
- Bei einer Wohnungsauflösung in Groß Molzahn wurden drei Büchsen und zwei Revolver entdeckt.
- In Bruchhausen wurden 19 Kurzwaffen, fünf Langwaffen, 40 erlaubnispflichtige Waffenteile sowie größere Mengen Munition und rund 15 Kilogramm Schwarzpulver gefunden, die teilweise mit gefälschten Dokumenten erschlichen wurden.
- Bei einem Motorradfahrer aus dem Rockermilieu, der in Halle unterwegs war, wurden u.a. zwei Kurzwaffen und zwei einsatzbereite Sprengsätze entdeckt, in seiner Wohnung eine weitere Waffe und Munition.
- Drogenfahnder haben in Mannheim, Rheinland-Pfalz und Sachsen bei zehn Drogenhändlern aus ex-Jugoslawien mehrere Kilogramm Betäubungsmittel sowie 14 Pistolen und eine Flinte gefunden. Die Waffen stammen vermutlich aus dem Kosovo.
Diese Beispielfälle sind nicht repräsentativ, sondern es handelt sich nur um in der Presse veröffentlichte Fälle eines Monats, die der Verfasser recherchieren konnte. Allerdings zeigte ein stichprobenartiger Rückgriff auf Vormonate und das Vorjahr, dass die Fallzahl nicht außergewöhnlich hoch ist. Problematisch erscheinen zwei Punkte: Häufig handelt es sich um Zufallsfunde und meistens handelt es sich nicht um „professionelle“ und organisierte Kriminelle.
Vielfach betrifft auch die Festnahme nach einer Straftat keine professionellen Kriminellen, sondern häufig bislang strafrechtlich nicht oder kaum in Erscheinung getretene Täter mit illegalen Waffen. Anfang November 2010 stellte sich beispielsweise ein 44-jähriger Mann, der in Stuttgart seine Frau mit einer Kurzwaffe erschossen hatte. In Hettenleidelheim wurde im gleichen Zeitraum ein 48-jähriger Mann von der Polizei mit Schüssen gestoppt, der sie mit einem sowjetischen Sturmgewehr beschossen hatte und zusätzlich eine illegale Pistole besaß. Hingegen bleiben Tatkomplexe, für die illegale Waffen relevant sind, wie z.B. die über die Bundesrepublik verteilten Morde an acht Türken und einem Griechen von 200 bis 2006, die vermutlich mit einer Pistole der Firma Ceska mit Schalldämpfer begangen wurden, die der tschechische Hersteller 1993 in die Schweiz verkauft hatte, auch wegen der schweren oder fehlenden Nachverfolgbarkeit der Tatwaffen im Dunkeln.
Erschwerend für eine genaue Zählung der mit illegalen Schusswaffen begangenen Straftaten ist auch, dass insbesondere bei Mord und Totschlag der Vorwurf des illegalen Waffenbesitzes häufig zu Gunsten der schwerer wiegenden Tat nicht bestraft wird und deshalb nicht in Statistiken zu Verurteilungen auftaucht.
Illegale Waffen werden benutzt
1. von Kriminellen zur Begehung von Straftaten oder zur Eigensicherung bei der Begehung von Straftaten bzw. gegen Zugriff der Polizei. Die Absicht dieser Nutzer ist es, Waffen zum drohen, verwunden oder töten zu verwenden. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik gab es bei gefährlicher und schwerer Körperverletzung 2009 1.098 Fälle, in denen geschossen wurde und 150 Raubüberfälle mit Schusswaffeneinsatz. Unverständlicherweise werden die Waffen nicht weiter unterschieden.
2. von illegalen Händlern mit der Absicht, diese Waffen unter Erzielung von Gewinn zu verkaufen
3. von politischen bzw. religiösen Extremisten zur Verübung von Anschlägen, zur Eigensicherung gegenüber Behörden und Gegnern, zur Begehung von Straftaten zur Finanzierung von oder im Rahmen ihrer eigentlichen Ziele
4. von bestimmten Personengruppen, die aufgrund ihres Lebensstils, ihrer Weltanschauung oder ihrer kulturellen Prägung Waffen primär für ihr Selbstverständnis besitzen wollen, wobei ihr tatsächlicher Einsatz möglich ist
5. Personen, die legale Waffen von einem Berechtigten oder illegale Waffen geerbt haben und sich entweder über ihre Verpflichtung zur Anmeldung und Sicherung nicht klar sind (z.B. hochbetagte Ehepartner) oder aus Sentimentalität nicht entsprechend handeln, werden hier nicht betrachtet, da ihr Ziel nicht die Verwendung der Waffen ist.
