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Der ANC im Exil. Rezension.

Stephen Ellis lehrt an der Universität Amsterdam und ist ein profunder Kenner des African National Congress (ANC), der ehemaligen Untergrundorganisation, die als politische Partei seit 1994 in Südafrika die Regierung stellt. Nicht nur, weil Ellis Mitglied der Wahrheitskommission ("Truth and Reconciliation Commission") nach dem Ende der Apartheid war, erhellt sein Buch viele Hintergründe, die zum Verständnis des heutigen Südafrika wichtig sind.
Der ANC ist keine Partei westlicher Prägung, sondern aus einer Untergrundorganisation mit einem bewaffneten Arm hervorgegangen und seine wesentlichen Mitglieder, die unter diesen Rahmenbedingungen sozialisiert wurden, verhalten sich bis heute entsprechend. Ellis verdeutlicht zum Beispiel, dass der derzeitige südafrikanische Präsident Zuma als ehemaliger Chef des ANC-Geheimdienstes naturgemäß einen anderen Zugang zu den Transparenzanforderungen einer Demokratie haben muss, als ein Staatschef ohne diese Vorgeschichte. Auch die Akzeptanz von Diversität und abweichenden Meinungen, die eines der Wesensmerkmale demokratischer Staatsformen sind, werden von Teilen des ANC historisch beding anders gesehen, nämlich mehr oder weniger als Verrat am Funktionieren des Staatswesens.      
Das Buch behandelt die Zeit von 1960, als der ANC illegal wurde und in den Untergrund ging, bis 1990 als Nelson Mandela aus dem Gefängnis kam und den ANC und nach den Wahlen 1994 auch Südafrika anführte. Diese Führungsleistung von Mandela beschreibt Ellis zwar als brillant, die tatsächlichen Erfolge des ANC beim Ende der Apartheid jedoch als gering. So haben seiner Meinung nach die Streiks und internationalen Sanktionen das alte Südafrika zu Fall gebracht und nicht ansatzweise der Guerillakrieg des ANC.
        
Mandela-Statue vor einem Einkaufszentrum
  
Ellis greift auch die Frage der Beziehungen zwischen dem ANC und der Kommunistischen Partei („South African Communist Party“) auf. In der Tat, so Ellis, sind so gut wie alle ANC-Führer auch Führer der Kommunistischen Partei gewesen. So gehörte Mandela selbst zu deren Zentralkomitee, und auch sein Nachfolger Mbeki hatte beide Mitgliedschaften. Beide haben auch entscheidend dazu beigetragen, das damals kommunistische Ausland zur Unterstützung des ANC und seines bewaffneten Arms „Umkhoto we Sizwe“ („Speer der Nation“) zu animieren.
Offenbar spielten sie hervorragend beide Karten, die kommunistische und die nationalistische afrikanische, denn sie sicherten sich auch erfolgreich die Unterstützung afrikanischer Staaten, die kein Naheverhältnis zum Ostblock hatten.
Weiterhin übten die Kommunisten zwar offenbar direkten Einfluss auf die Umkhoto we Sizwe aus, aber auch nicht vollständig, denn Geheimdienstchef Zuma scheint nicht unter ihrem Einfluss gestanden zu haben.
Weitere Hilfe erhielt der ANC laut Ellis gerade während seiner Zeit der Rückkehr nach Südafrika und der Machtübernahme ausgerechnet von erfolgreichen Kriminellen und sogar von äußerst umstrittenen Exponenten der alten südafrikanischen Sicherheitsapparate. Einige von ihnen sitzen bis heute in wichtigen Positionen.
    
Letztlich dürfte Ellis‘ Buch auch deswegen beim ANC für Unbehagen sorgen, weil nicht nur die weltanschaulichen und politischen Hintergründe ihrer entscheidenden Führer und Organisation analysiert werden, sondern auch einige Scheußlichkeiten aufgearbeitet werden, die Ellis bereits als Mitglied der Wahrheitskommission begegnet sind. Dazu zählen Folterungen, Inhaftierung und Ermordungen von ANC-Mitgliedern durch den ANC – so beispielsweise 1984 die Erschießung von 7 ANC-Guerillas oder Todesurteile für weitere 8 ANC Guerillas in einem ANC-Militärlager in Angola. Diese und andere Grausamkeiten lassen sich auch nicht mit der Paranoia des ANC erklären, seinerseits vom südafrikanischen Geheimdienst infiltriert zu werden, sondern nur mit dem Versuch, die Organisation brutal auf Linie zu halten. Besonders die kommunistischen ANC-Führer haben sich laut Ellis in der Unterdrückung jeglicher Opposition in den eigenen Reihen hervorgetan.
Tatsächlich gibt es aber auch bis heute ungeklärte und mysteriöse Todesfälle von ANC-Führern im Ausland, die man offensichtlich verdächtigte, Informationen an die Südafrikaner gegeben zu haben.
   
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ellis‘ Buch mit ein paar hartnäckigen Gründungsmythen des heutigen Südafrika aufräumt und dazu geeignet ist, Wesen und Verhalten des ANC bis heute zu verstehen. Gerade in einer Zeit, wo der ANC die Gesetze hinsichtlich des Verrates von Staatsgeheimnissen dramatisch verschärft hat, wo er wegen seiner Unfähigkeit, die wirtschaftliche Lage der weit überwiegenden Bevölkerungsmehrheit positiv zu beeinflussen und Korruption zu bekämpfen angeprangert wird und gleichzeitig am Westkap versucht, die mehrheitlich weiß beeinflusste Regionalregierung zu destabilisieren (bis hin zur Initiierung gewalttätiger Proteste von Ortsfremden), ist es notwendig, ein ungeschminktes Bild dieser Organisation zu erhalten. Genau das liefert dieses wichtige Buch.
      
Stephen Ellis: External Mission. The ANC in Exile. 2012.

Verweis: Südafrikas Kriege gegen ANC und SWAPO