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Ludwigshafen: Tragisches Amok-Verbrechen entlarvt Anti-Waffen-Hysterie

Am 18.2.2010 kam es an einer Ludwigshafener Berufsschule zu einem Amok-Verbrechen eines 23-jährigen Berufsschülers, der einen Lehrer tötete und weitere Menschen verletzte. Dieses Verbrechen ist so bedauerlich wie andere Verbrechen, die Todesopfer und Verletzte fordern. Der Täter benutzte ein Messer und keine Schußwaffe. Damit entlarvt dieses Verbrechen die Unsinnigkeit der Waffenrechtsverschärfungen unter expliziter Berufung auf Amokverbrechen. Es handelt sich nicht um einen Einzelfall. In einem Interview des Nachrichtensender N24 erläutert der Kriminologe und Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christan Pfeiffer „Es ist eine Illusion zu glauben, man könne so etwas verhindern. ... Der Vorfall in Ludwigshafen habe bewiesen, daß auch eine Überarbeitung des Waffenrechts sinnlos sei, denn in jedem Küchenschrank liege ein Messer. Die deutschen Gesetze seien streng genug."
Die Ursachen sind laut Pfeiffer vor allem in der Art der medialen Berichterstattung zu suchen, vor allem der des Fernsehens: Die TV-Sendungen führten mit ihrer eindrucksvollen Bildgewalt zu einer ‚emotionalen Sucht’ bei Jugendlichen und produzierten negative Helden. Amokläufer versuchten, ihren Namen unsterblich zu machen.“ Weiter zitiert ihn N24 wie folgt: „Pfeiffer zufolge sind deutsche Jugendliche nicht gewalttätiger und roher als die Jugendlichen anderer Länder. In Italien etwa gebe es jedoch keine medialen Vorbilder, denen potentielle Gewalttäter nacheifern könnten. ‚Nachdem das Tötungstabu bei uns in Deutschland erst einmal gebrochen wurde, passiert so etwas immer wieder", sagt der Kriminologe. "Wir müssen damit leben, daß es bestimmte Risiken gibt.’"
Der mutmaßliche Täter hatte sich nach Medienberichten intensiv mit vorangegangenen Amokverbrechen beschäftigt und vermutlich auch die Tat über einen längeren Zeitraum geplant wie die Stuttgarter Zeitung schreibt.
Es ist erfreulich, wie klar Pfeiffer die Sinnlosigkeit der Waffenrechtsverschärfungen benennt. Den für die Verschärfung Verantwortlichen (u.a.für unangemeldeten Kontrollbesuche, die verfassungsrechtlich umstritten sind) seien einige Beispiele in Erinnerung gerufen:
  • im Februar 2007 stach eine 28-jährige Frau in Halberstadt in der Fußgängerzone bei einem Amoklauf drei Menschen nieder und verletzte sie teils schwer
  • im Juli 2008 stach in Biberach ein 15-jähriger Schüler einen Lehrer nieder und verletzt ihn schwer
  • ein 25-jähriger Mann tötete bei einem Amokverbrechen in Tokio im Juni 2008 sieben Menschen und verletzte weitere zehn schwer
  • ein Amokläufer erstach in einem Kindergarten in Dendermonde/Belgien im Januar 2009 zwei Kinder und zwei Erzieherinnen
  • an der Technischen Universität von Virginia tötete im Januar 2009, zwei Jahre nach einem Amokverbrechen mit 33 Toten am selben Ort, ein Student eine Studentin mit dem Messer inmitten einer Vorlesung
  • eine Schülerin konnte in Sankt Augustin im Mai 2009 in letzter Minute daran gehindert werden, die Schule mit Brandflaschen anzugreifen und verletzte eine Mitschülerin mit einem Messer schwer
  • der Amoklauf einer Frau mit einem Messer Ende Mai 2009 in Osnabrück forderte vier Schwerverletzte
  • der Amoklauf eines 51-jährigen, mit einem Messer bewaffneten Mannes im Januar 2010 in Rostock forderte zwei Todesopfer
  • der Amoklauf eines 53-jährigen Mannes in einem Krankenhaus in Wittlich, der eine abgebrochene Flasche benutzte, forderte drei Schwerverletzte
  • der Amoklauf eines französischen Schülers im Januar 2010 an der Universität in Perpignan forderte ein Todesopfer und drei Schwerverletzte
  • im Februar 2010 lief ein 29-jähriger Mann in München mit einem Messer Amok, tötete einen Menschen und verletzte einen weiteren schwer
Die Liste von Amok- u.a. Gewaltverbrechen jüngeren Datums mit Messern, Brand- und Sprengsätzen oder anderen selbst hergestellten Waffen ließe sich erheblich fortsetzen.
Bezeichnenderweise versuchen einige Medienberichte nun aus dem mutmaßlichen Täter, der mit einem ab 18 frei erhältlichen Messer und einer Schreckschußwaffe die Tat verübte, einen Schußwaffenbesitzer zu machen. So heißt es z.B. in der Stuttgarter Zeitung: "Der mutmaßliche Täter besitzt nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft zu Hause ein ganzes Waffenarsenal. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung seien sechs Schusswaffen gefunden worden, darunter Schreckschuss-, Luftdruck- und sogenannte Gotcha-Waffen, die mit Farbkugeln schießen." Andere Medien sprechen einfach nur von einem Waffenarsenal, so als seien Farbmarkierungs- und Schreckschußwaffen, deren Verbot noch nicht einmal die extremsten Waffenkritiker fordern, mit Jagd-, Sport- oder Dienstwaffen vergleichbar. Die Welt online schreibt praktischerweise einfach "Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Ludwigshafen seien 16 Schusswaffen sichergestellt worden." und sperrt praktischerweise die Kommentarfunktion für diesen Artikel, der damit noch nicht einmal öffentlich korrigiert werden kann. Als perfide empfinden wir Beiträge wie auf Focus online unter dem Titel "Täter war ein Waffennarr". Dort heißt es: "In der Wohnung des 23 Jahre alten Gewalttäters von Ludwigshafen hat die Polizei ein kleines Depot mit Luftdruck- und Gotcha-Waffen gefunden. Die Tat hatte er offenbar seit längerem geplant." Der Mann tötete einen Menschen mit einem Messer. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um eine brutale, unverständliche Gewalttat. Daß er nun durch den Besitz von frei erwerbbaren Luftpistolen/-gewehre und Farbmarkierungswaffen in die Nähe von Sportschützen gerückt wird, hat unserer Meinung nach Potential zur Desinformation.In Deutschland gibt es ein Problem mit Amokverbrechen und ein generelles Gewaltproblem von Jugendliche und jungen Erwachsenen im Allgemeinen und an Schulen im Besonderen. Diesem Problemen kann man nicht mit kirchlichen Stiftungen und Benefizkonzerten beikommen und auch nicht mit kosmetischen Waffen(schrott)sammelaktionen und stigmatisierenden Kontrollprozessen.

