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Die .44 Magnum als Fangschuss- und Sportmunition

Die Revolverpatrone .44 Magnum ist eine der legendärsten Patronen auf dem Markt - nicht nur wegen ihrer Leistung und ihrer jagdlichen oder sportlichen Verwendung. Auch Hollywood hat dazu beigetragen. Nichtsdestotrotz ist die .44 Magnum aber eine anspruchsvolle Sportpatrone und ein wirksames Nachsuchekaliber.

1956 wurde die .44 Magnum (vollständig: .44 Remington Magnum) von Smith & Wesson für den neuen Revolver M 29 vorgestellt. Die Patrone geht auf Elmer Keith, einen ehemaligen Cowboy, Autor (u.a. „Guns & Ammo“) und Waffenexperten, zurück, der Smith & Wesson bereits 1935 bei der Einführung der .357 Magnum beraten hatte. Er entwickelte mit R.H. Coleman von Remington und mit Unterstützung des S&W-Präsidenten C.R. Hellstrom die Patrone aus der .44 Special (Verlängerung der Hülse für mehr Pulverraum und zur Vermeidung von Verwechslung mit der .44 Spec) und wirkte auch bei ihrer Vermarktung mit. Keith half das Pistolenschießen mit schweren Kalibern als Sport und für die Jagd zu etablieren. Der M 29 ist ein auf schwerem M-Rahmen gebauter Revolver mit ausschwenkbarer Trommel und Lauflängen von 4 bis 8,375 Zoll, der sechs Patronen fasst und von 1955 bis 1999 über 800.000 Mal gebaut wurde (er ist heute, modernisiert, wiederaufgelegt worden). An den Start ging der M 29 (ursprünglich mit der Bezeichnung NT-430) für 135 Dollar – der wieder aufgelegte M 29 kostet 2010 rund 1.250 Euro.
1959 folgte der Hersteller Ruger mit dem Revolver „Super Blackhawk“ in .44 Magnum (1979 Ruger Redhawk in .44 Mag). Colt folgte erst lange später – u.a. nach ausländischen Herstellern – in den 90er Jahren mit dem „Anaconda“ in .44 Mag.
In Kino und Fernsehen sorgte die .44 Magnum im M 29, der „stärksten Handfeuerwaffe der Welt“ in den Händen von Clint Eastwoood alias „Dirty Harry“, der Figur des Polizisten Harry Callahan, 1971 für Publicity (und angeblich eine Vervierfachung des Absatzes). Weitere Auftritte hatte das Kaliber u.a. in der Kriminalparodieserie „Sledge Hammer“ (1986-88) oder in den Händen von Arnold Schwarzenegger in „Red Heat“ (1985).


Sport
Interessanterweise haben nahezu alle Verbände Disziplinen für Magnum-Kurzwaffen. Selbst der Deutsche Schützenbund (DSB) bietet für .44 Magnum eine Disziplin mit zwei Durchgängen mit je 20 Schuss auf 25 m- bzw. Duellscheibe an. Die Deutsche Schießsport Union (DSU) bietet Disziplinen für Intervall, Präzision oder Mehrdistanz an und hat dabei mehrere Magnum-Klassen, darunter eine für Revolver von .41 bis .44 Magnum. Auch der BDMP und der Kyffhäuser-Bund sowie der BDS bieten Disziplinen für den .44 Magnum an. Allen Disziplinen ist die größere Herausforderung durch die starke Patrone und Ihren Rückstoß und Hochschlag zu eigen, die nicht nur den Schützen körperlich fordert, sondern auch seine Waffe nach jedem Abfeuern deutlich aus der Schusslinie bringt. Die Bewältigung dieser Schwierigkeiten auf Zeit und mit der größtmöglichen Präzision ist eines der Parameter, das Waffengegner gerne vergessen, wenn sie Sportschießen auf Kleinkaliber- oder gar Luftdruckwaffen beschränken wollen.


Nachsuche
Dass eine Kurzwaffe nicht nur in kleinem Kaliber für die Bau- und Fallenjagd, sondern auch in einem schweren Kaliber für den Fangschuss sinnvoll ist, versteht sich. Zwar ist der Energie und der Geschoßmasse einer Büchse theoretisch der Vorzug zu geben, aber in der Praxis schweren Geländes, wo auch der leichteste und kürzeste Repetierer beim Kriechen behindern oder in Tannezweigen hängen bleiben und auch bei langer Strecke zu schwer und zu unhandlich werden kann, hat der Revolver als zuverlässige Waffe seine Berechtigung. Auch ein schwerer Sechszöller ist dabei einfacher zu führen, als eine 100 cm-Waffe und er lässt sich auch einfacher vor Schnee und Regen schützen.
Schießlehrer Peter Schäfer schreibt über den 6-zölligen .44 Magnum-Revolver: „Für Schützen, die mit Rückstoß und Schussverhalten klar kommen, die wohl beste Fangschuss- und Nachsuche-Kurzwaffe auf Hochwild. Da die Standard-Laborierungen der Kaliber .44 und .357 Magnum für lange Läufe ausgelegt sind, hat es allerdings wenig Sinn, Revolver mit kurzem Rohr zu verwenden.“ Er sagt aber, die „Nebenwirkungen“ der Patrone kennend, auch: „Ich rate dem Jäger; der nicht ständig damit trainiert, davon ab.“


