Notwehr in Sittensen?


In Sittensen (Niedersachsen) hat eine Bande von fünf Albanern, darunter mindestens ein bekannter Intensivtäter, einen 77 Jahre alten gehbehinderten Mann auf seinem Grundstück überfallen. Als die Täter den Mann beraubt hatten, einen Tresor fanden und versehentlich Alarm auslösten, kam es zu einem Durcheinander, in dessen Verlauf der alte Mann einen Täter mit seiner Legalwaffe erschoss. Schon regt sich Protest. Darf man Schwerkriminelle, die Leib und Leben bedrohen, erschießen?
Wir wollen diese Frage an dieser Stelle nicht rechtlich würdigen. Recht sprechen in Deutschland immer noch Gerichte, nicht Zeitungen und auch nicht Politiker. Ein Gericht wird feststellen, ob der alte Mann sich auf sein Recht zur Notwehr berufen konnte. Er besaß als Jäger seine Waffe legal.
Wir wollen die Frage mit dem berühmten gesunden Menschenverstand beantworten. Um es kurz zu machen: Unserer Meinung nach – und ohne Einzelheiten zu kennen – hatte der Mann Grund, sich mit der Waffe zu verteidigen.
                  
Der Mann war alt und ging an Krücken. Er sah sich fünf Tätern gegenüber.
Erstens dürfte er den Tätern körperlich auf keinen Fall gewachsen gewesen sein, wenn er sich auf andere Weise gewehrt hätte. Zweitens musste er damit rechnen, selbst, wenn er sich nicht gewehrt hätte, durch Anwendung von Gewalt dazu gezwungen zu werden, die Daten von EC-Karte, Geld- und Schmuckverstecke im Haus zu verraten. Selbst, wenn er alles hergegeben hätte, hätte es gut sein können, dass die immerhin fünf Täter damit nicht zufrieden gewesen wären. Einen alten Mann läßt körperliche Gewalt wesentlich leichter zum Pflegefall werden, als einen jüngeren Menschen.
Es gibt nicht nur genügend Beispiele dafür, wie Kriminelle ihre Opfer in ihrem eigenen Haus foltern, um mehr Beute zu machen, sondern kurz zuvor war auch unweit dieses Tatortes ein anderer älterer Mann bei einem Überfall getötet worden.
                   
Es waren fünf Täter. Das identifizierte Opfer ein sechzehnjähriger Albaner, der als Intensivtäter hinreichend bekannt war. Man muss nicht von Vorurteilen geprägt sein, um aus dieser Konstellation ein – nennen wir es Mal so – eher problematisches Verhältnis zur Gewalt abzuleiten. Dieses kann sich durch eine mit hoher Unsicherheit für die Täter und einem gruppendynamischen Prozess gekennzeichnete Situation (z.B. Beute erscheint zu gering für das Risiko, Angst vor Entdeckung, umstrittene Rangfolge in der Bande) potenzieren.
Erstens muss dem alten Mann deshalb jede „Verhandlungslösung“ als ausgeschlossen und nur Flucht (unmöglich, da alt und gehbehindert) oder Gegenwehr Erfolg versprechend erschienen sein.
Zweitens hat sich der alte Mann in einer Extremsituation befunden (fünf Vermummte bedrohen ihn), in der von ihm wohl kaum eine genaue Analyse seiner Situation und eine ruhige Prognose betreffend seines Überlebens und seiner körperlichen Unversehrtheit erwartet werden kann.
Die Frage, ob der getötete Verbrecher 16 oder über 18 war, ist nicht nur deshalb unwesentlich, weil er maskiert war. Sie ist auch deshalb unwesentlich, weil Kriminelle dieses Kalibers und mit einer solchen „Karriere“ brutal wie Erwachsene handeln und nicht weniger gefährlich sind.
                   
Hereinbitten und erst Mal ausdiskutieren?
              