Aktualisierung 23.2.2010: Brief an die Chefredaktion Focus online

Chefredaktion Focus online

Herrn Jochen Wegner

Sehr geehrter Herr Wegner,
im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt an der Berufsschule in Ludwigshafen veröffentlichte der Focus online drei Artikel, in dem über den „Waffenbesitz“ des Täters berichtet wird, der seinen ehemaligen Lehrer mit einem Messer tötete. Es handelt sich um (jeweils Überschrift und Textauszug):
  1. "Bluttat von Ludwigshafen: Haftbefehl wegen Mordes": "Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Ludwigshafen seien 16 Schusswaffen sichergestellt worden, darunter Schreckschuss-, Luftdruck- und Gotcha-Waffen."
  2. "Täter war ein Waffennarr": "In der Wohnung des 23 Jahre alten Gewalttäters von Ludwigshafen hat die Polizei ein kleines Depot mit Luftdruck- und Gotcha-Waffen gefunden. Die Tat hatte er offenbar seit längerem geplant."
  3. "Mutmaßlicher Amokläufer offenbar ein Waffennarr": "Der Amokläufer von Ludwigshafen war offenbar ein Waffennarr. Medienberichten zufolge sollen bei einer Wohnungsdurchsuchung mehrere Schusswaffen gefunden worden sein. Wie „Spiegel-Online“ berichtete, wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung ein Dutzend Schreckschusswaffen in einem Tresor gefunden. Der Tatverdächtige soll zudem der Polizei als selbstmordgefährdet bekannt gewesen sein."
Die Fakten sind: Das Delikt erfolgte mit einem Messer. Weiterhin führte der Täter offenbar eine Schreckschusspistole mit sich und scheinbar wurden in seiner Wohnung weitere Schreckschusswaffen sowie Luftdruck- und Farbmarkierungswaffen gefunden.
Allen drei Sorten von "Waffen" sind dadurch charakterisiert, dass sie ab 18 frei erwerbbar sind, unbegrenzt besessen werden dürfen und Menschen weder töten, noch schwer verletzen können. Schon die Bezeichnungen "Schreckschuss" oder Farbmarkierung“ beschreiben ihren Zweck.
Es geht mir keineswegs darum, dieses schreckliche Verbrechen zu relativieren. Und ich gehe auch nicht davon aus, dass es sich hierbei um absichtlich in diese Richtung weisende Formulierungen handelt, aber die Beschreibungen in ihren Texten (16 Schusswaffen, mehrere Schusswaffen, in einem Tresor, ein Depot) suggerieren, dass es sich um einen Legalwaffenbesitzer, sprich Sportschützen, gehandelt hat oder zumindest ein Näheverhältnis besteht und knüpft damit an die Berichterstattung über das Waffenrecht im Nachgang zum School Shooting in Winnenden an.
Ich würde mir aber etwas mehr sprachliche Sorgfalt wünschen, denn
  • ich bin erstens der Meinung, dass diese Beschreibungen dem Täter eine unpassende Aufmerksamkeit und Bedeutung verschaffen (es scheint als legt er sich ein Waffendepot an, um damit Verbrechen zu begehen – faktisch kann man damit aber niemanden verletzen oder töten). Dies ist ein Faktor, dessen Einfluss auf Nachahmungstäter immer wieder genannt wird.
  • Zweitens wird damit eine unzulässige Anknüpfung an Winnenden erreicht (im Sinne von "schon wieder ist jemand mit Schusswaffen in einer Schule Amok gelaufen", also eines häufigeren Phänomens, als dies tatsächlich der Fall ist). Die Polizei nimmt eine solche Referenz in ihren Verlautbarungen erkennbar nicht vor.
  • Drittens wird durch diese Wortwahl eine Nähe des Täters zu Sportschützen hergestellt, die nicht existiert. Selbst der Spiegel, auf den Sie sich beziehen, schreibt deutlicher "Täter besaß ein Dutzend Schreckschusswaffen" http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,678867,00.html Obschon der offenbar stattgefundene und aktenkundige Polizeikontakt des Täters (Selbstmordabsicht) dazu geführt hätte, dass er ungeeignet gewesen wäre, eine Waffe legal zu erwerben.
Mit freundlichen Grüßen


Weiterführende Artikel
Quellen zu den genannten Verbrechen
Die genannten Focus Artikel
Adresse der Redaktion Focus
http://www.focus.de/intern/intern/tid-13790/impressum_aid_145454.html