Jagd
Es ist für den deutschen Jäger unvorstellbar – und die deutsche Waidgerechtigkeit ist auch international eigentlich ein guter Gradmesser dafür, ob etwas vertretbar ist oder nicht – aber mit der .44 Magnum wird auch per Kurzwaffe gejagt. Nicht nur in Amerika, sondern auch (von amerikanischen Jägern) in Afrika. Sicherlich wird zumindest teilweise anderes Wild als mit der Büchse oder Flinte, auf jeden Fall aber auf andere Distanz gejagt. Die Kurzwaffenjagd jedoch für grundsätzlich unzulässig zu halten ist angesichts des Potenzials der .44 Mag oder stärkerer Laborierungen keine sachlich fundierte Meinung, sondern eher in der Tradition deutscher Waidgerechtigkeit zu verstehen (und damit für deutsche Jäger absolut nachvollziehbar, aber eben nicht für Amerikaner). So konstatiert Rick Jamison: "first got a hint to the answer to this question 30 years ago when I was testing bullets from .300 Winchester Magnum and .375 H&H Magnum rifles and a .44 Magnum revolver. While recovering bullets fired into wet newsprint I was surprised to find that hard-cast lead semiwadcutter bullets from the .44 Magnum penetrated deeper than the expanding rifle bullets. ... While the 165-grain bullet from the .30-06 has 2.6 times the kinetic energy of the .44 Magnum load, it has only 1.3 times the momentum. Either kinetic energy or momentum can be used to describe the "power" of a projectile, and both have a sound basis in physics. Kinetic energy is a measure of destructive potential, and it applies equally to both high-velocity rifle bullets and slow-moving handgun bullets."


Law Enforcement
In der Beschreibung einer Polizeiaktion gegen zwei Vergewaltiger berichten die Autoren Even Marshall und Edwin Sanow, dass die beiden Täter entschlossen Gegenwehr leisteten, so dass die beiden US-Polizisten das Feuer erwidern mussten. Aus den Körpern eines der beiden unter der Droge Crack stehenden Männer wurden fünf Geschosse im Kaliber .45 ACP geborgen, im zweiten Fall ein Geschoß in .44 Magnum, das den Angriff sofort gestoppt hatte. Auch in einer Statistik von „One shot stops“, die Marshall und Sanow zitieren, rangiert die .44 Mag an vorderer Stelle: die .38 Special (mit 2 Zoll-Lauf) liegt mit den meisten Laborierungen zwischen 60 und 70%, mit 4 Zoll-Lauf verbessert sich die Wirkung auf 65 bis 80%. Die 9 x 19 liegt zwischen 80 und 91% - genau wie die .44 Mag. Mit Hohlspitzgeschoß liegen beide bei rund 90% One Shot Stops. „Stopping power is not that hard to understand. It’s simply a matter of energy transfer. Bullets that transfer the most energy, regardless of how much they start with and regardless of how much they go about doing it, produce the most stopping power”, stellen Marshall und Sanow klar. Übrigens lieferte die Patrone Quick Shot Hohlspitz im Kaliber 22 lr 40% One Shot stops – soviel zur Forderung nach der Beschränkung des Schießsports auf .22 wegen der Missbrauchsgefahr.


Leistung nach Zahlen
Die .44 Magnum lässt sich allen „Horrorgeschichten“ zum Trotz aus schweren, sechszölligen Revolvern vom einigermaßen geübten Schützen noch gut handhaben. Auf die Idee eine nie geschossene Schrankwaffe in diesem Kaliber ausschließlich zur Nachsuche einzusetzen, sollte man jedoch nicht kommen. Denn dieses Kaliber erfordert für eine sichere Handhabung in einer Nachsuchesituation wenigstens eine gewisse Übung.


Leistungsvergleich
(alle Teilmantel, Sellier & Bellot)


Kaliber                                          .357 Mag      .44 Mag        .45 ACP         9 x 19
Geschoßgewicht                           10,24 g         15,55 g         14,9 g            8,0 g
Mündungsgeschwindigkeit           385 m/Sek    360 m/Sek     260 m/Sek    355 m/Sek
Mündungsenergie                         760 Joule      1.008 Joule    504 Joule      504 Joule
Kosten 50 Patronen                      17,20 EUR     29,50 EUR    19,70 EUR     17,50 EUR

Nach Frankonia-Katalog 2009/2010


Quellen
  • Dean K. Boorman: Die Waffen von Smith & Wesson. Stuttgart 2003.
  • Visier Special: Magnum Kurzwaffen. 2000.
  • Hans J. Heigel: Legendäre DA-Modelle. In: dwj 8/2008.
  • Elmer Keith: Hell, I was there. Adventures of a Montana Cowboy (Autobiographie).
  • Evan P. Marshall, Edwin J. Sonow: Stopping Power. Boulder 2001.
  • Roy Marcot: Remington. Geschichte und Waffen. Stuttgart 2006.
  • Timothy J. Mullin: The 100 Greatest Combat Pistols. Hand-On Tests and Evaluations of Handguns from Around the World. Boulder. o.J.
  • Timothy J. Mullin: Letters from Elmer Keith. A Half Century of Advice on Guns, Ammo, Handloading, Hunting, and Other Pursuits. Boulder o.J.
  • Handgun Hunter Magazine (USA): http://www.handgunhunt.com/
  • Rick Jamison: Handgun Hunting Ammunition. In: "Shootig Times". http://www.shootingtimes.com/ammunition/hunt_121305/