Die Polizei und die Staatsanwaltschaft können nicht überall sein. Das ist klar. Aber zunehmend drängt sich vielen Bürgern der Eindruck auf, dass sie kaum noch in der Lage sind, Verbrechen, auch Gewaltverbrechen, zu beherrschen. Der an anderer Stelle zitierte Kriminalitätsbericht nennt dramatisch hohe Verbrechenszahlen (und behandelt naturgemäß nur das statistisch erfasste Hellfeld), so dass eine Stagnation oder ein minimaler Rückgang nicht ansatzweise als Erfolg interpretiert werden dürfen. Das ist nicht die Schuld der Polizei, die zunehmend ausgedünnt wird, kostenbedingt in der Fläche auf dem Rückzug ist und sich in einige, nahezu rechtsfreie Räume kaum noch wagen kann, ohne sich hinterher erheblichem politischen Druck ausgesetzt zu sehen. Stattdessen dürfen Polizisten vom Fußballspiel bis zum alternativen Stadtteilfest am 1. Mai, die beide regelmäßig in teils schwere Gewalt ausarten, einen aufreibenden, schlecht bezahlten und oft gering geachteten Dienst versehen, der immer weniger Möglichkeiten bietet, Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen.
Grundsätzlich hat aber trotzdem jeder Bürger Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Schutz seines Lebens und seines Eigentums. Beispiele wie die brutale Ermordung von Dominik Brunner, der einen schönen Orden bekommen hat, weil er „alles richtig gemacht“ und „Zivilcourage gezeigt“ hat – obwohl er auch etwas kritisiert wurde, weil er Mal Boxen gelernt und eine entsprechende Verteidigungsposition eingenommen hat – zeigen ja, wie ein gewalttätiger Zwischenfall auch ausgehen kann (Übrigens: Brunner hatte die Polizei gerufen).
                             
Und wenn sich jemand deshalb als alter, gehbehinderter Mann fünf Schwerstkriminellen gegenüber sieht, die ihn und potenziell sein Leben bedrohen, dann hat er auch das moralische Recht, sich dagegen mit allen ihm in dieser Situation zur Verfügung stehenden Mitteln zu wehren.
Was wäre aber gewesen, wenn das Opfer 35 Jahre alt, gesund und kräftig gewesen wäre? Wie verhält sich ein mustergültiges Opfer aus Sicht grüner oder linker Politiker oder des Stern, der taz oder der Zeit – also derjenigen, die jede Waffe, jedenfalls jede legale Waffe, für eine Waffe zuviel halten? Und wie würden sich diese Leute selbst als Gewaltopfer verhalten? Ausgerechnet einer der schärfsten Waffenkritiker in den USA, Senator R.C. Soles, mit 74 Jahren ebenfalls ein älterer Mann, hat am 12. Dezember auch einen Verbrecher erschossen, der ihn in seinem Haus bedroht hat. Warum hat er sich nicht überfallen und mißhandeln lassen?
                            
Ist es nicht doch richtig, dass der legale, private Waffenbesitz Kriminalität reduziert und nicht fördert. Dafür gibt es in der Tat einige Befunde:
                       
"In sum, banning guns for the general public increases people’s vulnerability and fails to reduce violence because the law-abiding citizenry are victims of violent crime, not perpetrators."

G. Mauser: Some International Evidence onGun Bans and Murder Rates. Fraser Forum. Oktober 2007. Volltext
              
"Many myths needlessly frighten people and prevent them from using the most effective means for defending themselves and their families. The first myth is that if you are attacked, passive behavior is the safest approach. … By far the safest course of action for either a woman or a man confronted by a criminal is to brandish a gun. Women who behave passively are 2.5 times more likely to end up being seriously injured than women who resist a criminal confrontation with a gun. Men who behave passively are 1.4 times more likely to end up being seriously injured than men who resist a criminal confrontation with a gun."

J. R. Lott: More Guns, Less Crime. Understanding Crime and Gun Control Laws. In: American Experiment Quaterly. Summer 1999. Volltext
                                           
Verweise
- Bewaffnete Selbstverteidigung und die Friedensdividende
- Kein Recht auf Selbstverteidigung?