Medien und Skandale? Skandalmedien.


Medien lieben Skandale. Sie leben davon, darüber zu berichten. Aber nicht alle Medien lieben alle Skandale. In Zeiten stagnierender Mediennutzung und doppelten Wettbewerbsdrucks (Mediengattung gegen Mediengattung und Medium gegen Medium) sind hohe Einschaltquoten, Klickraten, Verweildauern und Auflagensteigerung zwar „überlebenswichtig“, aber nach wie vor spielen „die Schere im Kopf“ und die eigene Weltanschauung offensichtlich eine ebenso wichtige Rolle. Beispiele für Skandale, die durch Medien nachhaltig verstärkt oder überhaupt erst erzeugt wurden, sind zahlreich und uns allen bekannt: Vom Waldsterben über den Golfkrieg oder den Krieg am Balkan bis hin zur Schweine- und Vogelgrippe. Aber das sind nur Beispiele für „große“ Themen.
Gero Kalt und Michael Hanfeld belegen in der Reihe „Schlecht informiert“ anhand von hunderten Einzelbeispielen, wie schlecht manche Medien recherchieren und wie unwahr sie wider besseres Wissen berichten und, „dass sie grundlegende Probleme unserer Gesellschaft ignorieren“. Bernd Müller-Ullrich, Verfasser von „Medienmärchen. Gesinnungstäter im Journalismus“ meint: „Verglichen mit dem heutzutage praktizierten Journalismus darf Telepathie noch als ein zuverlässiges Verfahren der Faktenübermittlung gelten“ und nennt die Urheber Gesinnungstäter, die sich aus weltanschaulichen und politischen Gründen als Vorkämpfer des Guten in einer bösen Welt verstünden und bevorzugt Meldungen von Menschenrechtlern und Umweltschützern veröffentlichten, die von Polizei, Industrie oder Naturwissenschaftlern aber höhnisch kommentierten: „Sie wollen Betroffenheit zeigen und Betroffenheit erzeugen; sie wollen Überzeugungsarbeit leisten. Die Nachrichten müssen sich halt danach richten“. Eine Fülle ähnlicher Berichte hat Udo Ulfkotte in „So lügen Journalisten“ gesammelt.
Die folgenden drei Beispiele sollen die Risiken, die mit der Skandalberichterstattung einhergehen beleuchten.
    
Beispiel 1: Probleme mit islamistischen Tendenzen?
Nicht erst seit Erkenntnissen zu potenziellen Anschlägen in Deutschland im 2010 und 2011 und dem vermehrten Auftauchen bewaffneter Polizisten im Straßenbild manifestiert sich zu Recht der Eindruck bei den Bürgern, dass der gewaltbereite Islamismus in Österreich und Deutschland angekommen ist. Die vereitelten Anschläge der islamischen „Sauerland Gang“ in Deutschland und die Vorbilder aus New York 2001 (rund 3.000 Tote), Madrid 2004 (191 Tote), Beslan 2004 (331 Tote), London 2005 (56 Tote), Mumbai 2008 (170 Tote) und anderen Städten verdeutlichen, wie nah der Terrorist uns gekommen ist. Der deutsche Verfassungsschutz geht z.B. von mehreren Tausend gewaltbereiten Gefährdern aus, die religiös hochmotiviert sind, einen beispiellosen Selbstaufopferungswillen besitzen und teilweise in Terrorcamps in Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern ausgebildet sind bzw. von denen einige Kampferfahrung in Afghanistan, im Irak oder anderen Staaten gesammelt haben.
    
Opfer der Terroranschläge in Madrid
   
Islamistischer Terror wird aber nicht mehr durch einen „turbantragenden Saudi“ mit AK-47 irgendwo im pakistanischen Grenzgebiet verkörpert, sondern zu einem wesentlichen Teil auch durch „home grown Terrorism“, also z.B. den im Westen aufgewachsenen jungen Mann mit Migrationshintergrund oder den Konvertiten von nebenan, von denen sich nur eine Minderzahl so kleidet oder benimmt, dass sie im Straßenbild auffallen. Hinzu kommt die Funktion westlicher Staaten als Rückzugs-, Finanzierungs- und Rekrutierungsort von islamistischen Terroristen.
Aber dieses Thema bietet sich offenbar nicht für eine breite öffentliche Erörterung an. Statt dessen beschwichtigen Medien oft genug mit den Argumenten, es handele sich entweder um bedauerliche Einzelfälle oder es bestehe kein Zusammenhang zwischen religiösen Fanatismus und Verbrechen und man dürfe nicht in eine „Islamophobie“ verfallen. Der Moslem und Publizist Bassam Tibi verortet in einem Interview mit der Kleinen Zeitung genau diesen Begriff als Methode, Kritik zu unterbinden: „der Begriff ist im Iran entstanden. Wer das totalitäre Regime dort kritisierte, wurde als islamophob bezeichnet. Inzwischen ist der Begriff auch hierzulande verbreitet, als Instrument der Islamisten. Die Europäer haben Angst, niemand möchte so bezeichnet werden. … Der Begriff ist eine geistige Macht geworden, wie die Polizei in einem Polizeistaat. Der Begriff zielt auf Abschaffung der Kritik ab. Sie unterstellen, Muslime wären die neuen Juden in Europa. Aber wenn das stimmte, warum werden Islamisten in der Welt des Islam verfolgt und bekommen ausgerechnet in Europa, im demokratischsten Teil der Welt Asyl?“
          
