Chris Kyle. American Sniper. Rezension.

Der Texaner Chris Kyle diente zehn Jahre lang bei der US-Spezialeinheit Navy Seals (1999-2009) und nahm an vier Einsätzen im Irak teil. Er ist mit 160 offiziell verbrieften Abschüssen der erfolgreichste Scharfschütze der US-Streitkräfte. Nach seinem Abschied aus der Navy gründete er eine Sicherheitsfirma, engagierte sich für Veteranenangelegenheiten und veröffentlichte seine Autobiographie "American Sniper" bis er im Februar 2013 von einem anderen Veteranen auf einem Schießplatz erschossen wurde.
"American Sniper" ist ein kurzweiliges Buch mit ein paar Einblicken in die Arbeit der Seals und der US-Scharfschützen. Nicht mehr und nicht weniger. Man gewinnt wenig Wissen, das man sich nicht auch anderswo besorgen könnte - schon gar nicht über Scharfschützentaktik - und sprachlich ist das Buch auch kein Meisterwerk. Aber es macht Spaß, zu lesen und ist zumindest für deutsche Verhältnisse erfrischen politisch unkorrekt. Alles in allem ein guter Kauf.
      
Kyle setzt u.a. folgende Waffen ein: Die Selbstlader Mk-12 (Kal. 5.56 x 45 mm) und Mk-11(7.62 x 51 mm) sowie Repetiergewehre in .300 Win Mag (mit MacMillan- und zuletzt mit Accuracy International Schäften) und .338 Lapua (verschiedene Hersteller). Als Pistole verwendet er erst die dienstlich gelieferte Sig Sauer P226 im Kaliber 9x19, dann seine eigene Springfield TRP Operator im Kaliber .45 ACP, dann eine Sig P220. Sein Grund für den Kaliberwechsel ist simpel: "wenn man im Gefecht eine Pistole benutzen muss, ist die Kacke schon mächtig am dampfen. Man hat nicht unbedingt die Zeit, um genau zu zielen. Die größeren Patronen töten deinen Feind vielleicht nicht, aber sie sorgen eher dafür, dass er zu Boden geht, wenn man ich  trifft." Als Messer nimmt er einen Microtech Folder sowie feststehende Messer von Emerson und Benchmade.
   
Kyle beschreibt seine Empfindungen, als er in die Schlacht von Falludscha abkommandiert wird, wo er eine polnische Spezialeinheit der GROM unterstützt: "Mann, das wird klasse, dachte ich. Wir werden ganze Horden von Schurken kaltmachen. Und ich mittendrin."
Dieser zweite Kampf um Falludscha 2004 lässt die Amerikaner auf eine festungsartig ausgebaute Stadt treffen - viele Häuser sind durch "Rattenlöcher" (Wanddurchbrüche) miteinander verbunden, Tunnels sind angelegt, Sprengfallen eingesetzt und Minen gelegt, die 200 Moscheen zu Festungen ausgebaut usw. Die Amerikaner riegeln die Stadt ab und treten zum Angriff an. Im Schwerpunkt die erste Marine Division - mit Seal-Scharfschützen eingebunden in die Angriffstrupps. Kyle beginnt seinen Einsatz aus einem Apartmenthaus-Komplex, aus dem die 250 Bewohner vertrieben werden und greift mit seiner .300 Win Mag in den Kampf ein. "Während ich aus dem Fenster blickte, fieberte ich dem Beginn der Schlacht gespannt entgegen. Ich wollte ein Ziel. Ich wollte jemanden erschießen." Als die irakischen Aufständischen sich in Hinterhalten den Marines entgegenstellen, schalten Scharfschützen wie Kyle einige aus "Beim Zielen hatte ich immer beide Augen offen. Mit dem rechten Auge blickte ich durch das Zielfernrohr, mit dem linken sah ich auf die übrige Stadt. So behielt ich das Gesamtbild besser im Blick". Die Marines kämpfen sich in Falludscha vor und Kyle verlagert seinen Platz in neu genommene Häuser. Jetzt schießt er - meist von Dächern aus - mit einem Selbstlader auf kürzere Entfernung.
Auffallend ist nicht nur, dass Falludscha mit Waffen aller Generationen, meist östlicher Bauart, vollgestopft ist, sondern auch, dass viele der Moslemextremisten mit Drogen und Medikamenten vollgestopft sind: "Man konnte das manchmal sehen, wenn man sie erschoss. Manche wurden von etlichen Kugeln getroffen, scheinbar ohne es zu merken. Es trieb sie also mehr als Glaube und Adrenalin an, auch mehr als Blutdurst."
Kyle wird durch eine einstürzende Mauer verletzt, geht aber wieder einmal nicht zum Arzt, denn "Wer zum Arzt geht, wird aus dem Verkehr gezogen". Kyle tötet in Falludscha im Schnitt zwei bis drei Menschen am Tag. Als der Kampf sich in das Innere der Häuser verlagert, kämpft er an der Spitze einer Marines-Einheit. So geht es Haus und Haus vorwärts und sie töten eine Vielzahl von Gegnern, darunter auch Moslemextremisten aus Tschetschenien, und heben Folterkeller der Moslems aus.
    
