Südafrikas Polizei: Korrupt, inkompetent und brutal?

Während die südafrikanische Regierung trotz einer weltweit herausragenden Kriminalitätsrate geringfügige Verbesserungen der Verbrechensstatistik feiert, eskaliert die Sicherheitslage. Die letzte Kriminalitätsstatistik wies jährlich 2,1 Millionen Verbrechen aus und verzeichnete zum Beispiel 31,9 Mordfälle je 100.000 Einwohner, während der weltweite Durchschnitt bei nur sieben Fällen liegt. Ähnliche „Spitzenwerte“ werden bei Vergewaltigung, Einbrüchen, Raum und Körperverletzung erreicht. Die Dunkelziffer wird von Beobachtern für um ein Vielfaches höher gehalten.
Nicht nur die weitgehend schutzlosen weißen Farmer, von denen je nach Statistik seit 1994 zwischen 3.500 und über 4.000 ermordet wurden, sondern auch die schwarze Bevölkerung misstraut zunehmend der Polizei: So wurden Ende März innerhalb von 14 Tage zwei Lynchmorde an insgesamt sechs mutmaßlichen Räubern bekannt. Die jungen Männer wurden mit benzingefüllten Autoreifen bei lebendigem Leibe verbrannt. Betroffen war mit der Siedlung Khayelitsha auch ein Ort nahe des als vergleichsweise sicher geltenden Kapstadt. Pieter Groenewald, der innenpolitische Sprecher der Vryheidsfront Plus, mahnte, dass das Verbrennen angeblicher Krimineller „ein Warnzeichen ist und Anarchie schafft. Wenn die Bewohner einer Gemeinde sagen, dass sie all ihr Vertrauen in die Polizei und das Justizsystem verloren haben und deshalb lieber das Recht in die eigenen Hände nehmen, muss dies als Weckruf dienen und als Flecken auf dem Ruf der Polizei wahrgenommen werden. Der Polizeiminister Nathi Mtethwa muss dringend intervenieren”.
     
      
Größeren Umfang nahm die rassistisch motivierte Selbstjustiz in Grabouw, einem Vorort von Pineview, an, wo ebenfalls Ende März farbige („coloured“) Bewohner Jagd auf Schwarze („black“) machten, von denen sie annahmen, dass sie deren Schulgebäude niederbrennen wollten. Ein bewaffneter Mob Farbiger hatte einzelne Schwarzen aufgegriffen und schwer misshandelt. Beobachter berichteten von vorangegangenen Rivalitätskämpfen zwischen farbigen und schwarzen Gangs in der Gegend. Die Polizei konnte die Konfrontation nur mit Gewalt beenden. Mehrere Schulen mussten bis auf weiteres geschlossen werden.
                
Als „Konservendose voller Würmer“ bezeichnete Ende 2011 das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“ den Korruptionssumpf südafrikanischer Behörden und Staatsunternehmen und stellte fest, dass nicht nur kurz zuvor der Polizeichef des Landes und zwei Minister wegen Korruption zurücktreten mussten, sondern auch zahlreiche weitere Behördenchefs und Bosse von Staatsunternehmen ein ähnliches Schicksal erwarte. Unter Verdacht stünden nahezu alle: von der Eisenbahn und dem Staatsrundfunk über die Post und die Regulierungsbehörde für Telekommunikation bis hin zu höchsten Polizeistellen. Die "Special Investigating Unit", eine Spezialeinheit zur Korruptionsbekämpfung, schätzt, so der „Economist“, dass rund 20 bis 20 Prozent der Staatsgelder verschwendet oder für Korruption aufgewendet werden.
   
Während unternimmt das offizielle Südafrika wenig, um diesem Eindruck entgegenzuwirken. Zuletzt wurde Staatschef Zuma kritisiert, weil sechs seiner Leibwächter mit rechtswidrigen Beförderung (z.B. direkt vom Sergeant/Feldwebel zum Colonel/Oberst) „belohnt“ wurden und seit dem das bis zu dreifache Gehalt beziehen. Pieter Groenewald hält dies für versteckte Form der Korruption auf Kosten des Steuerzahlers.
      
Beispiele für Polizeibrutalität, die sich nicht nur, aber auch gezielt gegen weiße Südafrikaner richtet, gab es gerade in letzter Zeit viele. So folgte zwar auf die schwere Misshandlung eines 16-jährigen in Vaalwater Mitte März die Suspendierung der verantwortlichen Polizisten, wenig Interesse zeigt allerdings die Polizei gegen die „Slaan Squad“ vorzugehen, eine inzwischen mehrerer Übergriffe verdächtige Gruppe von Polizisten aus der Overberg Region, die Reginald Steneveldt, einen 30-jährigen Weißen und seine Freunde aus Western Cape zu sexuellen Handlungen in der Öffentlichkeit gezwungen und schwer misshandelt hatte, als diese mit einer Panne liegengeblieben waren und um Hilfe baten.
                 
Letztlich ist der offiziellen südafrikanischen Kriminalitätsstatistik ohnehin nicht zu trauen, da es offenbar erhebliche Abweichungen zwischen der Zählart der Provinzen und der nationalen Erhebung gibt. So zeigt die Statistik für Northwest beispielsweise die gleiche Anzahl Morde für 2010/2011 wie für die vorangegangene Periode 2009/2010. Das gleiche Gebiet weist aber in der nationalen Statistik eine Steigerung der Morde um 7,9 Prozent aus. Ähnliche Diskrepanzen gibt es bei den Zahlen der Provinzen Western Cape, Northern Cape und anderen. „Es ist kein Wunder, dass die Öffentlichkeit den jährlichen Kriminalitätsstatistiken nicht glaubt und sie für manipuliert hält“, kommentiert Experte Groenewald.
              
Südafrika tut gut daran, sich endlich konsequent des Kriminalitätsproblems anzunehmen. Denn inzwischen hat nicht nur das Europäische Parlament Notiz von den seit Jahresbeginn stark steigenden rassistisch motivierten Farmmorden an Weißen genommen. Sondern nun beginnen auch beispielsweise Umweltschutzgruppen ein energisches Eingreifen der südafrikanischen Behörden zu fordern, nachdem eine aktuelle Studie an zwei US-Universitäten gezeigt hat, dass Südafrika hinsichtlich des Schutzes seiner Ressourcen von 132 Staaten am Platz 128 steht und durch das mangelhafte Eingreifen von Polizei und anderen Sicherheitsbehörden nicht nur bedrohte Arten akut gefährdet sind, sondern auch die Gesundheit der Bevölkerung. Kriminalität bleibt in Südafrika in den allermeisten Spielarten ein Massenphänomen.