Kriminalität in Südafrika: Selektive Wahnehmung des Westens

Nachdem die südafrikanische Polizei Mitte August 34 teils bewaffnete und demonstrierende Minenarbeiter erschossen hatte, setzte die internationale Medienberichterstattung ein. Die Polizei sprach von Selbstverteidigung. Das plötzliche Erschrecken westlicher Journalisten ist wenig nachvollziehbar, da schwerste Gewaltkriminalität in Südafrika an der Tagesordnung ist, auch wenn das in westlichen Medien meist totgeschwiegen wird.
Die Empörung des Westens ist so groß, dass die deutsche Tageszeitung Die Welt so weit geht, an die Schießerei von Sharpeville zu erinnern, einer der Polizeieinsätze im alten Südafrika der 60er Jahre, der ebenfalls für weltweiten Protest gesorgt hatte - und einer der Bausteine war, die zum umfassenden Boykott und zur internationalen Ächtung Südafrikas führte. Völlig ausgeblendet werden bei aller Emörung jedoch drei Sachverhalte:

Farmmorde haben Charakter eines Genozids
Über 3.000 weiße Farmer sind seit 1994 von schwarzen Gangs getötet und oft genug zuvor brutal gefolter und verstümmelt worden. Während Experten wie der Amerikaner Prof. Gregory Stanton von Genozid sprechen und sich das Europäische Parlament sowie die Parlamente Belgiens und der Niederlande mit der systematischen und ideologisch herbeigeredeten Ermordung dieser Tausenden Opfer befassen, schweigen die Medien und politische Konsequenzen lassen auf sich warten.
Im Gegensatz zu diesen unschuldigen Opfern, handelt es sich bei der Menschenmenge, unter denen die Toten sind keineswegs um eine friedliche Demonstration. Der britische Economist ("South Africa's mines. In the pits") schreibt:
"Many were involved in illegal industrial action after rock drillers demanded a salary bump from 4,000 rand (482 US Dollar) a month to 12,500 rand ... Ten people, including two policemen, two security guards and three union stewards, had been killed over the prevuious week".
Nicht nur die Bilder (siehe unten) beweisen also, dass Teile der Demonstranten, die immerhin anlaßlos eine Verdreifachung des Lohns forderten bewaffnet waren, sondern es hatte auch bereits Tote gegeben.


ANC hebt ungeeignete Parteikader an Behördenspitze
Die südafrikanische Polizei ist auch bei den wohlwollendsten Beobachtern als zumindest teilweise korrupt und unfähig verschrien. So schreibt selbst der Kölner Stadt Anzeiger in einem Kommentar ("Drama in Südafrika", 24.8.2012):
"Die blutigen Streiks in der Platinmine sind nur ein weiteres, wenn auch besonders eindrückliches Beispiel für die schleichende Anarchie im Land. Längst hätten der ANC und die Sicherheitsorgane das Risiko erkennen müssen, das mit dieser sich ausbreitenden Kultur der Gewalt verbunden ist. Doch sowohl die Geheimdienste als auch die Polizei sind durch die zermürbenden Machtkämpfe im ANC inzwischen derart gelähmt, dass sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Seit Jahren besetzt der ANC die Polizei und andere staatliche Stellen nicht nach Kompetenz oder Verdienst, sondern fast nur nach parteipolitischer Loyalität mit eigenen Parteikadern."

Dr. Pieter Mulder, Chef der südafrikanischen Vryheidsfront, wies in der Rede im Parlament darauf hin, dass eine der entscheidenden Fragen im Zusammenhang mit den 34 Toten sei, zu welchem Zeitpunkt die Polizei maximale Gewalt einsetzen dürfe. Er erklärte, dass seiner Erfahrung nach die Polizei je weniger Gewalt einsetzen müsse, um eine Situation zu beherrschen, desto besser sie trainiert sei ("the better the police force is trained, the less force is necessary to contain a difficult situation like this"). Er fragte sich wer Mitschuld an den Ereignissen trage und kam zu dem Ergebnis, dass nicht nur die Polizei Schuld trage, sondern auch die beteiligten Gewerkschaften für die Art und Weise wie sie ihren Konflikt austragen, die Gewerkschaftsführer für die Gewaltanwendung, die sie gestatten ("for the violence they incited and allowed as part of this strike") und das Unternehmen, das die beteiligten Gewerkschaften ungleich behandelt und schließlich die Regierung, die es unterließen, die Gewerkschaften für ihre Aktivitäten zur Verantwortung zu ziehen und dazu brächten, die Sprache der Gewalt aufzugeben ("for their failure to keep unions accountable and demand of unions that they exercise their power without the language of intimidation and without violence as a bargaining tool").
  