Opfer der Terroranschläge in Mumbai
  
Letztlich geht es aber nicht nur um die brutalen Auswüchse des Islamismus, sondern auch um extreme religiöse Tendenzen im Alltag, die sich nicht oder nur schwer mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung in Einklang bringen lassen. Tibi erläutert zu den Moslembrüdern: „Die Moslembrüder sind [in Österreich] massiv präsent und haben viel Macht. Sie werden hier durch den Rechtsstaat geschützt. … Sie spielen ein Doppelspiel: Nach außen reden sie liberal und demokratisch, in ihrem eigenen Kreis treten sie für einen Scharia-Staat ein. Aber Scharia und Demokratie vertragen sich wie Öl und Wasser. In einer Demokratie muss man zwar auch undemokratische Bewegungen einbinden, aber man darf ihnen nicht die Macht überlassen.“   
   
So lange die Medien weit überwiegend schweigen oder beschwichtigen und Bücher wie Bruce Bawers „While Europe Slept. How Radical Islam is Destroying the West From Within“ oder Mark Steyns „America Alone“ nahezu ausschließlich aus den USA stammen und bei uns allenfalls diskret empfohlen werden, muss man von einem Skandal sprechen und vom Versagen der Wächterfunktion von Medien in demokratischen Staaten.
    
Mit seinem Tod endete der islamistische Terror nicht - im Gegenteil
  
Beispiel 2: Südliches Afrika – Fußballseligkeit oder praktizierter Rassismus?
Westeuropa hat durch einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen und sozialen Totalboykott eine zentrale Rolle darin gespielt, das alte Südafrika 1994 in die Knie zu zwingen. Nachdem der Apartheitsstaat abgedankt hatte und die ehemalige Untergrundorganisation ANC (African National Congress) an die Macht gelangt war, die diese seit nunmehr 17 Jahren innehat, erlosch allerdings das Interesse der Europäer an der Einhaltung von Menschenrechten, der gelebten Demokratie und Inneren Sicherheit. Für die neuen Machthaber in Südafrika gibt es außenpolitisch wenig Anlass über Veränderungen nachzudenken, denn das Bild Südafrikas wie es medial zuletzt anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2009 inszeniert wurde, um die fragwürdige Entwicklung des Landes zu kaschieren und das Fußballfest ungetrübt und kommerziell interessant ablaufen zu lassen, hat wenig mit der Realität gemein.
  
Systematische Gewalt gegen Immigranten, Buren und Behörden eskaliert
  
So erreicht Südafrika nicht nur mit zuletzt rund 2,1 Millionen Verbrechen im Jahr international einen Extremwert und die Polizei gilt als ineffizient, korrupt und mit organisierter Kriminalität verflochten, sondern es ist auch ein bedauerlicher Verfall der politischen Kultur zu beobachten. Ereignisse wie die Hetzrede des 2010 aktiven Jugendführers des ANC, Julis Malema, gegen die Weißen („Töte den Buren, töte den Farmer“), finden in Europa genau so wenig Beachtung wie die fortgesetzten Morde an weißen Farmern, denen bislang über 3.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und die die Menschenrechtsorganisation UNPO (Unrepresented Nations and Peoples Organization) dazu veranlasst hat, eine Beobachtermission vorzubereiten und im November 2011 das niederländische Parlament beschäftigte
  
