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Die Patrone 9,3 x 62 – ein aktueller Klassiker

Die Patrone 9,3 x 62 ist bei deutschen Jägern nach wie vor beliebt und dieses Kaliber wird wegen der Bedeutung deutscher Jagdwaffenhersteller auch nach wie vor häufig bei Neuwaffen angeboten. Die 9,3 x 62 ist nicht nur eine alte Patrone, sondern auch eine mit einer besonderen, deutschen Geschichte. Von ihrer Leistung und Verwendbarkeit her bleibt sie aktuell.
Nicht erst mit dem Erwerb der deutschen Kolonien Deutsch Südwest-Afrika 1884-85 (heute Namibia und der Südrand des Caprivi-Zipfels Botswana), Deutsch Ost-Afrika (Tansania, Teile in Ruanda, Burundi, Mosambik), Kamerun (Kamerun, Teile in Nigeria, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Kongo, Gabun) und Togo (Togo, Ghana) siedelten Deutsche in Afrika und jagten, um sich zu ernähren oder ihr Land und ihr Vieh zu schützen.
Aber eine größere Zahl Deutscher siedelte naturgemäß nach Gewinnung der Kolonien in Afrika, die Schutz, Rechtssicherheit und Infrastruktur für die Siedler versprachen. Nach Südwest-Afrika kamen beispielsweise bis 1914 rund 12.000 Deutsche, um dort dauerhaft zu bleiben. Hinzu kamen u.a. Soldaten, Händler, Kolonialbeamte und Ingenieure, die dort meist für eine zeitlich begrenzte Aufgabe lebten. An die Jagd auf das afrikanische Wild mußten sich die Jagdwaffen dieser Deutschen anpassen. Der Berliner Büchsenmacher Otto Bock entwickelte um 1905 speziell für deutsche Kolonialisten aus der Hülse der Militärpatrone 8 x 57 IS eine Laborierung für die Jagd auf schweres afrikanisches Wild wie Großantilopen.
Der Wert der Patrone wurde auch von heimischen Jägern erkannt und anders als die Militärpatrone 8 x 57 IS wurde Otto Bocks Laborierung auch in der Zwischenkriegszeit nach 1918 nicht als Militärpatrone im Versailler Vertrag Zivilisten untersagt.
Die Bedeutung der 9,3 x 62 als Afrika-Patrone ließ schließlich weniger durch den Verlust der deutschen Kolonien 1918 nach, als vielmehr durch den zeitweiligen Niedergang der europäischen Jagdwaffenindustrie (z.B. Demontage von Mauser und den Herstellern in Suhl) und den Rückgang europäischer Jäger nach 1945 zu Gunsten eines wachsenden amerikanischen Einflusses in Afrika.

Leistung
Die Patrone 9,3 x 62 weist zwei zeitlose Vorteile auf: Erstens kann sie in einem normalen Mauser-System verwendet werden und benötigt kein (teureres) Magnum-System und zweitens können für das Kaliber 9,3 x 62 kurze Läufe verwendet werden, ohne nennenswerte Leistungseinbußen. An Fabrikmunition (z.B. RWS, Norma, Blaser, Geco) und Geschossen für Wiederlader herrscht kein Mangel. Die internationale Bedeutung deutscher Jäger zeigt sich auch an zwei aktuellen Entwicklungen: Auf der Internationalen Waffenausstellung (IWA) 2010 präsentierten auch die US-Firmen Hornandy und Federal neue Patronen im Kaliber 9,3 x 62 (sowie in 9,3 x 74R).
Der Rückstoß der 9,3 x 62 ist von einem Durchschnittsschützen mit einer gewissen Gewöhnung noch gut beherrschbar und gleicht eher einem „Schieben“ als dem „Treten“ der Magnums. Die einzig nennenswerte Einschränkung der Patrone ist dementsprechend ihr Leistungsabfall auf größere Distanz (ab etwa 150 m).
Manfred Rosenberger urteilt in seinem Standardwerk „Jagdpatronen“ dementsprechend: „... hat sich die 9,3 mm x 62 in Europa auf Rotwild, Sauen und Elch sehr bewährt und im Laufe der Zeit etliche Befürworter gewonnen, die nicht der Magnum-Manie verfallen sind“.

