Präzisionskiller Rückstoßbremse?

Wofür brauchen Jäger Rückstoßbremsen? "Wer mit den starken Kalibern nicht zurecht kommt, soll eben nicht damit schießen". "Man braucht das Gewehr nur fest genug in die Schulter zu nehmen, dann gibt es keinen Rückstoß". "Das Gewehr muß nur schwer genug sein, dann gibt es keinen Rückstoß". "Rückstoßbremsen verringern die Präzision". "Rückstoßbremsen vermindern die Mündungsenergie." "Rückstoßbremsen bremsen das Geschoss". ... Das alles ist falsch. Der einzige Grund, der wirklich gegen Rückstoßbremsen spricht ist, dass sie vermeintlich so schwer zu bekommen sind.
Der Verfasser dieses Beitrages hatte sich eine Mauser M03 Extreme in .300 Winchester Magnum kaufen wollen. Die Mauser M03 war gesetzt, denn ich hatte schon eine solche Waffe in .308 und war nicht nur an deren Handhabung gewöhnt, sondern auch an den extrem weichen Schloßgang und die durch Lauferwärmung, Schmutz und andere Einflüsse scheinbar unverminderbare Präzision. Ein Extreme-Modell mußte es sein, weil ich Holzschäfte und Schaftbacken einfach nicht mag und Mauser in den Griffzonen einen warmen und weichen Kunststoff verwendet, der die Waffe sicher in der Hand liegen läßt.
                       
Aber das Kaliber. Es sollte eine Waffe in einem Kaliber sein, das über eine gestreckte Flugbahn und eine hohe Energie auch noch in 300 m Entfernung verfügt und am besten überall auf der Welt und bei vielen Munitionsherstellern erhältlich ist sowie nicht außerordentlich teuer ist. Speziell für die Auslandsjagd – zunächst auch auf entfernter stehende Antilopen – sollte die Waffe geeignet sein. Wie üblich habe ich das Buch von Rosenberger und einige Zeitschriftenartikel zu Rate gezogen. Die 1963 erstmals vorgestellte Patrone ist für meine Zwecke offenbar sehr gut geeignet. Die Geco-Patrone, die ich zunächst in Deutschland am Schießstand schießen will, verfügt über Geschoßgewicht von 11 Gramm (170 Grains), eine Mündungsenergie von 5.016 Joule und eine Energie auf 300 m von noch gut 2.403 Joule. Aber der Rückstoß?
                                                           

               300 Win Mag und 308                  


Bei militärischen und polizeilichen Präzisionsschützen ist es weitgehend undenkbar, dass die Belastung für den Schützen unnötig groß ist. Selbstverständlich werden Rückstoßbremsen eingesetzt. Niemand würde in diesem Zusammenhang behaupten, die Präzision würde geopfert, man könne die Waffe ja fester in die Schulter nehmen oder eben einfach ein anderes Kaliber verwenden. Warum sieht man also so wenig Jagdgewehre mit Rückstoßbremsen? Ich werde es bald verstehen.
                   
Den ersten Schützen, den ich an einem Schießstand mit einem Rückstoßbremse sehe ist ein älterer Herr. Er verträgt den Rückstoß nicht mehr so gut, sagt er. Er hat sich deshalb in einem Spezialgeschäft eine Rückstoßbremse aufschrauben lassen. Die hat aber nicht gut gehalten und es mußte mehrfach nachgebessert werden. Inzwischen hält sie. Die Bremse sieht furchtbar aus: riesig groß und eckig. Sie scheint gar nicht zu einem Gewehr zu passen. Ich weiß, das Aussehen ist nicht alles, aber mit so einer Konstruktion möchte ich einfach nicht herumlaufen und die nachträgliche Anpassung scheint ja auch schwierig gewesen zu sein. Ich frage nicht weiter. 
Ich suche im Internet nach einer geeigneten Bremse und stoße auf die Seite von Lutz Möller. Das hört sich plausibel an, was er schreibt. Er hat auch Berichte von Jägern mit seiner Bremse online. Die hören sich ebenfalls gut an. So ganz kann ich es aber nicht glauben, wie stark die Bremsen den Rückstoß reduzieren. Aber ich würde schon zufrieden sein, wenn sie es so einigermaßen täten. Ich kaufe die Bremse.
                            
Dann frage ich in einem großen Jagdgeschäft nach. Zuerst technische Enttäuschung: Nein, die Bremse nehme der guten Waffe die Präzision weg und mache den Schußknall lauter. Man könne ja statt dessen einen Kick-Stop einbauen. Dann die terminliche Enttäuschung: Die Lieferzeit für die Mauser M03 sei lang, wenn ich werksseitig ein Gewinde für die Bremse in den Lauf geschnitten haben möchte, werde sie noch länger. Es böte sich ein Matchlauf an, der keine Visierung aufweist, der dürfe aber noch nicht ausgehärtet sein, denn danach könne man kein Gewinde mehr schneiden. Und leider könne man auch nur ein Gewinde in einer bestimmten Länge schneiden. Man muß dann eben eine Hülse aufschrauben, die das Gewinde bedeckt, das die Rückstoßbremse frei läßt. Ich bleibe dabei und warte eben noch länger auf das Gewehr.
                                     
Einige Monate später. Die Waffe mit der montierten Bremse kommt. So schlimm wie ich befürchtet hatte, sieht es nicht aus.
 
                    
                                                   
  
Ich lasse einen Büchsenmacher das Zielfernrohr anbringen, ein Zeiss Victory Diavari 3-12x56, und die Waffe einschießen. Eine hervorragende Präzision, sagt er, als er die Waffe bringt. Und kein Rückstoß. Das muß ich selber ausprobieren. Er hat recht. Ich nehme die .308 gleichen Typs mit (ebenfalls mit der Geco-Patrone). Die .308 hat eigentlich keinen Rückstoß, aber die .300 Win Mag hat gar keinen. Die Büchse ist präziser, als ich insbesondere jagdlich aufgrund meines persönlichen Leistungsvermögens eigentlich nutzen kann. Der Schußknall kann lauter sein. Unter dem Gehörschutz kann ich das kaum unterscheiden. Die Waffen anderer Schützen um mich herum klingen mindestens so laut. Die Waffe ist recht schwer, aber dafür ist hauptsächlich der schwere und lange Lauf verantwortlich und nicht die Bremse. Und bei der Schußabgabe schlägt mir im Gegensatz zur .308 schnell eine Pulverwolke entgegen. Aber das stört mich eigentlich nicht sehr. Das Wesentliche ist: Ich kann das starke Kaliber sehr präzise und ohne Rückstoß ganz ruhig und entspannt schießen. Die Mehrkosten für Gewinde, Montage und Bremse lagen bei unter 300 Euro. Es geht doch.
   
    
Literatur Kaliber 300 Win Mag
- Manfred Rosenberger: Jagdpatronen. Geschichte, Ballistik, Verwendung. Stuttgart 2005.
- Hans J. Heigel: Siegertyp. Wiederladen 300 Winchester Magnum. In: Das Deutsche Waffenjournal. 8/2008.