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Löwe Cecil und die echte Story

In Simbabwe hat ein amerikanischer Jäger unter noch nicht genau geklärten Umständen einen Löwen erlegt und sich dadurch mehr den weltweiten Zorn von Medien und weiteren Teilen der Öffentlichkeit zugezogen, als jemals ein Jäger vor ihm. Der Fall zeigt in vielerlei Hinsicht einen eklatanten Wertewandel und -verlust.
Warum der Umgang mit diesem Fall bedenklich für unser politisches System und gefährlich für unseren gesellschaftlichen Diskurs ist und was die ganze Story ist, erfahren Sie hier und weder bei Peta noch aus Bild.

1. Gesamthaft betrachtet ist die Löwenjagd in Simbabwe grundsätzlich sinnvoll
Simbabwe ist ein undemokratischer Staat mit diktatorischen Zügen und einer verelendeten Bevölkerung, der aufgrund seiner politischen Verhältnisse und schlechten Infrastruktur kaum Touristen anzieht. Simbabwe ist so gut wie nicht in der Lage, seinen Wildbestand in der Fläche wirkungsvoll selbst zu schützen.
Die Jagd ist nicht nur einer der wenigen funktionierenden Wirtschaftszweige, sondern bildet auch den einzigen Anreiz, mit privater Initiative Maßnahmen zum Schutz des Wildes zu ergreifen.
Simbabwe erhebt darüber hinaus nicht unerhebliche staatliche Abgaben auf die Jagd, die das Land autonom gestalten und verwenden kann. Reiche Großgrundbesitzer die von der Jagd profitieren, wie es gerne klischeehaft von Tierrechtsaktivisten behauptet wird, gibt es in Simbabwe nicht.
Die Jagd ist in Simbabwe in dafür vorgesehenen Gebieten legal.

2. Löwenjagd kann wildbiologisch einwandfrei sein
Ob die legale Löwenjagd mit all ihren Rahmenbedingungen wildbiologisch sinnvoll ist, ist umstritten - meist aber deswegen, weil nicht zwischen waidgerechter und nicht waidgerechter Jagd unterschieden wird.

Waidgerechte Jagd bedeutet: a) Man jagt in einem Gebiet, in den die Jagd ausdrücklich erlaubt ist b) mit fairer und legaler Jagdmethode auf c) wilde, freilebende männliche Löwen, die d) kein Rudel haben. e) Man nutzt dafür einen lokalen Jagdführer, der bei der Auswahl des Löwen und des Gebietes kompetent und gesetzlich zugelassen ist.

Nicht waidgerechte (und oftmals auch nicht legale) Jagd bedeutet z.B.: Man jagt mit nicht erlaubten Hilfsmitteln (z.B. nachts bei künstlichem Licht), man jagt in nicht erlaubtem Gebiet oder auf nicht erlaubte Tiere oder solche, die zwar grundsätzlich erlaubt sind, aber im Einzelfall aus ethischen oder wildbiologischen Gründen nicht geschossen werden dürfen (also Löwen mit Rudel oder Muttertier) oder man jagt auf nicht wild lebende, sondern extra dafür gezüchtete und ausgesetzte Tiere, die teilweise noch in Gattern leben (sogenanntes "canned hunting" auf Löwen) oder man besitzt weder selbst die Kenntnis dies einzuschätzen, noch hat man einen entsprechend kompetenten Führer.