Der ANC geht aber aus gutem Grund nicht gegen die gewalttätigen Gewerkschaften vor, denn, wie der Berliner Tagesspiegel schreibt, ist er eng mit ihnen verbündet:
„Längst gehört die Gewalt bei Streiks hier zum politischen Alltag. Arbeitswillige werden von streikenden Kollegen oft massiv eingeschüchtert und drangsaliert. Bei einem Streik privater Wachmänner im Jahre 2006 wurden Dutzende Arbeitswilliger von Streikenden ermordet, ohne dass der Staat wirksam interveniert hätte. Dies liegt daran, dass der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) seit Langem mit dem mächtigen Gewerkschaftsbund Cosatu verbündet ist und wenig Lust verspürt, sich mit seinen Alliierten und Parteifreunden anzulegen. Immer öfter werden bei Streiks ganze Innenstädte zum Stillstand gebracht, Autobahnen blockiert oder Zugwaggons und Schulen in Brand gesteckt, ohne dass die Polizei dagegen vorginge. In den staatlichen Krankenhäusern sterben Patienten, weil das streikende Pflegepersonal sich einfach in den Ausstand begibt. Und immer öfter werden auch schwarze Zuwanderer von schwarzen Südafrikanern bedroht oder ermordet, weil sie den Einheimischen angeblich Arbeitsplätze stehlen. Die blutigen Streiks auf der Platinmine sind deshalb nur ein weiteres, wenn auch besonders erschreckendes Beispiel für die schleichende Anarchie im Land.“

Oft wird in der Tat übersehen, dass die politische Vergabe von Spitzenposten und die Vetternwirtschaft der seit 1994 herrschenden und reformunfähigen ANC-Regierung sowie der Brain Drain weißer Experten und Polizeioffiziere trotz der in Teilen noch intakten Justiz die Rahmenbedingungen einer selbstbewußten und schlagkräftigen und vor allem unabhängigen und effektiven Exekutive sind. was will man aber von einem Land erwarten, in dem im Jahr 2012 auch in der Privatwirtschaft durch die Politik der "Affirmative Action", d.h. die Bevorzugung schwarzer Bewerber bei Stellenausschreibungen, nicht ausschließlich nach Fähigkeit eingestellt und befördert wird, sondern nach Hautfarbe. Selbst die Fluglinie  South African Airways akzeptiert keine weißen Bewerber um eine Pilotenausbildung und die Einzelhandelskette Woolworth sucht explizit schwarze, farbige oder indische Bewerber für Stellen und schließt damit Weiße ausdrücklich aus. Wie kann sich bei all diesen Beispielen in Südafrika die Meinung verbreiten, dass Hautfarbe für nichts ein Kriterium ist - auch nicht für gesellschaftliche oder politische Partizipation, in der Rolle von Verbrechensopfern oder im Berufsleben.
Folgerichtig explodiert in Südafrika nicht nur die Kriminalität, sondern immer mehr greift Selbstjustiz - oft befeuert durch Rassen- und Stammeskonflikte innerhalb der schwarzen und farbigen Bevölkerung - um sich.

Originalbilder: Die Frage, ob Teile der Demonstranten bewaffnet waren ...

Politisches Klima wird vergiftet
Populisten wie der ehemalige ANC-Jugendführer Juliums Malema, der wiederholt ungestraft zum Mord an weißen Farmern, zu Enteignung und Landnahme aufgerufen hat, dürfen so gut wie ungestraft das politische Klima vergiften. Nicht zufällig tauchte Malema kurz nach den Vorfällen bei der Demonstration der Minenarbeiter am Ort des Geschehens auf - und zwar mit seinen üblichen radikalen Forderungen.
So schreibt die Basler Zeitung ("Suspendierter Volkstribun bearbeitet die Kumpel", 20.8.2012): "Bereits am Samstag eilte der ehemalige Präsident der ANC-Jugendliga, Julius Malema, nach Wonderkop: Dort wurde der Populist wie ein Volksheld gefeiert. 'Er ist der einzige Politiker, der sich hierherwagen kann', meint ein Sicherheitsmann: 'Malema weiss das Massaker für seine Zwecke auszuschlachten.' Tatsächlich kämpft der aus der Partei suspendierte Volkstribun für sein politisches Comeback und die Abwahl seines einstigen Idols, Präsident Jacob Zuma: Beim ANC-Parteitag Ende dieses Jahres soll sich das Blatt dann wenden. 'Wenn euch jemand fragt, wer euer Präsident ist, sollt ihr ab heute sagen: Wir haben keinen Präsidenten!', bläute Malema den Kumpeln ein: 'Zuma ist für das Massaker verantwortlich. Er muss gehen.'
Dass Malema gar kein politisches Amt mehr bekleidet, von Kritikern in der Nähe des organisierten Verbrechens gesehen wird und über eine gut bewaffnete junge "Miliz" verfügt, stört dabei offiziell kaum niemanden. Statt dessen wird im August nach einem der längsten Prozesse der Justizgeschichte gegen die mutmaßlichen Mitglieder der Gruppe "Boeremag" ein Schuldspruch verhängt, der Taten aus dem Jahr 2002 betrifft und dem über zehn Jahre dauernde Haftstrafen mit teilweise menschenunwürdigen Bedingungen vorausgeht.