Julius Malema: Keinesfalls abgemeldet, sondern mehr Einfluß denn je
  
Zur wirtschaftlichen Situation schreibt das britische Magazin Economist im September 2011: „Der regierende ANC mit seiner Politik des schwarzen wirtschaftlichen Empowerment, ist darauf fixiert, Wohlstand zu verteilen, anstatt ihn zu vermehren. … Die meisten Emerging Market-Länder, selbst solche mit schrecklicher Vergangenheit wie China und Vietnam, haben die Zukunft angenommen. Das geliebte Land [Südafrika] verharrt in einem ungesunden Maß in der Vergangenheit. … Die Stimmung in der südafrikanischen Wirtschaft ist so düster wie seit Jahren nicht. Das Wachstum ist auf 1,3% gesunken - in Teilen wegen des globalen Trends, aber auch wegen der politischen Unsicherheit. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25% und nicht ein einziger Job konnte netto seit dem Ende der Apartheid hinzugefügt werden. Die Ungleichheit ist größer als irgendwo anders auf der Welt. Die wirtschaftliche Stagnation hat zu politischem Radikalismus geführt: Die ANC-Jugendorganisation erzeugt immer radikaleres Gelärme gegen die weiße Minderheit. Obwohl die ANC-Führung sie diszipliniert, spricht die Jugendorganisation offen über die Sozialisierung der Spitzenwirtschaft und die Schwächung von Landbesitzrechten."
   
Ein Genozid, der im Westen totgeschwiegen wird: Über 3.000 ermordete Buren
  
Für deutsche und österreichische Medien finden diese Nachrichten aus Südafrika nicht statt – zu sehr widersprechen sie der gewünschten Realität. Bezeichnend war der Schriftwechsel des Verfassers dieses Beitrages mit dem Journalisten eines Qualitätsblattes im September 2011: „Morde mit vermutetem Rassismus-Hintergrund – das klingt interessant“; „Ach Weiße sind das, Farmbesitzer. Das krieg ich nicht durch in der Redaktion. Mit einem ähnlichen Thema bin ich schon Mal zu Simbabwe auf die Schnauze gefallen“. Seine damals vier ebenfalls befragten Kollegen waren weniger ehrlich, aber gleich deutlich. Diese Einstellung kann fatale Folgen für Entwicklungshilfe, wirtschaftliche Kontakte und Tourismus haben – und damit letztlich für jeden von uns.
  
Südafrikas Polizei: Korrupt, überfordert, auf verlorenem Posten
  
Beispiel 3: Amoklauf – Alltagsgefahr oder „Vermischtes“?
Symptomatisch für eine weltanschaulich getriebene Diskussion ist auch die Berichterstattung über sogenannte Amokläufe. Obschon es sich insbesondere in Westeuropa um extrem seltene Phänomene handelt, die nicht überwiegend mit Schusswaffen begangen werden und schon gar nicht mit solchen, die legal besessen werden (also Sportschützen, Jägern, Sammlern gehören), erreichen solche Taten eine extrem hohe mediale Aufmerksamkeit. Diese ebbt auch lange nach der Tat nicht ab, wenn sich aus ihr politische Forderungen ableiten lassen wie der Verbot des privaten legalen Waffenbesitzes und die gesellschaftliche Ächtung aller Waffen – Positionen, die sich allzu oft mit den persönlichen Vorstellungen der „Medienschaffenden“ decken.
  
Oft genug verzerrt: Mediale Wahrnehmung von Jugendgewalt
  
Nicht zufällig ergibt sich durch Wechselwirkungen aus Politik und gesellschaftlichen Gruppen und einzelnen Medien fast ausschließlich eine „Melange“ aus roten und grünen Positionen, die weder Fachexpertise aufweisen, noch „unpassende“ ausländische Befunde, noch die allein in der Bundesrepublik Deutschland fast drei Millionen Betroffenen zu Wort kommen lassen (die unbescholtenen Legalwaffenbesitzer). Einige Beispiele:
a) Wolfgang Dicke stellt in „Waffen im Visier“ (Deutsche Polizei 5/2009) aus der Praxis fest: "Moderne Schusswaffen sind seither – bis auf einige Jagdwaffen – in Großbritannien für den Privatbesitz verboten. Ein Erfolg? Mitnichten. Die Rate der Straftaten mit Schusswaffen geht seither ungebremst weiter nach oben und hat Größenordnungen erreicht, die weit über den vergleichbaren Zahlen hierzulande liegen."
  