Die Unkenntnis der Jagd geht so weit, dass nicht einmal der Spiegel schaffte, zwischen Bogen und Armbrust zu differenzieren (der Amerikaner hatte mit einem Jagdbogen geschossen, eine absolut waidgerechte und legale Jagdmethode, die richtig angewandt schnellen und schmerzlosen Tod garantiert, obschon sie unter Jägern umstritten ist) und die vorgeschriebene und ethisch absolut notwendige Suche nach einem verwundeten Tier falsch als eine Art Treibjagd auffasste (Selbst sehr laienhaft gefragt ergibt sich keine Handlungsalternative, denn was würde man sonst tun, wenn ein Tier verwundet ist und flieht?).
Und selbst die angeblich so solide FAZ schwafelt: "Nach der Tötung des Löwen 'Cecil' zieht das Land [Simbabwe] drastische Konsequenzen: Ab sofort ist die Jagd auf Löwen, Leoparden und Elefanten auch außerhalb des Hwange-Nationalparks verboten. 'Eine solche Jagd darf nur noch durchgeführt werden, wenn sie schriftlich vom Generaldirektor der zuständigen Parkbehörde genehmigt wurde und wenn die Jäger von Mitarbeitern des Parks begleitet werden'. Also ist die Jagd eben nicht verboten, sondern sie wird lediglich künftig anders überwacht - wie es bereits in Tansania und Parks in Südafrika schon lange der Fall ist. Und so geht es munter weiter durcheinander: "Die Wilderei in Afrika, der vor allem Elefanten und Nashörner zum Opfer fallen, hat Umwelt- und Tierschutzorganisationen zufolge zuletzt stark zugenommen. Dabei sterben jedes Jahr beispielsweise rund 30.000 Elefanten weltweit", schreibt die FAZ als gebe es keinen Unterschied zwischen Wilderei, staatlich durchgeführter Reduktion und legaler Jagd. Der Höhepunkt aber ist die Auflistung von Trophäen, die jedes Jahr nach Deutschland eingeführt werden, denn da stehen 43 nordamerikanische Schwarzbären (von geschätzten rund 600.000 Exemplaren), die in vielen Teilen Nordamerikas ausgesprochene Landplagen mit großen Überpopulationen sind, neben dem einen geschützten Eisbären.

Was in der irreführenden medialen Empörung untergeht ist etwas, das in der Tat ein tatsächliches und kein fiktives Problem für die Tierwelt Afrikas und eine extrem bedrohte Tierart ist: das systematische und massenhafte Wildern, also illegale Erlegen, von Nashörnern durch organisierte Kriminelle im Interesse asiatischer Kunden, die aufgrund des wachsenden Wohlstandes vieler asiatischer Länder in nie dagewesenem Ausmaß aus dem Horn gewonnene Arznei- und Potenzmittel nachfragen. Diese Banden töten Nashörner nicht nur in Wildparks, sondern auch auf wesentlich kleineren, gut geschützten privaten Wildfarmen. Paradoxerweise sind es gerade in Namibia und Südafrika gerade Anbieter von Jagdreisen, die mit Billigung der Behörden dieses Wild versuchen vor dem Aussterben zu bewahren.

Nashörner, die geschützt und nicht bejagt auf einer Jagdfarm leben

Wesentliche Teile der Diskussion, die diese Unterscheidung zwischen Wilderei, Culling und Jagd nicht treffen, werden nicht wissenschaftlich geführt, sondern gehen von weltanschaulichen oder emotionalen Perspektiven aus, die legitim sind, deren Gegenpositionen aber ebenso legitim sind. Kurz gesagt kann man nicht sagen "das macht man nicht" oder "das gehört nicht in diese Zeit", weil beides schlicht Meinungen sind, die man nicht intersubjektiv als Ethik festlegen kann - schon gar nicht aus westlicher Perspektive. Anders ausgedrückt: wenn afrikanische Staaten die Jagd - auf Löwen oder anderes Wild - in ihren Ländern erlauben und auch bei uns kein Verbot besteht, sich daran zu beteiligen, negiert man die Berechtigung dieser Staaten ihre Gesetze und ihr Natur-Mensch-Verhältnis selbst zu ordnen. Diese moralische Überlegenheit oder diesen Erkenntnisvorsprung haben wir jedoch nicht - das ist eine ethnozentrische Perspektive.

