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Kurzwaffen im jagdlichen Einsatz – Hinweise eines Sportschützen

(Gastbeitrag) Gleißend brennt die Sonne über der texanischen Wüste. Auf dem weit entfernten Hügelkamm gibt ein Bankräuber seinem Pferd die Sporen. Der Sheriff zieht seinen Colt Peacemaker und schießt den Bösewicht einhändig aus dem Sattel. Szenenwechsel: Der Hafen von Hongkong; Kommissar Wu hechtet durch den Eingang des Lagerhauses, wo sich die Triadenmitglieder verbarrikadiert haben. Im Sprung feuert er die Magazine seiner beiden vergoldeten Desert Eagle, Kaliber .50 leer. Mit einer eleganten Judorolle landet er zwischen den toten Verbrechern. So oder so ähnlich haben Sie das bestimmt schon im Kino gesehen. Dass diese Szenen mit dem tatsächlichen Gebrauch von Kurzwaffen bei Sport und Jagd nichts zu tun haben, ist Ihnen hoffentlich auch bewußt.
In der Jagdausbildung spielt die Kurzwaffe oft eine untergeordnete Rolle. Häufig beschränkt sich die Erfahrung vieler Jungjäger auf fünf Schuß mit einem Revolver und einer Selbstladepistole. Dennoch nehmen viele Jäger richtigerweise ihr Regelbedürfnis von zwei Kurzwaffen in Anspruch. Wenn Sie bei einer Nachsuche oder für einen Fangschuß auf Ihre Kurzwaffe zurückgreifen müssen, sollten Sie sich vorher mit einigen Grundlagen vertraut gemacht haben. Das Schießen mit Kurzwaffen unterscheidet sich punktuell deutlich vom Umgang mit Büchse oder Flinte. So ist es für viele bereits unmöglich, mit einer kurzläufigen Selbstladepistole auf 25 Meter fünf Schuß auch nur im Schwarzen zu plazieren.
Im Folgenden beleuchte ich schlaglichtartig einige wesentliche Aspekte die beim Umgang mit Kurzwaffen zu beachten sind:
  • Haltung
  • Atmung
  • Visiervorgang
  • Abziehen
Im Anschluß folgen noch Überlegungen zu jagdlichen Gesichtspunkten.

Haltung
Zunächst – wie ist die Waffe zu halten? Vergessen Sie den einhändigen Anschlag – das funktioniert bei einer Luftpistole oder eine Sportpistole im Kaliber .22 mit ergonomisch geformtem Handgriff. Für jede großkalibrige Gebrauchswaffe empfiehlt sich unbedingt der beidhändige Anschlag. Dabei trägt die unterstützende Hand – also bei Rechtshändern die Linke – den Großteil des Gewichtes, während die Schußhand zielt und abzieht. Die Schußhand umfaßt den Griff der Waffe, wobei der Zeigefinger vollkommen frei liegt und keinen seitlichen Druck ausüben darf, um später im Schuß nicht zu verreißen. Die unterstützende Hand fügt sich von außen um die Finger der Schußhand. Dabei gilt es den Griff möglichst weit oben zu fassen, um den Abstand zwischen Armachse und Laufachse zu verringern, das reduziert die Auswirkungen des Rückstoßes sowie des Hochschlags und erleichtert das Zielen. Umklammern Sie die Waffe so fest sie können, bis Ihre Knöchel nicht mehr durchblutet werden und die Hand zittert. Reduzieren Sie den Druck jetzt ca. um ein Viertel und Sie liegen genau richtig. Ein Wort noch zum Daumen der Schußhand: Achten Sie bei Pistolen darauf, daß Ihr Daumen weit genug vom Magazinlöseknopf entfernt liegt, um im Ernstfall folgenreiche Pannen zu vermeiden. Was die Armhaltung und Fußstellung betrifft, gibt es in der Praxis unterschiedliche Ansätze. Für einen jagdlichen Schuß empfehle ich, die Arme leicht anzuwinkeln und die Füße parallel schulterbreit zu plazieren. Sie können aber auch einen Fuß nach vorne stellen, den Schußarm durchstrecken und den unterstützenden Arm stark abwinkeln. Das ist letztlich Geschmackssache und Sie sollten die beiden Varianten gelegentlich auf einem Schießstand testen.

Atmung
Wenn Sie treffen wollen, müssen Sie auch richtig atmen: Das heißt Sie atmen durch die Nase ein und gehen leicht über das Ziel hinaus. Stoßen Sie dann etwa die Hälfte der Luft wieder durch den Mund aus und wandern Sie von oben mit der Waffe in den Zielraum. Jetzt halten Sie den Rest des Sauerstoffs in Ihren Lungen, während sie präzise zielen – dann folgt die Schußabgabe. Das sollte nicht länger als zwei bis drei Sekunden dauern, da der Sauerstoffmangel sonst Ihre Präzision beeinträchtigt. Wenn Sie die Waffe absenken, atmen Sie den Rest der verbrauchten Luft aus und Sie können von neuem beginnen. Auch wenn Sie in kurzer Folge mehrere Schüsse abgeben müssen, sollten Sie zwischendurch atmen und nicht die ganze Zeit die Luft anhalten.

