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Mugabes Simbabwe: Innenansichten einer Diktatur


Nach dem Ende des Rhodesischen Staates 1980  und dem Sieg von Mugabes Truppe ZANU über andere Unabhängigkeitsbewegungen, ging der ehemalige Guerillaführer dazu über, ein repressives System zu installieren, das seine Landsleute ruinierte und entrechtete. 2010 offen gelegten Wikileaks-Dokumente – speziell ein Bericht von Christopher Dell, US-Botschafter in Simbabwe, aus 2007 – zeigen, wie die USA die Lage beurteilen.
Seit über 20 Jahren liest man in der westlichen Presse von der Enteignung weißer Farmer durch Mugabes Gefolgsleute und die damit einhergehende Agonie von Landwirtschaft, Viehzucht und Tourismus. Mugabes angeblich schwere Erkrankung, über die Ende Januar 2011 in den Medien berichtet wurde, soll Anlass für einen Blick nach Simbabwe hinein sein.
Interessant ist, dass Mugabes Landreform, der auch anderorts in Afrika – z.B. im Keim in Namibia und Südafrika – offene oder versteckte Sympathie entgegen gebracht wird, nicht nur tausende weiße Farmer zum Opfer fielen, sondern ebenso schwarze Landbewohner. So schreibt Botschafter Dell: „While thousands of white farmers saw their properties seized, hundreds of thousands of black Zimbabweans lost their livelihoods and were reduced to utter poverty.”                  

In seinen Schreiben stellt Dell weiter fest, dass Mugabe so lange politisch überlebt hat, weil er gerissener und skrupelloser als alle seine innenpolitische Gegner war und es ihm regelmäßig gelingt, sein Gegenüber in die Defensive zu drängen: „To give the devil his due he is a brilliant tactician and has long thrived on his ability to abruptly change the rules of the game, radicalize the political dynamic and force everyone else to react to his agenda.”
Anders als Dell voraussagt, ist Mugabes Regime seit 2007 nicht unter dem Druck der permanenten Wirtschaftskrise und der wachsenden Verelendung weiter Bevölkerungskreise zusammengebrochen. Bislang konnten auch weder eine weitgehend nicht effektiv bekämpfte Cholera-Epidemie mit über 4.000 Toten noch neue Inflationsrekorde Mugabes Macht brechen. Auch fortwährende Spekulationen und teilweise glaubhafte Berichte in den Medien darüber, dass Mugabe und sein Clan persönlich in illegale Geschäfte verwickelt sind – so etwa in den illegalen Diamantenhandel und professionelle Wilderei – führten nicht zu einer internationalen Ächtung. Ähnliches gilt offenbar für die in erhebliche Schwarzmarktgeschäfte und in systematische Plünderungen verwickelte Polizei Mugabes.
                 
Robert Mugabe "The Old Man" (86)
                   
Dells Vorstellung, dass Mugabe am besten dadurch entmachtet wird, dass freie, gleiche und geheime Wahlen unter internationaler Aufsicht stattfinden, erscheint unrealistisch – auch wenn Dell Südafrikas ex-Präsident Thabo Mbeki in diesem Prozess eine Schlüsselrolle zuschreibt. Zu deutlich hat sich Mbeki als Unterstützer Mugabes gezeigt. Auch nach der Amtsübergabe in Südafrika von Mbeki auf Jacob Zuma ist kein Paradigmenwechsel im Hinblick auf Simbabwe erkennbar.
Die Beziehungen der ehemaligen Guerillaorganisationen ANC in Südafrika und Zanu-PF in Simbabwe, deren Denken jeweils noch zu sehr aus dem bewaffneten Kampf gegen weiße Regierungen abgeleitet ist, sind nach wie vor zu eng. Einige afrikanische Medien vermuten gar, dass die Ablösung von Mugabes Zanu von den demokratischen Oppositionen oder auch Teilen der Bevölkerung der Regierungen Südafrikas aber auch Namibias (SWAPO) als Signal der Ablösung der ehemaligen Bürgerkriegs-Sieger gesehen werden könnte. So wie das jüngste Ende von Tunesiens autokratischem Herrscher auch für Unruhe in Libyen und Ägypten sorgt, so befürchten auch andere, ehemals erfolgreiche Guerillaführer, dass anhaltender wirtschaftlicher Misserfolg nicht mehr über populistische „Landreformen“ reguliert erden kann, sondern am Ergebnis gemessen wird und unter Umständen zu ihrer Ablösung führen könnte.
                    
Ehefrau Grace Mugabe (46) Grabbin' Grace
                   
Die USA wollen Südafrika auch offenbar nicht weiter zugestehen, das marode Regime in Simbabwe zu stützen, um eine scheinbare regionale Stabilität zu bewahren – letztlich auf Kosten der Bevölkerung in Simbabwe („we must guard against letting Pretoria dictate an outcome which perpetuates the status quo at the expense of real change and reform”).
                       