3. Die Vermenschlichung von Tieren oder deren unterschiedliche Wertigkeit ist verständlich, aber unethisch und unsinnig
Eines der Probleme bei diesem Fall ist, dass der Löwe, ein Raubtier, das weder gut noch böse, weder lieb noch liebenswert ist, nicht nur vermenschlicht worden ist, sondern im Grunde mehr Menschenrechte hat, als sein Erleger.
Ein Löwe ist trotz Kindchenschema und gefühlte Nähe zum geliebten Haus- oder Stofftier ein Löwe und eines der sieben afrikanischen Tiere, die auch ohne besondere Situation wie Verwundung oder Schutz von Nachkommen potentiell tödlich gefährlich sind.
Löwen töten Beutetiere und andere Löwen und deren Nachkommen und haben keinerlei menschliche Züge oder “Charaktereigenschaften“.
Daran ändert sich auch nichts, dass man ihnen einen Namen gibt und eine Art menschlicher Familie hinzugedeutet wird (Cecil hat auch einen "Bruder", dessen angebliche Erlegung kurzzeitig auch für Empörung sorgte, bis sie falsifiziert wurde) oder gar Gerechtigkeit fordert - ein menschliches Konzept, das es in der Tierwelt nicht gibt ("Justice for Cecil").

Ein Löwe ist auch nicht mehr oder weniger wert als eine Antilope. Warum auch? Der einzige messbare Unterschied wäre ihr betriebswirtschaftlicher Wert, also das was Menschen zu zahlen bereit sind, sie zu sehen abzüglich des Schadens, den sie anrichten, z.B. durch Angriffe auf Herdentiere oder Menschen. Wenn man betriebswirtschaftlich an diesen Fall herangeht, muss man aber auch den Erlös aus der Erlegung berücksichtigen...

4. Die Grenzen zwischen legitimer Kritik und verbotener und unethischen Hetze lösen sich auf
Der amerikanische Sender Vox veröffentlichte online einen besorgten Artikel mit der headline “From Gamergate to Cecil the Lion: Internet Mob is out of control“ und tatsächlich reichen die Reaktionen von Todesdrohungen ("Let the hunter be hunted"), Beleidigungen, der Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz, dem (online-)Mobbing bis hin zur Forderung nach Auslieferung des Jägers in das undemokratische Simbabwe - etwas, das nicht nur rechtswidrig ist in den USA, wo der Jäger lebt, sondern auch angesichts des Unrechtsstaates Simbabwe eine Verletzung elementarer Menschenrechte darstellt.
Vermutlich hat dieser Jäger nicht waidgerecht gejagt - der Safari Club International hat ihn sowie seinen Professional Hunter deshalb auch als Mitglied ausgeschlossen, aber alles weitere ist eine rechtliche Frage, nicht eine von Hass- und Gewaltdrohungen, die rechtlich und ethisch bedenklicher sind, als der Anlass dieser Löwenjagd.

In eine berechtigte Kritik an diesem Einzelfall mischt sich a) mediale Sensationslust von Blättern wie Bild und anderen, deren Auswahl von Adjektiven bereits darauf hindeutet, wie Stimmung gemacht und verunsachlicht wird - also letztlich ein wirtschaftliches Motiv, das die Hetzjagd im Internet weiter befeuert und sie als legitimiert empfinden lassen kann sowie von dem ablenkt, was gerade auf der Welt passiert und tatsächlich einer moralischen Empörung bedarf und b) die teilweise gezielte Desinformation und Hetze sogenannter Tierrechtsaktivisten, die die Jagd weltanschaulich begründet ablehnen, ihre weiterreichenden Ziele (z.B. völlige Gleichstellung von Mensch und Tier und kompletter Verzicht auf Tiernutzung - also letztlich gesamtgesellschaftlicher Veganismus) in diesem Kontext verschleiern und diesen Fall aus der sicheren Anonymität des Internets heraus und unter Inkaufnahme der Zerstörung eines Menschen instrumentalisieren, um ihr Gesellschaftsmodell durchzusetzen.

Diese letzten beiden Phänomene sind diejenigen, die - anders als diese nicht waidgerechte und illegale Jagd - über diesen Einzelfall hinaus wirklich bedenklich und gefährlich sind. Pogromstimmung ist für keine Gesellschaft akzeptabel und der Tod eines jeden sachlichen Diskurses.

Gastbeitrag von Hartwig van Helmers