Friedliche Sportler unter Generalverdacht und stigmatisiert: Schützen
  
b) Der Wissenschaftler Klob erklärt in „Schusswaffen-Delikte in Österreich“ (IWÖ – Nachrichten 4/2009): "Als Ergebnis kann eindeutig festgestellt werden, dass die Verschärfung des Waffengesetzes im Jahr 1996 keinen Einfluss auf die Delikte des Waffengesetzes hatte. … Der angesprochenen Argumentation, dass ein Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Schusswaffen und ihrer Verwendung bei Delikten bestehe, widersprechen die Zahlen der Kriminalstatistik zumindest in Österreich ganz offensichtlich. Da somit einer der propagierten Hauptzwecke einer Verschärfung der Waffengesetze verfehlt wird, wundert es den kritischen Beobachter, dass es überhaupt eine Diskussion in diese Richtung gibt."
  
Verantwortung: Amoktäter kopieren Medienbilder von Amoktätern
  
c) Und schließlich sagen die Autoren Dobat, Heubrock und Stöter in „Waffenbesitz und Waffenmissbrauch in Deutschland“ (Kriminalistik 12/2006): "In der zukünftigen Diskussion über den Waffenbesitz und die Waffengesetzgebung in Deutschland muss die Tatsache, dass legale, erlaubnispflichtige Schusswaffen keine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen, berücksichtigt werden."
  
War amtsbekannt: Der Täter von Lüttich
  
Die Themenkarriere von Verbrechen mit Schusswaffen ist oft genug dann abrupt beendet, wenn sich herausstellt, dass der Täter nicht in das Schema der „üblichen“ Verbotsforderungen passt. So ermordete am 13. Dezember ein Mann in Lüttich/Belgien am helllichten Tag auf offener Straße sechs Menschen. Schnell titelten die Medien „Amoklauf“ und „Blutbad“. Als tags drauf bekannt wurde, dass es sich nicht um einen durchgedrehten belgischen „Waffennarren“ handelte, sondern um einen marokkanischen Drogenhändler, der wegen illegalem Waffenhandel, Drogenhandel und Sexualdelikten mehrfach vorbestraft war, erstarb die Berichterstattung. Nicht nur, dass das Phänomen illegale Waffen nicht weiter diskutiert wurde oder die Opfer medialen Raum bekamen. Auch die Tatsache, dass ein mehrfach vorbestrafter Gewalttäter überhaupt noch in Belgien alimentiert wurde, obwohl es ausreichende gesetzliche Handhabe gegen ihn gab, „schaffte“ es nicht in Gazetten und Fernsehsendungen.
   
Der eigentliche Skandal bei der Berichterstattung über die mit Schusswaffen begangenen Verbrechen ist, dass die vermeintliche Gefahr durch legale Schusswaffen, deren Besitzer genauestens behördlich überprüft, registriert, und reglementiert werden, in weiten Teilen medial konstruiert ist. Illegale Schusswaffen, ihr Handel, ihr Schmuggel und ihre Verwendung bei Verbrechen spielen hingegen medial so gut wie keine Rolle, obwohl es allein in Deutschland davon zwischen 20 und 40 Millionen gibt. Damit wird nicht nur ein falsches Bild der Inneren Sicherheit entworfen und Aufmerksamkeits- und andere Ressourcen von viel wahrscheinlicheren Kriminalitätsphänomenen abgezogen, sondern es wird auch die Passivität der Behörden, gegen gefährliche Kriminelle konsequent vorzugehen medial „gedeckt“.
  
Resümee
Medien verschweigen bestimmte Skandale und erzeugen oder verstärken andere Skandale nicht im Sinne einer gemeinsamen gigantischen Verschwörung und Absprache. Aber erstens gibt es das kommunikationswissenschaftlich beschriebene Phänomen der Schweigespirale (verkürzt gesagt: man schweigt mit scheinbar unpopulären Meinungen und macht sie dadurch erst unpopulär, weil sie schließlich niemand mehr äußert) und zweitens bedarf es gar keiner Absprache, weil viele Medienschaffende jeweils aus ähnlichen Einstellungen heraus ihre Partikularinteressen artikulieren und sich in Teilen auch – ob gerne oder nicht – von Teilen der Politik instrumentalisieren lassen. Notfalls – so denken Behörden und Politiker allzu oft – schützt man den Bürger eben auch vor etwas, das ihn gar nicht gefährdet, wenn es bloß nichts kostet und keine öffentlichen oder parteiinternen Streitigkeiten oder Konflikte mit einflussreichen Interessengruppen verursacht. Dem Leser und Zuschauer bleiben zwei entscheidende Einflussmöglichkeiten gegenüber Skandalmedien: wirtschaftliche Konsequenzen (abschalten oder abbestellen), Protest (bei und über Skandalmedien) und vor allem – wirkliche Skandale selbst beim Namen nennen.
  
Gastbeitrag