Kyle schildert auch die sinnlose Absicherungsbürokratie der US-Streitkräfte: Protokolle über seine Abschüsse muss er schon deshalb führen und bezeugen lassen, um der Militärgerichtsbarkeit zu entgehen bzw. seine Vorgesetzen abzusichern. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Maßnahme damals ausschließlich den Zweck erfüllte, irgendeinen Bürokratenhintern abzusichern. ... Eine tolle Methode; Krieg zu führen - mach dich darauf gefasst, dich im Falle des Sieges rechtfertigen zu müssen".
Kyle kämpft sich in mehreren Einsätzen durch den Irak, macht nach Falludscha auch Kämpfe in Ramadi mit und erlebt erst in Sadr City seine eigene Verwundbarkeit: Er wird kurz hintereinander am Gefechtshelm und der ballistischen Weste getroffen und gerät in einen massiven Hinterhalt, aus dem er knapp entkommen kann, als Verstärkung eintrifft: jene Nacht jagte mir eine gewaltige Angst ein. Damals erkannte ich, dass ich keine übermenschlichen Kräfte besaß. Ich konnte durchaus sterben."
Einer seiner Freunde wird verwundet, erblinde und stirbt. Zwei andere fallen.
                  
Schließlich scheidet Kyle aus, es geling ihm und seiner Frau, ihre Ehe zu retten, und er ist Mitgründer von Craft, eines Unternehmens, dass Behörden Scharfschützenausbildung anbietet und einer Organisation, die verwundeten und traumatisierten Veteranen hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Sie treffen sich u.a. auf den weitläufigen Ranches in Texas, gehen zur Jagd, gehen Schießen, quatschen und verbringen Zeit miteinander. Er überschreibt dieses Kapitel mit "Etwas zurückgeben". Kyle tut genau das. Er hilft, vielen Kriegsversehrten etwas zurückzugeben. Damit endet das Buch. Und damit endet auch Kyles Leben, denn er wird bei einem solchen Training auf dem Schießplatz 2013 getötet.
               
Was ist schlussendlich von Kyles Buch zu halten? Er tötet ohne viel Regung wohl weit über 160 Gegner - die meisten fanatisierte irakische Moslemextremisten, die die amerikanischen Soldaten mit Schusswaffen, Sprengstoff und Raketen töten wollen. Sehr viel. Kyle sucht sich wie er sagt den Krieg und die Kämpfe nicht aus. Er wird von der Regierung seines Landes mit der Billigung des Parlamentes in den Krieg geschickt und dort kämpft so wie er es in den Streitkräften dieses Landes gelernt hat. Professionell und präzise und mit dem Ziel, zu siegen. Wem das nicht gefällt, der darf keine Soldaten in einen Krieg schicken. Und keine Partei wählen, die das tut. Und keine Steuern bezahlen, damit Männer wie Kyle ausgebildet werden, das zu tun, was sie in unser aller Namen tun.  Besser wäre es allerdings, es würden einem die Warlords, Moslemextremisten und Diktatoren und alle ihre Helfer nicht gefallen, ohne die der Einsatz von Seals und anderen Soldaten unnötig wäre.
     
Chris Kyle: Sniper. 160 tödliche Treffer - der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus. München 2012.

Verweise
- Scharfschützen und Spezialkräfte im Falklandkrieg
- Scharfschützen im Sezessionskrieg
- Four legendary Sharpshooters
- Scharfschutzen, Designated Marksmen und Sturmgewehrschützen