Die Anzahl der Jagdbücher, die neu auf den Markt kommen, ist schon überschaubar. Wenn man etwas lesen möchte, das nicht Erlebnisse aus den 60er Jahren oder noch weiter zurück betrifft, wird die Auswahl noch kleiner. Da ist es um so erfreulicher, dass es mit "Fair Chase. Sportliche Jagd in Europa" jetzt ein fantastisches neues Buch gibt, dessen Handlung 2010 bis 2016 stattgefunden hat.
Es sind nicht die häufig genug langweiligen und gleichzeitig teuren Jagdreisen nach Polen, Ungarn oder Tschechien, die hier beschrieben werden, sondern solche Ziele wie die französischen Pyrenäen, Norfolk in England, schwedisch Lappland oder Kärnten in Österreich und es geht immer um Pirschjagd.
Die Tierarten sind naturgemäß wenig exotisch, jedenfalls größtenteils. Es sind Rot- und Rehwild, Fuchs und Gamswild, denen der Verfasser nachstellt. Aber auch Steinwild, Biber, Auer- und Birkhahn und sogar Moschusochse. Soweit zwar ein Erleben, das über das des durchschnittlichen Jägers deutlich hinausgeht, aber noch nichts Herausragendes.
Anders verhält es sich mit den Kenntnissen und Erfahrung, der Reflektion und der Sprache des Verfassers. Man legt das Buch nicht mehr aus der Hand, wenn man ein Mal angefangen hat, zu lesen. Es ist unzweifelhaft spannend geschrieben und es ist ehrlich. Deshalb ist hier sogar ein tagelanger Marsch in den Bergen Sloweniens, der mit einem Fehlschuss endet, lesenswert. Aber natürlich bleibt es nicht dabei. Der Verfasser bejagt die Wildarten häufiger, besucht die Länder öfter und erlebt jedes Mal mehr als die meisten anderen Menschen.
Erstaunlich ist, wie sehr er sich jeweils auf seine lokalen Jagdgefährten, seine Gastgeber und die Bevölkerung einlässt und nicht nur unzählig viele Eindrücke nahezu aufsaugt, sondern auch erklären kann. So nimmt er z.B. an Gesellschaftsjagden in Frankreich, Schüsseltreiben in Österreich, einer harten Nachsuche in Spanien und sogar einer Bergrettungsaktion in Schottland teil. Jedes Mal ist es nicht "nur" Jagd, sondern ein kleines oder großes Abenteuer, was er erlebt...
Der atmosphärisch dichten Schilderung des Erlebens der 14 ausländischen und zwei deutschen Erlebnisse in den sechs Jahren schließen sich nützliche, spannende und vor allem lehrreiche Kapitel über Ausrüstung, Training und Auswahl der passenden Jagdreise an. Gerade dieses Wissen ist erheblich kostbarer, als die wenigen Euro, die dieses eBook bei Amazon kostet.
Und quasi als Digestif nach all den Schilderung und guten Ratschlägen erklärt Hartwig van Helmers noch, warum es gleichzeitig waidgerechte Jagd nach deutschem Verständnis und trotzdem "good sports" nach angelsächsischem Empfinden sein kann. "Fair Chase" ist von daher nicht nur eine gute Position zur Jagd, die international verstanden und akzeptiert wird, sondern auch noch Programm.
Hartwig van Helmers: Fair Chase. Sportliche Jagd in Europa. 2016. (7,99 Euro)
Erhältlich hier bei amazon.de