Saufänger und Abfangmesser

Es kann unzweifelhaft Situationen geben, in denen das Abfangen eines Tieres mit der blanken Waffe in Deutschland ratsam oder sogar zwingend notwendig ist: nämlich immer dann, wenn Menschen und/oder Tiere (z.B. Jagdhunde) durch einen Schusswaffeneinsatz gefährdet sind oder dann, wenn keine andere Möglichkeit besteht, einem Tier (z.B. nach einem Autounfall) Leiden zu ersparen. Die Voraussetzung in beiden Fällen ist erstens das so weit wie möglich sichere Beherrschen des Abfangens und zweitens eine geeignete Blankwaffe.
Man kann nicht sagen, dass nur derjenige Jäger abfangen darf, der darin bereits umfangreiche Erfahrung hat, weil das verhindern würde, dass jemals wieder ein Jäger das Abfangen mit der blanken Waffe lernt. Man kann aber sagen, dass das Abfangen mit der blanken Waffe intensiv - am besten an einem erlegten Stück - geübt und nach Möglichkeit auch im realen Einsatz mitverfolgt werden sollte. Entsprechende Trainingsmöglichkeiten sind zwar dünn gesät, aber immer wieder findet man Kurse z.B. über Landesjagdverbände, kommerzielle Anbieter oder die Verbände der Jagdaufseher.
Dem Gebot des Tierschutzgesetzes, ein Wirbeltier nur töten zu dürfen, wenn man dazu die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat, kann auch auf dem beschriebenen Wege entsprochen werden – insbesondere dann, wenn man sich vor Augen hält, dass das Bundesjagdgesetz vorschreibt, krankgeschossenem Wild vermeidbare Schmerzen oder Leiden zu ersparen und dies deshalb unverzüglich zu erlegen. Denn unverzügliches Erlegen bedeutet nicht, in einer Nachsuchesituation vom Abfangen Abstand zu nehmen, nur weil man nicht die Büchse einsetzen kann.
  
Da keine theoretische Beschreibung einen solchen Kurs ersetzt, soll hier gar nicht erst der Versuch unternommen werden, das Abfangen an sich zu beschreiben. Wohl aber ist es möglich, geeignete Blankwaffen zu beschreiben und zwar – aufgrund der in Deutschland herrschenden Situation (Wild und Jagdarten) in erster Linie für das Abfangen des wehrhaften Schwarzwildes.
   
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in anderen Ländern die Blankwaffe auch aus anderen Gründen jagdlich eingesetzt wird: erstens als eine spezielle Jagdart zum Beispiel auf Schwarzwild im Süden der USA oder in Australien (Modern Knife Hunting oder Hog Hunting), zweitens um Wildbret zu schonen (in Deutschland verbotene Kehlschnitte habe ich an Stelle eines Fangschusses im südlichen Afrika erlebt) und drittens im Rahmen von einer Art Treibjagden in Staaten ohne privaten Schusswaffenbesitz oder zumindest Büchsenbesitz (z.B. in Pakistan – durchaus einhergehend mit einer Geringschätzung des Schweines an sich). Obschon dies nicht unserer heutigen Jagdkultur entspricht, kann man nicht sagen, dass derartiges nicht auch in Europa in der Vergangenheit der Jagdethik entsprach. Und schließlich ist für die Überlegung, welche die richtige Blankwaffe ist durchaus interessant, wie Blankwaffen von Jägern aussehen, die damit in vergleichsweise größerem Umfang Schwarzwild erlegen.
  
Im Folgenden geht es also um den Saufänger im Gegensatz zu der lanzenartigen Saufeder oder zu anders aussehenden Hirschfängern oder Knickern (für eine spezielle heute nicht mehr weit verbreitete Form des Abnickens von Rehwild).
  
Der Niedersächsische Verband der Jagdaufseher (www.jagdaufseher-niedersachsen.de) beschreibt geeignete Messer wie folgt: „Saufänger: Er ist ab einer Klingenlänge von 20 cm und länger geeignet, ordnungsgemäß zum Abfangen eingesetzt zu werden. Nur bei langer Klinge kann überhaupt das Herz erreicht werden. Große Messer, Waidblatt: Eine ca. 5 Zentimeter breite und etwa 20 Zentimeter lange Klinge sind hier ein absolutes Muss, um ein schnelles Verenden des Stückes zu gewährleisten. Viele Jäger setzen erfolgreich preiswerte Messer mit einer langen, schweren, aber spitzen Klinge in Bowie-Form ein, diese sollten dann aber auch angeschliffen sein bis zum Klingenrücken. Es ist ein großer Nachteil bei vielen Messern, wenn das vordere Drittel des Klingenrückens nicht angeschliffen ist, dadurch wird das Eindringen durch Schwarte oder Winterdecke unnötig erschwert, darauf sollten besonders die Hundeführer achten.“
    
Eine amerikanische Seite über Messerjagd sagt: „A good hog hunting knife can be the difference between a safe clean kill and a field injury ruining a trip. The important aspects of the best hog hunting knives are that they are made of a thick, strong steel, have a non-slip grip, and that they have a blade length over 6.5 inches. The blade should be a fixed blade with a full tang.” (www.huntwildpig.com)
  