Die Leistungsdaten der 9,3 x 62 sind (alle für die Patrone Uni Classic von RWS) im Vergleich zur .300 Win Mag und .375 Holland & Holland Magnum:

Kaliber: 9,3 x 62 > .300 WM > .375 H & H
Geschoßgewicht: 19 g > 11,7 g > 19,4 g
Gasdruck: 3.900 bar > 4.300 bar > 4.300 bar
GEE: 156 m > 192 m > 161 m
Mündungsenergie: 5.202 Joule > 5.169 Joule > 6.085 Joule
Energie 100 m: 4.393 Joule > 4.217 Joule > 4.832 Joule
Energie 200 m: 3.687 Joule > 3.406 Joule > 3.796 Joule
Mündungsgeschwindigkeit: 740 m/sec > 940 m/sec > 790 m/sec
Geschwindigkeit 100 m: 680 m/sec > 849 m/sec > 704 m/sec
Geschwindigkeit 200 m: 623 m/sec > 763 m/sec > 624 m/sec
Kosten 20 Patronen: 81 EUR > 74 EUR > 91 EUR
Alle Angaben nach Frankonia, Katalog 2009/2010

Schon die Betrachtung der „Papierdaten“ macht deutlich, daß sich die 9,3 x 62 nicht zu verstecken braucht, auch nicht vor ihrer Konkurrentin .375 H & H: das Geschoßgewicht ist unwesentlich geringer und die Entfernung nivelliert weitgehend die Energie- und die Geschwindigkeitsdifferenz auf in der Praxis zu vernachlässigende Werte.
Mit Recht verweist deshalb Craig Boddington in der Zeitschrift „Guns & Ammo“ darauf wie nah die 9,3 der .375 kommt, obwohl das seinen amerikanischen Landsleuten nicht bewusst ist: „Its problem is that few people in America know anything about it.”
Der Vergleich zeigt aber auch, warum die 9,3 x 62 sich angenehmer schießen läßt (geringerer Gasdruck) und, daß sie eben im Vergleich zur Weitschußpatrone .300 Win Mag nicht besonders geeignet für weite Entfernungen ist. Auch der oft vermutete Kostenunterschied zum „Militärkaliber“ .300 Win Mag ist für die meisten modernen Jagdgeschosse zu vernachlässigen.

Verwendung
Gregor Woods verweist zu Recht darauf, daß der weit überwiegende Teil der Jagd in Afrika nicht von Reisenden aus Europa oder den USA betrieben wurde, sondern von Buren, Deutschen, Briten und anderen Jägern, die in Südafrika, Südwestafrika (Namibia), Rhodesien (Simbabwe), Kenia oder Tansania lebten: „They shot the lion and the leopard that threatened their livestock. They shot plains game to feed themselves and their staff, and they shot what ivory was legally permitted and sold it to help them though the drought and lean years. Many East African farmers owned double rifles, but they did the majority of this work with bold-action Mausers in 9,3 x 62 and .404 Jeffrey.”
Für den weit überwiegenden Teil der deutschen Jäger mit gelegentlichen Jagdreisen bleibt die 9,3 x 62 auch deshalb eine gute Wahl, weil sie sich gleichermaßen in Deutschland und auf der Reise einsetzen läßt. Denn sie ist zu Hause nicht so „übermotorisiert“ wie z.B. eine .338 Winchester Magnum oder .375 H & H Magnum, und ihre Munition ist nicht so teuer und sie läßt den Jäger deshalb mit einem vertrauten Kaliber jagen und entspricht auch der Realität der allermeisten Auslandsjagden. Die Kosten einer Jagd auf die Big Five, für die in den meisten Staaten .375 H & H Mag als Mindestkaliber vorgeschrieben ist, machen solche Vorhaben für den Großteil der Jäger schwer möglich. Zum weit überwiegenden Teil jagen sie statt dessen Steppenwild, Schweine oder seltener auch Raubkatzen wie Leopard und häufig sind die Distanzen eben nicht jenseits der 150 Meter, z.B. im afrikanischen Busch oder skandinavischen oder nordamerikanischen Wald. Für weite Schüsse ist eine zweite Waffe oder bei Wechselsystemen wie Mauser, Blaser und Sauer ein zweiter Lauf in einem Kaliber mit gestreckter Flugbahn wie der .300 Win Mag heute mit Flugzeug und Geländewagen und selten mehr als 10 Jagdtagen ohne weiteres mitzuführen.

Quellen
  • Gregor Woods: Rifles for Africa. Long Beach, Kalifornien 2002.
  • Manfred R. Rosenberger: Jagdpatronen. Stuttgart 2005.
  • Craig Boddington: A Most Marvelous Metric. In: Guns & Ammo Dezember 2002.