Visiervorgang
In aller Regel, finden Sie an Ihrer Kurzwaffe nur ein optisches Visier vor. Auch wenn die Schußdistanz wohl kaum über 10 Meter hinausgeht, müssen Sie sich mit dem Visiervorgang vertraut machen. Auch auf 10 Meter kann ein Schuß danebengehen – vor allem wenn Sie Ihn unter Streß abgeben. Die Visierlinie besteht aus drei Punkten: Kimme, Korn und Ziel. Ihr Auge ist aber nur in der Lage einen dieser Punkte zu fokussieren – das ist immer das Korn. Sowohl die Kimme als auch Ihr Ziel werden Sie nur verschwommen wahrnehmen. Um exakt zu treffen, muß sich das Korn genau mittig in der Kimme befinden. Die Lichthöfe auf beiden Seiten sollten gleichgroß sein und die oberen Kanten von Kimme und Korn müssen bündig auf einer Linie liegen. Üblicherweise sind Kurzwaffen auf eine sportliche Distanz von 25 Metern eingeschossen. Oft sind sie nicht Fleck eingestellt – so wie Sie daß vermutlich von Ihrer Büchse gewohnt sind – sondern aufsitzend. D.h. Sie visieren einen Raum unterhalb ihres Zieles an. Sportschützen schießen für gewöhnlich auf eine Zehner-Ringscheibe, bei der alle Ringe ab der Sieben schwarz sind. Der Schütze konzentriert sich auf die klar erkennbare schwarz-weiße Linie zwischen Sechs und Sieben. Das ist leichter als mitten ins Schwarze halten zu müssen. Beim Fangschuß ist das natürlich nicht relevant – Sie sollten also unbedingt auf dem Stand ausprobieren, auf welche Distanz und welchen Zielraum Ihre Kurzwaffe justiert ist. Viele Gebrauchspistolen und –revolver verfügen zumindest über eine rudimentär verstellbare Visierung, so daß Sie die Waffe auf jagdliche Anforderungen einstellen können.

