Seiten

Waffen im Flugzeug. Eine Phantomdiskussion.

In den USA hat ein mutmaßlich geisteskranker Täter mit einer Waffe, die er im Flugzeug legal transportiert hatte, am Ankunfts-Flughafen um sich geschossen und fünf Menschen getötet. Das „Qualitätsmedium“ Bild schreibt dementsprechend: „Ein Amoklauf wie am Flughafen in Florida ist also auch bei uns in Deutschland möglich“, weil die meisten Fluggesellschaften auch Jagd- und Sportwaffen transportieren. Warum eine Diskussion um den Waffentransport im Flugzeug Unsinn ist, schreibt ein vielgereister Jäger.
"Ich bin wohl rund 40 Mal mit Jagdwaffen im Flugzeug verreist. Was passiert dabei? Man meldet die Waffe nebst der Waffennummer (die in den nationalen und europäischen Besitzdokumenten eingetragen ist, die die Waffenbehörde ausgestellt hat) bei der Fluglinie an und zahlt dafür eine extra Gebühr von 100 Euro und mehr.

Am Flughafen erscheint beim Hinflug von Deutschland aus die Bundespolizei und vergleicht die Waffennummer im Dokument und an der Waffe. Natürlich sehen sie auch nach, ob die Waffe korrekt verpackt ist, nämlich in einem verschlossenen extra Koffer. Die Munition ist in einem anderen verschlossenen extra Koffer. Dann folgt über Funk eine Überprüfung der Personalien (Liegt etwas gegen den Reisenden vor?) und häufig fragen sie schließlich noch, wohin man reist und was man jagt. Wenn alles stimmt, geht es mit den Polizisten zum Sperrgepäckschalter und dort verschwinden diese Gepäckstücke und werden im Gepäckraum ohne Zugriffsmöglichkeit durch den Reisenden transportiert. Dann geht man durch die Sicherheitsschleuse, wo man wie jeder andere durchleuchtet wird.

Am Zielflughafen hängt es vom jeweiligen Land ab, was weiter passiert. Immer jedoch erhält man die Waffe von den dortigen Behörden erst nach erneuter Überprüfung. In manchen Ländern braucht man eine Einfuhrerlaubnis, die man Wochen vorher beantragen muss (z.B. England, Schottland, Schweden, Südafrika). Manchmal muss die Waffe darüber hinaus noch zerlegt werden und ein Waffenteil, ohne das die Waffe funktionsunfähig ist, muss zusätzlich abgebaut und gesondert transportiert werden (z.B. in Schweden oder Frankreich).

Bei der Rückkehr nach Deutschland erhält man die Waffe beim Zoll, der wieder die genannten Überprüfungen vornimmt. Manchmal gibt es darüber hinaus noch eine zweite Überprüfung auf dem Weg zum Auto.

Was machen Leute falsch, die anlässlich des Verbrechens von Florida ein Thema wittern?

Fehler 1: In Deutschland hat man überhaupt nur Jagd- oder Sportwaffen, wenn man mehrfach von der Behörde überprüft ist und nicht nur ein entsprechendes Bedürfnis hat, sondern auch als Person geeignet ist. Wer also, wie der mutmaßliche US-Täter, sogar selbst zur Polizei liefe und wahnsinnigen Unsinn redete, würde sofort seine Waffenerlaubnis verlieren. Das war wohl im vorliegenden Fall nicht so, denn es heißt bei der Bild „Er [der Täter] hatte die Tat geplant, saß bereits im in November vergangenen Jahres in einem FBI-Büro in Anchorage (Alaska). Er war freiwillig dort erschienen, redete extrem wirr. Den FBI-Beamten sagte er damals, die Regierung würde sein Gehirn kontrollieren und ihn zwingen, ISIS-Videos anzuschauen. Er ließ sich anschließend freiwillig für vier Tage in ein Krankenhaus einliefern. Nach seiner Entlassung erhielt er seine Waffe zurück.“
Dass auf diesen eklatanten Unterschied nicht verwiesen wird, ist schon eine Leistung.