... läßt sich ziemlich eindeutig beantworten!

Die halbseidenen Kontakte Malemas und seine politische Hetze beschreibt u.a. der Berliner Tagesspiegel ("Portrait Julius Malema ANC-Jugendliga", 10.11.2011) wie folgt:
"Denn auch von anderer Seite droht Malema Ungemach. So untersucht inzwischen eine Polizeisondereinheit seine dubiosen Geschäftspraktiken und die offenbar eigenmächtige Vergabe von Staatsaufträgen, mit denen Malema Millionen an Euro illegal verdient haben soll. Außerdem droht ihm eine Anklage wegen Steuerhinterziehung. Dabei hatte Malema in den letzten Wochen alles versucht, um sein Image als Stimme der Armen zu retten: So legte er seine teure Breitling-Armbanduhr ab und tritt jetzt stattdessen mit Baskenmütze auf, um wie der junge Che Guevara auszusehen. Erst vor zwei Wochen hatte er mehrere Tausend Jugendliche in einem Demonstrationszug zur Johannesburger Börse und der südafrikanischen Bergbaukammer geführt, um gegen die Dominanz der Weißen in der Wirtschaft zu protestieren – und dem vermeintlichen Ausschluss der Schwarzen aus dem Geschäftsleben. Das freilich ruft ungute Erinnerungen an die Ereignisse im benachbarten Simbabwe wach, wo Robert Mugabe die weißen Farmer zum Sündenbock für das Versagen seines eigenen Regimes machte und enteignete – mit katastrophalen Folgen für die Nahrungsmittelversorgung und die Wirtschaft des Landes. Malema hat sich oft als glühender Anhänger Mugabes geoutet und dessen Politik als Vorbild für Südafrika gelobt. Erst im September war Malema wegen des Aufrufs zum Rassenhass verurteilt worden, weil er bei Auftritten das alte ANC-Kampflied 'Kill the farmer, kill the boer' angestimmt hatte."

Es wäre an der Zeit, Malema im Zusammenhang mit seinen Mordaufrufen und der ideologischen Wegbereitung eines Genozids vor dem internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.
Schließlich muß man unabhängig vom politischen Klima und der Gewalttätigkeit den Apologeten der Enteignung und Verstaalichung weitgehend die Schuld dafür geben, dass ausländische Unternehmen so gut wie keine langfristigen Investments mehr machen. Der Economist zitiert die Chefin von Anglo American, dem größten privaten Minenbetreiber und Arbeitgeber in Südafrika und weltweit einer der größten Player in dieser Branche. Sie sagt, dass Unternehmen aus Angst vor willkürlichen und unvorhersehbaren Gesetzesänderungen keine langfristigen Investitionen mehr tätigten: "She begged the government for stability and clarity in its policy, particularly over the question of nationalisation, which the ANC's Youth League endorses".
Es ist sehr vielsagend, dass Julius Malema zwar am lautesten nach Verstaatlichung schreit, die scheinbar gemäßigtere ANC-Regierung aber durchaus auch daran denkt. So wurde eine unabhängige Expertenkommission, die die potenziellen Auswirkungen von Verstaatlichung untersuchen sollte und zu dem Ergebnis kam, dass dies riskant und teuer sei und nur als quasi letzte Zuflucht in Betracht käme, schlicht aufgefordert, die Einschätzung zu überarbeiten.

Resümee
Wenn selbst der Kölner Stadtanzeiger schreibt: "Rund der Hälfte der (schwarzen) Bevölkerung geht es heute schlechter als am Ende der Apartheid", darf man davon ausgehen, dass der Handlungsbedarf in Südafrika und auch im Westen und vielleicht sogar auf Seiten der UNO groß ist.
Anstatt also den Fokus auf die getöteten Minenarbeiter und die wohlgesetzten Worte der ANC-Chefs zu legen, denen daran gelegen sein muß, so schnell wie möglich aus dem Blickfeld der internationalen Öffentlichkeit zu verschwinden und andererseits radikalere Exponenten wie Malema aus Angst gewähren zu lassen, um seine Gefolgschaft am offenen Aufstand zu hindern, sollte die Lage Südafrikas generell neu bewertet werden.