Jim Wagner Knife-Seminare bei Böker

Der bekannte US-Nahkampfexperte und ex-Polizist Jim Wagner, der das Reality-based Personal Protection-Konzept erfunden hat und lehrt, ist mehrfach im Jahr in Deutschland und bildet für die Firma Böker in Selbstverteidigung aus. Teil des Curriculums sind insgesamt 4 Messer-Seminare: Knife Survival, Knife Expert, Tactical Knife (für Behördenangehörige) und Knife Instructor. Hier ein Blick auf diese Kurse aus Sicht eines Teilnehmers.

Es gibt pro Kurs maximal 20 Teilnehmer heißt es und tatsächlich finden sich rund 15 Männer und 4 Frauen zu meinem Kurstag ein. Die Teilnehmer haben ganz unterschiedliche Hintergründe und auf den ersten Blick ist zum Beispiel eine brave Hausfrau dabei, ein tätowierter Kleiderschrank und ein Muskeltyp, der Zeitsoldat ist. Teilweise sind sie von weit angereist. Auch aus dem Ausland. Viele haben umfangreiche Erfahrung in traditionellen Kampfkünsten, aber es sind auch blutige Anfänger darunter. Ich habe nicht so viel Erfahrung und bin gespannt. Gespannt bin ich auch auf Jim Wagner. Er kommt mit einem Vertreter der Firma Böker und noch weiteren Helfern, die den Tag über übersetzen, weil Jim Englisch spricht. Ich habe keine Mühe ihm zu folgen und er erklärt sehr anschaulich und wirklich reality-based.
      
Ich habe in den letzten 12 Monaten mit 2 herausragenden Schützen trainiert, international anerkannten Leuten. Einer ist ein herausragender Lehrer, der andere ein Totalausfall auf diesem Gebiet. Etwas sehr gut zu können bedeutet eben nicht, es auch vermitteln zu können. Um es vorweg zu nehmen: Jim ist ein herausragender Lehrer. Es wird nie langweilig, er wird nie akademisch, sondern es ist alles immer leicht verständlich, seine Botschaften prägen sich gut ein und das Training macht – obwohl es fordernd und sehr ernsthaft ist – einfach Spaß. Beispiele, die er zeigt, wechseln sich mit Sparring, mit kurzen Vorträgen, mit Spielszenen und mit Vormachen vor dem Kurs ab. Die Trainingspartner wechseln.
    
    
Jim erklärt jeweils einen Sachverhalt und dann wird er geübt. Vormachen, nachmachen, üben, üben, üben … und zwar vom leichteren zum schwierigeren Stoff. Das erinnert mich sehr an meine militärische Ausbildung, d.h. an den besseren Teil davon, an den, den wir erhielten, bevor wir in den Einsatz gingen, nicht an den Friedensbetrieb.
     
Wir tragen beim Sparring Knie- und Ellenbogenschutz, ich habe einen Tiefschutz angelegt (was sich prompt auszahlt) und wir haben bei allen Übungen Schutzbrillen und manchmal Trainingshelme auf. Wir trainieren hauptsächlich mit Kunststoffmessern, die Böker vertreibt (im Stil eines Applegate-Fairbarn Dolches).
Ernsthaft verletzt hat sich keiner, aber am Ende des Tages entdecke ich neben diversen roten Stellen, die schon tagsüber auffallen, noch eine ganze Kollektion von Blutergüssen an den Armen. Ist das schlimm? Nein, keineswegs. Das Training soll reality-based sein und dazu ist Kontakt beim Sparring nötig. Alles andere ist Unsinn. Richtig gemerkt habe ich den Tag über nichts, zu sehr habe ich mich auf die Übungen konzentriert und die ganze Sache hat wie gesagt auch eine Menge Spaß gemacht.
   
Überraschend ist auch wie man nach einem Tag die Gruppe kennengelernt hat, denn Jim lässt jeden mit jedem trainieren und auch das bedeutet schon einen immensen Erfahrungsschatz: Der Kleiderschrank ist äußerst vorsichtig, peinlich genau darauf bedacht, beim Sparring nicht zu hart zu sein, der Muskelsoldat will was zeigen und langt etwas mehr hin, steckt aber trotz seines Kampfsportes von mir einiges ein und die Hausfrau ist zäh und fast brutal und steckt meine nach anfänglichem Zögern großzügig ausgeteilten Blocks und Angriffe erstaunlich gelassen weg, obwohl sich auch ihre Unterarme färben.
               