Abziehen
Wenn Sie all das berücksichtigen, also wenn Sie die Waffe richtig festhalten, korrekt atmen und präzise visieren, kann doch eigentlich nichts mehr schief gehen – oder? Es kann, nämlich dann, wenn Sie den Schuß buchstäblich im letzten Moment verreißen. Noch wichtiger als die bereits ausgeführten Punkte ist, daß Sie den Abzug sauber betätigen. Dazu plazieren Sie den Zeigefinger Ihrer Schußhand so an der Waffe, daß das oberste Fingerglied auf dem Abzug ruht, und der Finger die Waffe ansonsten nicht berührt. Werksmäßig sind die Abzüge von Schußwaffen in aller Regel auf einen hohen Widerstand eingestellt. Der Grund liegt auf der Hand – so verhindern Sie eine potentiell fatale, unbeabsichtigte Schußabgabe. Im Umkehrschluß müssen Sie dann aber auch diesen hohen Abzugswiderstand überwinden, damit der Schuß bricht. Dazu betätigen sie den Abzug zunächst bis zum Druckpunkt. Sie spüren nach einem gewissen Vorweg, daß der Abzug verharrt. Erst in dieser Position nehmen Sie Ihr Ziel final ins Visier. Jetzt kommt das Schwierigste und zugleich das Geheimnis des Kurzwaffenschießens: Die unbewußte Schußabgabe. Sie verharren also wie beschrieben: Finger am Druckpunkt, Visier im Zielraum. Jetzt ziehen Sie nicht bewußt ab, sondern Sie lassen sich vom Schuß überraschen. Das klingt für Neulinge fast unmöglich und ist auch anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Aber Sie werden feststellen, daß Sie mit der unbewußten Schußabgabe zu einer nie geahnten Präzision fähig sind. Was ist der Grund dafür? Vermutlich liegt es daran, daß Sie beim bewußten Schuß in Erwartung des Rückschlages und des Schußlärms innerlich verkrampfen und damit kein hundertprozentiger Treffer mehr möglich ist. Um die unbewußte Schußabgabe in den Griff zu bekommen, müssen Sie üben. Topschützen beherrschen diese Technik selbst bei schnellen Schußfolgen. Das heißt auch wenn für jeden Schuß weniger als eine Sekunde Zeit ist, können die Besten der Zunft sich vom Brechen des Schusses jedes Mal überraschen lassen. Wenn Sie nicht die Zeit und Muße dafür haben und nicht das letzte bißchen Präzision aus Ihrer Waffe herauskitzeln wollen, können Sie sich auch auf die einfache bewußte Schußabgabe konzentrieren. Achten Sie aber unbedingt darauf, bis zuletzt nicht zu verreißen. Indem Sie nachzielen – also nach der Schußabgabe im Ziel bleiben – können Sie das kontrollieren. Eine Randbemerkung zur Schußabgabe mit dem Revolver – denken Sie nicht im Traum dran, im Double-Action-Modus, also ohne vorgespannten Hahn, zu schießen. Ohne jahrelanges Training würden Sie kein Scheunentor treffen.
Soweit zur Theorie des Kurzwaffenschießens. Jetzt noch ein paar jagdliche Überlegungen.
Zunächst – welche Kurzwaffe sollen Sie sich zulegen. Lieber einen Revolver oder doch die Selbstladepistole? Die Diskussion über die Vorzüge beider Waffentypen ist alt und ich kann sie auch hier nicht lösen. Fakt ist, daß ein Revolver durch seine hohe mechanische Zuverlässigkeit und sein in aller Regel kraftvolles Kaliber überzeugt. Für die Pistole spricht grundsätzlich die wesentlich höhere Magazinkapazität – mindestens fünfzehn Schuß im Vergleich zu einer Sechs-Schuß-Trommel beim Revolver – sowie die höhere Kadenz. Der jagdliche Vorteil ist das Gewicht: Moderne Polymerpistolen sind leicht - ein großer Vorteil bei einem langen Jagdtag. Letztlich müssen Sie sich auch nicht festlegen, da Vater Staat Ihnen ja großzügigerweise zwei Kurzwaffen zugesteht. Meine einfache Empfehlung, legen Sie sich beides zu. Investieren Sie nicht nur in die Waffe sondern auch in ein vernünftiges Holster, daß die Waffe verlustsicher verstaut und es Ihnen zugleich ermöglicht diese im Ernstfall schnell zu präsentieren. Für Schießstandbesuche ist auch ein Magazinholster, bzw. eine Tasche für Speedloader nicht teuer und absolut ratsam.
Bleibt noch die Frage des Kalibers. Es gibt zahlreiche geeignete Kurzwaffenkaliber, von den Klassikern 9 mm und .357 Magnum über die modernen Pistolenpatronen .40 S&W und 357 Sig bis hin zu Dirty Harry´s .44 Magnum. Entscheidend ist neben Ihrem Geldbeutel und Ihrer Konstitution natürlich auch Ihre Treffsicherheit – besser mit 9 mm treffen, als mit .44 Magnum daneben schießen. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß Munitionssorte, Geschoßart und Ladung viel aussagekräftiger sind, als allein das Kaliber. Auch sollten Sie bedenken, daß extreme Kaliber wie .454 Casull oder .50 S&W keine Handgelenkschmeichler sind und beim Schuß soweit aus dem Ziel wandern, daß ein zweiter Schuß schwierig wird. Wenn Sie die Möglichkeit haben, probieren Sie mehrere Kaliber, Waffentypen und Fabrikate aus. Auf den meisten 25-Meter-Ständen werden die anwesenden Sportschützen Sie gerne ein paar Schuß mit ihren Waffen machen lassen.

Weiterführende Texte:
Anmerkung: Ihnen mag das Beschriebene als jagdlich, d.h. in einer von körperlicher Anstrengung, Streß und möglicherweise Gefahr für Wild, Hund und Mensch geprägten Situation, als schwer zu beherzigen vorkommen. Doch bedenken Sie: Erstens ist es notwendig, das Wild schnell und schmerzlos zu töten – also sollte der erste Schuß zuverlässig treffen und zweitens trainieren z.B. Polizisten und Soldaten auch für die Schußabgabe in schwierigen Situationen auf kürzeste Entfernung selbstverständlich unter Berücksichtigung der theoretischen Anforderungen moderner Schießlehre und durch Training auf dem Schießstand

Anmerkung 2: In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Jagd Journal. Fachzeitschrift für Jäger und Freunde der Jagd und des Parcoursschießens"  wird zu Recht darauf hingewiesen, daß die Anforderungen der Jagdausübung und des jagdsportlichen Schießens (hier greift kein Sportschützenbedürfnis!) miteinander kaum in Einklang zu bringen sind (z.B. im Hinblick auf Kaliberwahl und Lauflänge: Führigkeit vs. Präzision). Deshalb ist die Forderung dieser Zeitschrift nach einem angemessenen Umfang des Kurzwaffenbedürfnisses für Jäger absolut zu unterstützen: 2 Kurzwaffen für den jagdlichen Gebrauch (Fangschuß) + 2 Kurzwaffen zum jagdlichen Kurzwaffenschießen (Wettkampf) wo erforderlich + grundsätzliches Bedürfnis für Einzelladerkurzwaffen.