Als einzig ernstzunehmenden innenpolitischen Gegner Mugabes, der auch massentauglich ist, betrachten die USA offensichtlich Oppositionsführer Morgan Tsvangirai („only player on the scene now with real star quality and the ability to rally the masses. But Tsvangirai is also a flawed figure, not readily open to advice, indecisive and with questionable judgment in selecting those around him.”). Er sei aber nicht in der Lage, das Land nach Mugabe selbst zu führen. Aus eigener Kraft kann die Opposition nach US-Meinung auch nicht erfolgreich sein.
Selbst innerhalb Mugabes Organisation gebe es zunehmend kritische Stimmen, aber Kontakte des Botschafters zur Zanu stellen fest, dass es keine Aussicht auf Änderung gibt, so lange der „Old man“ an der Macht bleibt – eine fast nach dem Endstadium der DDR klingende Formulierung.
Die Macht scheint er auch keineswegs abgeben zu wollen – dagegen sprechen „his ego and belief in his own infallibility.“ Seine inzwischen 18 Doktorwürden würden ihn ernsthaft dazu veranlassen, wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten selbst bestimmen zu wollen. Im Gegenteil rechnet Dell damit, dass Mugabe bis zuletzt kämpfen wird („he will not go quietly nor without a fight. He will cling to power at all costs"). Allerdings sei Mugabe inzwischen auch nicht mehr gewohnt, wenn Gegner sich ihm massiv widersetzen würden.
Wenig überraschend ist die Feststellung, dass nahezu alle potenziellen Oppositionellen zu wenig Format haben, das Ruder herumzuwerfen, sondern sich inzwischen jeder nahezu brauchbare Geschäftsmann, Politiker, Unternehmen etc. im Ausland befindet: „They are the opposition’s natural allies“.
             
Alternative Szenarien sind deshalb
1) dass Mugabe einsieht, dass er die Macht abgeben muss, um als freier Mann zu sterben – was allerdings wie dargestellt unrealistisch ist ("The only scenario in which he might agree to go with a modicum of good grace is one in which he concludes that the only way to end his days a free man is by leaving State House”)
2) dass ein vermutlich blutiger Bürgerkrieg ausbricht, der den Sturz seines Regimes nach sich zieht – selbst wenn Mugabe überraschend sterben oder getötet oder abgelöst werden sollte („a popular uprising would inevitably entail a bloodbath, even if it were ultimately successful; Mugabe’s sudden, unexpected death would set off a stampede for power among ZANU-PF heavy weights … . Similarly, some form of 'constitutional coup' i.e., a change at the top engineered within the framework of ZANU-PF’s 'legitimate' structures could well prove to be merely the opening bell in a prolonged power struggle”)
3) dass Mugabe sich auf eine Rumpf-Herrschaft über die Hauptstadt und wenige Gebiete stützt und einige noch ertragreiche Schlüsselindustrien kontrolliert, während das Land und seine Bevölkerung ohne internationale Hilfe verhungern („that Mugabe concludes he can settle for ruling over a rump Zimbabwe … the critical forces of the National Reserve Force and CIO and a few key assets - gold, diamonds, platinum and Air Zimbabwe to fund the good times. Under this scenario the rest of the country, in one of the comrade’s favorite phrases, could ‘go hang’”).
                              
Es scheint an der Zeit, dass weder Mugabe, noch ihn – aus vordergründig ideologischen Motiven – stützende Kräfte in Nachbarländern – so etwa andere ehemalige Guerillas vom ANC bis zur SWAPO – auf ein Wegschauen oder gar die Toleranz des Westens hoffen dürfen. Wenn schon die Entrechtung der meist weißen Farmer kriminell war, so waren es die billigend in Kauf genommenen Folgen für die wirtschaftliche Situation der schwarzen Mehrheit erst recht. Mit dem Thema Landreform wird im südlichen Afrika zuletzt wieder gerne „gespielt“ und das Nicht-Funktionieren und die gravierende Korruption der Polizei wird ebenso gerne übersehen – insbesondere, wenn Freudenereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft stattfinden (allerdings unter massivem Aufgebot ausländischer staatlicher und privater Sicherheitskräfte). Mugabe scheint zu zeigen, wie lange man damit durchkommen kann. Es bleibt abzuwarten, wie krank er ist und ob er in der Lage sein wird, seine Macht weiter uneingeschränkt auszuüben.

Verweise & Literatur
Rhodesiens Krieg 1965-80
Südafrikas Kriege: Gegen ANC und SWAPO
Reporter ohne Grenzen (Mugabe unter "Feinde der Pressefreiheit")
Hans-Joachim Löwer: Im Land des Hasses. Undercover durch Simbabwe. 2008.