Dass man überhaupt an einem Messer-Seminar teilnimmt, ist in Deutschland für das persönliche Umfeld schon etwas schwierig. Zu negativ sind offenbar die Assoziationen. Vergessen wird dabei, dass es in der Tat immer wahrscheinlicher wird, in einer Großstadt zum Opfer von Messerangriffen Krimineller zu werden. Da kann es entscheidend sein, zu wissen, wie man solchen Angriffen ausweicht und sie überstehen kann. Zudem ist heute in Deutschland das Messer – jedenfalls so lange es nicht einhändig bedienbar mit feststellbarer Klinge ist oder als feststehendes Messer eine Klingenlänge von unter 12 cm besitzt sowie keine reinen Waffeneigenschaften aufweist (z.B. beidseitig geschliffene Klinge) – eine der letzten legalen Möglichkeiten, sich gegen Angreifer wirksam zur Wehr zu setzen. Auch dafür kann es sinnvoll sein, zu wissen, wie man es einsetzt. Und schließlich interessiere nicht nur ich mich für das Messer als Waffe und Werkzeug und seine Rolle in Konflikten. Bei Jim gibt es eine Fülle von spannenden und relevanten Informationen dazu.
                 
Wir fangen mit den 10 Angriffswinkeln an, dann kommen die Blocks, dann kommen verschiedene Distanzen und Sparring, Sparring und nochmals Sparring. In besonderen Fällen arbeiten wir mit Bob, einer lebensgroßen, widerstandsfähigen Puppe. Zwischendurch streut Jim immer noch einige Tricks und Kniffe aus seiner Erfahrung mit ein.
So täuscht man (und ich sehe es klappt) … schaut Mal, so sieht das aus, wenn ein Messerkämpfer einen Mann mit geholsterter Schusswaffe aus rund 7 m Entfernung angreift (so gut wie nicht zu stoppen) … ein Messerkampf dauert rund 3 bis 5 Sekunden (stimmt, dann hätte, wenn es nicht Sparring wäre, wenigstens einer eine lebensbedrohliche Verletzung).
Jim verlangt, dass wir uns nach dem Kampf ernsthaft nach Verletzungen absuchen und siehe da, einer entdeckt tatsächlich eine große Blutlache (Jim hatte ihm unbemerkt Kunstblut appliziert). Was lernen wir alle daraus? Wir suchen uns immer und wirkungsvoll ab und nicht bloß widerwillig, weil er es verlangt.
Jim schmiert jedem etwas Theaterblut auf die Hände und siehe der Kampf mit dem Messer wird schwieriger, weil es uns aus den Händen rutscht. Er will uns damit an den Anblick und das Gefühl gewöhnen. Ähnlich haben es sowjetische Speznaz gemacht – aus gutem Grund.
Jim findet deutliche Worte und verabreicht 5 Liegestütze, wenn man sein Messer verliert. Das erinnert an die Grundausbildung und das fast liebevolle Verhältnis, das ich gezwungen wurde, zu meinem Sturmgewehr zu entwickeln - auch das aus gutem Grund.
      
So würde es noch viel mehr zu berichten geben. Klar ist, dass das Seminar außergewöhnlich ist. Ich nehme jede Menge mit. Natürlich werde ich viel vergessen, wenn ich nicht praktiziere. Das ist so. Aber ein paar ganz elementare Lehren nehme ich sozusagen unverlierbar mit. Eine davon beschreibt sozusagen reality-based in a nutshell: Wenn du mit einem Messer angegriffen wirst hast du in der Regel die Möglichkeit wegzulaufen, die Möglichkeit zu kooperieren – also zu machen, was der Kriminelle will – oder die Möglichkeit zurückzukämpfen (to fight back). Ein Messerangriff ist in der Regel ein Angriff auf dein Leben und wenn du dich für Kämpfen entscheidest, kannst Du nicht defensiv bleiben, sondern du musst so aggressiv, schnell und raumgreifend wie irgend möglich vorgehen. .... Und lass alle komplizierten, realitätsfernen Tricks weg.
   
Diejenigen unter uns, die eine echte brutale Auseinandersetzung erlebt haben wissen, dass Jim Recht hat. Kampfsport gehört in das Dojo, nicht auf die Straße. Dorthin gehört reality-based. Empfehlenswert.

Verweise
- Kampfmesser
- Eickhorn-Messer
- Jim Wagner Training
- Reality-based bei Böker