Fehler 2: Es wird wieder einmal vergessen, dass eine Waffe lediglich ein Tatmittel ist und nicht ursächlich verantwortlich für die Begehung einer Straftat. Niemand würde auf beispielsweise auf die Idee kommen, das Tatmittel Lastwagen stärker zu reglementieren, das in Nizza, Berlin und zuletzt in Jerusalem für schreckliche Attentate eingesetzt wurde.
In diesen Fällen ist scheinbar allen klar, dass die Absicht der Täter entscheidend ist, ein Verbrechen zu begehen und diese sich Alternativen beschaffen würden, wenn ihnen ein bestimmtes Tatmittel nicht zur Verfügung stünde. Deshalb werden in dabei u.a. schnellere Abschiebungen, längere Abschiebehaft, elektronische Fußfesseln und stärkere Überwachung von potenziellen Gefährdern diskutiert. Im Fokus steht also der Straftäter. Nur im Fall von Schusswaffendelikten fehlt diese Erkenntnis in der Regel. Hinzu kommt, dass legale Schusswaffen in Deutschland nicht kriminalitätsrelevant sind.

Fehler 3: Es gibt den Fall nicht, dass jemand mit einer, noch dazu technisch extrem ungeeigneten Jagdwaffe einen Anschlag oder erweiterten Suizid („Amoklauf“) auf einem Flughafen oder begeht. Allein die Vorstellung, dass dies mit einem viereinhalb kg schweren und 1,15 cm langem Repetiergewehr wie meinem möglich sein soll, ist abwegig. Warum sollte man also ohne einen einzigen Fall, in dem jemand mit einer Jagdwaffe an einem Flughafen eine wie auch immer geartete Straftat begeht, irgendeine Änderung der bestehenden Regelungen in Erwägung ziehen?

In vielen Ländern stellen Jagdreisende eine wichtige Einnahmequelle dar.

Fehler 4: Es ist durch meine Beschreibung klar, dass man während des Fluges gar keinen Zugriff auf die eigene Waffe hat. Den Zugriff hat auch sonst niemand, weil Waffe und Munition getrennt und noch dazu verschlossen sind. Um aber an einem Flughafen ein Attentat oder einen erweiterten Suizid zu unternehmen, bedarf es für den Täter gar keines Fluges. Das ist evident, denn am 22. März 2016 begingen islamistische Täter u.a. am Flughafen von Brüssel mit Sprengstoff und illegalen Sturmgewehren (vollautomatischen Kriegswaffen) ein verheerendes Attentat, das über 30 Tote und hunderte Verletzte forderte. Etwas ähnliches ereignete sich am 28. Juni 2016 am Flughafen in Istanbul. Ein Flug mit Waffen spielte dabei gar keine Rolle.

Fehler 5: Es ist schwierig zu verstehen, dass ein Land zwar seine Grenzen nicht lückenlos sichert, über die man heute teilweise ungehindert mit Waffen einreisen kann (und zwar trotz anhaltender Asylkrise inklusive illegaler Einwanderung und Terrorbedrohung), aber in Erwägung ziehen sollte, den Transport von legalen Jagdwaffen mehrfach überprüfter rechtstreuer eigener Staatsbürger noch stärker zu reglementieren. Wer jedenfalls mit dem Auto zur Jagd in Nachbarländer reist, sieht mitunter an der Grenze nicht einmal einen Beamten.

Fehler 6: Die Tatsache, dass es ein Schüler aus München so ohne weiteres schafft, sich im Darknet eine illegale Waffe zu besorgen und damit auch noch ungestört zu trainieren, so dass er in der Folge am 22. Juli 2016 bei einem Amokverbrechen neun Menschen tötete und weitere über 30 verletzt wurden, zeigt das Kernproblem auf.
Es kommt darauf an, Gefährder (besser) zu erkennen und an der Begehung von Straftaten zu hindern, den anhaltenden Zustrom illegaler Waffen zu beenden oder wenigstens stärker zu begrenzen und das bestehende Recht vollumfänglich anzuwenden – inklusive einer wirkungsvollen Grenzsicherung an den EU-Außengrenzen und den deutschen Grenzen. Weitere Reglementierungen rechtstreuer Sportler und Jäger schaffen hingegen eine Scheinsicherheit und tragen bisweilen populistische Züge, da damit dem Unsicherheitsgefühl der Bürger wohl kaum nachhaltig und vor allem wirkungsvoll entgegengewirkt werden kann."