Einige Beispiele:
Das Wall Street Journal geht im Juli 2010 davon aus, dass in der Europäischen Union in allen größeren Städten Waffenlager von Kriminellen getarnt untergebracht sind. Diese Lager dienen nicht nur dem Verkauf, sondern auch der Begehung von Straftaten, so dass Kriminelle ohne Waffen reisen und diese erst am Zielort in Empfang nehmen können. Die Zeitung geht davon aus, dass Sturmgewehre wie das AK-47 bereits für 300 bis 700 Euro in der EU gehandelt werden und bezieht sich dabei auf Europol. Weiter heißt es: „Europol says organized crime groups and street gangs are “routinely using firearms in populated areas, posing a significant threat to the general public and law enforcement personnel’. … firearms mostly come from suppliers in South East Europe. ‘The establishment of firearms ‘pools’ in major cities in Western Europe has significantly increased the local availability of weapons to criminal hubs’.”
Ende 2009 fand die Polizei in Flensburg das bis dahin größte Waffenlager der Rockerszene Schlewig-Holsteins. In einer Werkstatt im Umfeld des Clubs wurden zahlreiche Maschinenpistolen, Repetierflinten, Revolver und größere Mengen der dazugehörigen Munition gefunden.
Zu den Tabuthemen gehört die Frage, ob bestimmte soziale und/oder ethnische Milieus eine besondere Waffenpräferenz ausgeprägt haben und gleichzeitig in der Lage sind – durch Beziehungen zur kriminellen Szene und/oder ins Ausland (insbesondere in Länder mit liberalem waffenrecht und/oder nahe von Krisengebieten) – dieser Präferenz mit dem Erwerb und Besitz illegaler Waffen auch Rechnung zu tragen. Dabei muss – anders als in anderen genannten Fällen – nicht zwingend auch der Einsatz der Waffen beabsichtigt sein, so dass z.B. die Zahl von 22 Prozent der 38.375 Tatverdächtigen, die 2009 Straftaten mit einer Waffe unternahmen, wenig aussagekräftig ist. Es dürfte allerdings eher dem Abbau von Vorurteilen dienen, diese oftmals in der Bevölkerung geäußerte „gefühlte“ sozial bzw. kulturell Waffenpräferenz kritisch zu analysieren.
Maßnahmenkatalog
Die Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen Waffenbesitzes und Waffenhandels sind einfach aufzuzählen, aber in Zeiten geringer werdender personeller und finanzieller Ressourcen schwer umzusetzen:
- Es ist insbesondere angesichts der starken öffentlichen Waffendiskussion unverständlich, warum die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht nach Straftaten mit legalen und illegalen Schusswaffen und mit der Unterscheidung legale Dienstwaffen und Privatwaffen unterscheidet. Mindestens aber sollte zum besseren Verständnis des Phänomens der Lagebericht „Waffenkriminalität“ nach drei Jahren erneut veröffentlicht werden. Ein staatliches Geheimhaltungsinteresse an diesem Thema ist nicht zu erkennen.
- Das Augenmerk des Zolls gegenüber Waffenschmuggel – insbesondere im großen Stil (z.B. Waffen aus dem ehemaligen Warschauer Pakt oder ex-Jugoslawien) sollte verstärkt und durch stärkere gemeinsame Maßnahmen mit ausländischen Zöllnern ergänzt werden.
- Der Fokus der Polizei und der Innenministerien bei der Bekämpfung des Problemfelds illegale Waffen sollte sich von der medienwirksamen Sammlung von Erbwaffen in Richtung illegale Waffen Krimineller bzw. illegaler Händler verlagern.
- Das gleiche gilt für polizeiliche und andere Präventionsprogramme, von denen in der Kriminalitätsstatistik eine Reihe genannt wird – vom „Expertenkreis Amok“ über Maßnahmen gegen Handygewalt bis zur Aktion „Don’t drink too much“. Es wird jedoch kein Präventionsprogramm im Hinblick auf illegale Waffen durchgeführt.
- Das Problem illegale Waffen sollte in der breiten Öffentlichkeit (z.B. durch Kommunikationsmaßnahmen der genannten Behörden) angemessen thematisiert werden, so dass es die Umfelder von Personen, die illegale Waffen aufgrund einer kulturell, weltanschaulich oder anderen Prägung besitzen wollen, dies weniger tolerieren bzw. dem entgegenwirken.
- Bei der Analyse und Prävention von aufsehenerregenden Straftaten wie z.B. School Shootings muss die Aufmerksamkeit vom Tatmittel Schusswaffe auf das ganze Spektrum der Einflussfaktoren auf den Täter und die Tat erweitert werden (z.B. Medienberichterstattung, Konsum von Videospielen, Verwendung von Psychopharmaka, Vorhandensein psychischer Erkrankungen, Sozialverhalten des Täters und seiner Umwelt).
- Bei der auch internationalen Behandlung des Phänomens Kleinwaffen sollten zum besseren Verständnis des Problems, seiner Ursachen und Wirkungen, legale Waffen (unterschieden in privat oder staatlich besessen) von illegalen Waffen getrennt betrachtet werden. Es ist grob irreführend, ein streng reglementiertes und registriertes Jagdgewehr in Deutschland mit einer illegalen Lieferung von 500 AK-47 von Serbien nach Liberia und weiter nach Darfur gleichzusetzen.
Gastbeitrag
Verweise