Im Jägermagazin (www.jaegermagazin.de) schließlich beschreibt ein Hundeführer seine Erfahrungen: “ Die Klingenlänge wird mindestens 20 Zentimeter betragen. In nunmehr 18 Jahren, in denen ich mit Hunden auf Schwarzkittel jage, habe ich vom alten K-98-Bajonett bis hin zum klassischen Waidblatt eine Menge Messer ausprobiert. Dabei bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass neben der Klingenlänge die Breite der Klinge ganz entscheidend für die tödliche Wirkung des Messers ist. Schmale, stilettähnliche Messer wie der Hirschfänger oder das Bajonett eignen sich nur schlecht zum Abfangen von Sauen.“ Und er nennt sogar ein bestimmtes Messer: „Der ‚Tusker-Saufänger‘ … ist, ist in meinen Augen die optimale Waffe. Seine breite, beidseitig geschliffene Klinge führt bei richtiger Handhabung zum sofortigen Verenden der Sau. Außerdem lässt sich ein Messer dieser Größe noch bequem am Gürtel tragen und wirkt bei weitem nicht so martialisch auf Außenstehende wie eine mannshohe Saufeder.“
In einem großen Test in der Zeitschrift "Jäger" (November 2013) werden acht Abfangmesser bewertet und getestet: Alle haben Klingen von über 20 cm (22,5 - 26 cm). Die Klingenbreiten variieren von 3 cm bis 5,5 cm und die Dicke der Klinge von 4 bis 7,6 mm. Testsieger wird das Messer "Saufänger" von AKAH. Weitere sehr gute Bewertungen erhalten "Trail Master San Mai III" von Cold Steel, "Knoop Hirschfänger" und "Linder Kentucky Bowie". Allerdings verwundert nicht nur, dass vor dem Einsatzzweck Schwarzwild mit dem Smith & Wesson Bowie ("Texas Hold Em") eine haumesserähnliche Waffe getestet und für gut befunden wird, sondern auch, dass der zu schmale Hirschfänger von Puma ("Knoop Hirschfänger") eine so gute Bewertung bekommt.
       
Betrachtet man die im Internet Angebote für Säufänger findet man beispielsweise (Herstellerbeschreibung) für zwischen 90 und 150 Euro die allesamt meiner Meinung nach empfehlenswerten Saufänger:
  
1) AKAH Saufänger: „Saufänger, mit 24 cm Klinge aus 440 Edelstahl, Griffschalen aus echtem Hirschhorn. Robuste Lederscheide. Aus traditionsreicher Europäischer Fertigung, exklusiv für AKAH gefertigt.“ (eine Seite komplett geschliffen, andere Seite zu ca. 40 Prozent geschliffen, breites Parierelement)
    
2) Linder Saufänger: „Solider Saufänger mit 5mm starker Klinge aus 440A-Stahl, rostfrei. Parierelement aus Edelstahl. Griffschalen aus echtem Hirschhorn. Inkl. Scheide. Klingenlänge 23 cm.“
   
3) Tusker Saufänger: „Hochwertige Tusker Messer aus rostfreiem 440A-Stahl mit einer Härte von 57-59 Rockwell. Griffschalen aus fein gemasertem andalusischem Olivenholz in ausgesuchter Qualität. Mit durchgehender Angel, Fangöse und Messerscheide. Inkl. Gürtelschlaufe aus handgenähtem Sattelleder. Beidseitig geschliffen, Klingenlänge 24 cm, Gesamtlänge 36 cm.“
    
Zum Thema Hog Hunting findet man beispielsweise die auch bei uns erhältlichen Messer, die ich aber für deutlich weniger geeignet sind:
1) "Cold Steel Boar Hunter", beschrieben als: “Cold Steel’s trusty favorite of boar hunters worldwide is the Boar Hunter. It is the ideal budget conscience hog hunting knife. It has a finger guard and Kray-Ex hilt for precision placement on a hog. The 8 3/4″ blade is made of Japanese Aus 8A Stainless Steel, with a sloping drop point for superior piecing penetration into a wild boar specifically. This knife is not dual purpose, and is specifically designed for one thing only… Killing wild boar. The price is excellent, which almost any hog hunter can afford. Engraved on the blade is “Boar Hunter”, possibly to remind you that is its sole purpose.”
2) Und "ESEE Knives Junglas Venom Green Powder Coated Blade" beschrieben als: “The Junglas VG is an excellent blade choice for night hog hunts. Remember that knowing where your blade is and where it’s going will be safer in the field at night. The blade also comes in a blacked out version. The blade was used in counter-narcotic operations in Columbia. It is 10 3/8″ long, made of  1/4″ thick 1095 carbon steel, and has a non-slip handle. This blade doubles as a great survival knife, with excellent chopping abilities.”

Zusammenfassend kann man sagen (wenn man die strengsten Maßstäbe anlegt): Klinge mindestens 20 cm langt, mindestens eine Seite geschliffen und eine im vorderen Drittel, mindestens 5 cm breit, nach Möglichkeit Parierelement um Abrutschen zu vermeiden und Griffmaterial, dass auch bei Schweiß und Schmutz gut zu halten ist. Allerdings gibt es auch eine Grenze nach oben und ein Messer, dass zu groß und zu schwer ist, um einhändig damit in einer Stresssituation arbeiten zu können, ist sicherlich als Saufänger für die Mehrheit der Jäger ungeeignet.
Zum Abschluss noch ein Geleitwort aus der Neuauflage von Freverts "Jagdliches Brauchtum": "Noch ein Wort an die Gegner des Abfangens mit der blanken Waffe: Haben Sie einmal einen scharfen Hund gehabt, der so viel Schneid hatte, dass er ein krankes Stück nicht nur stellte, sondern auch niederzog, und haben Sie dann als Gegner des Abfangens hilflos dabeigestanden, wie der Drahthaar an dem Stück unaufhörlich herumriss, oder wie sich zwei Teckel mit dem todwunden Stück herumbalgten, und Sie konnten keinen Fangschuss abgeben, ohne die Hunde zu gefährden? Wenn Sie das erlebt haben, dann lernen Sie morgen das Abfangen des Schalenwildes mit der blanken Waffe, und zwar zunächst am verendeten Stück".