Nicht nur Legalwaffenbesitzer, sondern auch aufgeschlossene Zeitungsleser und Fernsehzuschauer können sich mit Recht fragen, warum legale, private Waffen immer und immer wieder auf der Agenda von vielen Medien, Behörden und Politikern stehen, obwohl das ihrer Kriminalitätsrelevanz nicht ansatzweise entspricht, und es zeitgleich erhebliche andere Probleme der Inneren Sicherheit gibt. Die Begründung ist einfach: Eben weil die Innere Sicherheit zeitgleich vor komplexen, schwer beherrschbaren Herausforderungen steht, für die Lösungsstrategien schwer medial vermittelbar sind und den Durchschnittsbürger beeinträchtigen, muss der Legalwaffenbesitz thematisiert werden.
Ich will an dieser Stelle nur drei Problemfelder der Inneren Sicherheit Deutschlands herausgreifen, für die es derzeit wenig oder keine Patentlösungen zu geben scheint:
- Das Wiederaufflackern des gewalttätigen politischen Extremismus
- Das Entstehen eines gewalttätigen islamisch motivierten religiösen Terrorismus
- Die Zunahme von Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum
Man könnte weitere Themen anführen, z.B. den Umstand, dass aufgrund eines Straßburger Richterspruchs rund hundert Gewalttäter 2010 die Sicherheitsverwahrung verlassen konnten – darunter Mörder und Sexualstraftäter, obwohl Gutachter sie für weiterhin gefährlich halten oder die fast 12.000 Fälle von Kindesmissbrauch jährlich. Aber bereits die drei erstgenannten Phänomene sind sehr umfangreich darzustellen.
Das Wiederaufflackern des gewalttätigen politischen Extremismus
Wie bei allen anderen genannten Phänomenen braucht man nicht auf die medienwirksamen Gewaltexzesse anhand von Demonstrationen gegen Stuttgart 21 oder den Castor hinzuweisen. Es sind die vielen kleinen Aktivitäten, die den Bürger beeinträchtigen. So brannten 2010 in Berlin 130 Autos und 2009 216 Autos. Darunter sind nicht nur Mercedes oder BMW, sondern auch Toyota, Golf oder Nissan – Fahrzeuge, die in der Mitte der Gesellschaft gefahren werden. Es handelt sich aber nicht um ein Berliner Phänomen, sondern auch in Hamburg, Köln und anderen Städten brennen mehr und mehr Kraftfahrzeuge. In Kölner Boulevardmedien waren die Autobesitzer abgebildet: vielfach kleine Leute, für die der Verlust des Autos (und damit der persönlichen und beruflichen Mobilität) und erst recht ein Teil der Kosten einen schweren Schicksalsschlag darstellen.
Der Verfassungsschutz geht heute allein im Bereich des linksextremistischen Spektrums, das wir hier beispielhaft betrachten wollen, von 6.600 gewaltbereiten Personen aus (2009; 2008 waren es 6.300). Sie begingen 2009 1.822 Gewalttaten (+53 Prozent zum Vorjahr) und verfügen vermutlich über eine erheblich größere Gruppe von Sympathisanten, Finanziers und Helfern. Außerdem vermischen sie sich wie bei den jährlichen Maikrawallen punktuell mit weiteren militanten Gruppen, z.B. mit an unpolitisch motivierter Gewalt interessierten Kriminellen oder „abenteuerlustigen“ oder an der Auseinandersetzung mit der Staatsmacht interessierten Jugendlichen (auch solchen mit Migrationshintergrund). Die Gewaltbereitschaft dieser Radikalen reicht so weit, dass sie im Rahmen (und Schutz) einer Demonstration „gegen Sozialabbau“ in Berlin 2010, bei der auch rund 500 Vermummte des linken „Schwarzen Blocks“ teilnahmen, einen Sprengsatz zündeten, der 16 Polizisten verletzte.
Fehlende Distanz kann Gewalt begünstigen
Gewalt gegen Sachen und Menschen geschieht nicht zufällig. Denn die Theoretiker des gewaltbereiten politischen Extremismus befassen sich heute nicht mehr wie ihre Vorgänger in den 60er oder 70er Jahren mit ideologischer Haarspalterei und einem unrealistischen Bewundern des Vietcong oder anderer Terrorgruppen. Diese Leute sind pragmatischer und realistischer geworden. Zu ihren „Publikationen“ gehören nicht nur rund 500.000 auf deutschen Servern im Internet kursierende Anleitungen für Sabotage, Brandanschläge und Angriffe auf Polizisten und politische Gegner oder die 80-Seiten starke Broschüre „prisma“, die u.a. schwere Eingriffe in den Bahnverkehr beschreibt. Sie propagieren nun auch einen Lebensstil, mit dem für den totalen Widerstand realistische Zeit- und finanzielle Budgets zur Verfügung stehen. So veröffentlichte Der Spiegel (47/2010) Auszüge aus dem kursierenden anonymen Manifest „Der kommende Aufstand“. In Deutschland wurden bereits nach kurzer Zeit 25.000 Exemplare verkauft (!). Darin wird u.a. der umfangreiche Sozialbetrug und –missbrauch gefordert und erklärt, die geheime Selbstorganisation Linksextremer propagiert und handfeste Anleitung zu Sabotage, Subversion und auch schweren Gewalttaten gegeben. So heißt es u.a. „Für die gegenwärtige Situation wird es keine soziale Lösung geben. … Die Kämpfe schaffen die Sprache, in der man die neue Ordnung spricht. … Was zu tun ist? Sich in Kommunen zusammenschließen … Sich organisieren, um nie wieder arbeiten zu müssen. … Plündern, kultivieren, fabrizieren. … Nach und nach alle Hindernisse umwerfen. … In Waffen sein. … Es gibt keinen friedlichen Aufstand. Waffen sind notwendig … Waffen sind eine revolutionäre Konstante. …sechzig Jahre demokratische Anästhesie und Verwaltung der Ereignisse haben unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, unseren Partisanen Sinn für den laufenden Krieg geschwächt. Genau diese Wahrnehmung müssen wir wieder erlangen, um anzufangen.“ Dieses Schriftstück, das alle bestehenden linken Organisationsformen als Zeitverschwendung abtut und unmittelbar den vollen Einsatz fordert, ist nicht nur „das Böseste“ das man gelesen haben kann, wie ein US-Kommentator sagte. Es ist radikal und brandgefährlich, eben weil es so pragmatisch und alltagstauglich ist.
Eine fundierte und breite öffentliche Diskussion um diese gewaltbereiten Personen und Gruppen ist nicht festzustellen. Nicht nur, dass die ein oder andere Partei offenbar Schwierigkeiten damit hat, sich entschieden abzugrenzen, und der ein oder andere Journalist zumindest ein gewisses Maß an Sympathie empfindet (z.B. wegen der „guten Sache“, um die es eigentlich geht). Auch die behördliche Beherrschung solcherart motivierter Gewaltphänomene ist schwierig. So führten z.B. Polizeieinsätze in Stuttgart zu der Frage, ob der Staat überhaupt entschieden gegen „Bürger“-Protest vorgehen sollte. Selbst Parteien, die ehemals für innenpolitische Hardliner bekannt waren, zögern, sich klar zu positionieren. Kein Wunder, dass das Thema vor sich hindämmert.
Das Entstehen eines gewalttätigen islamisch motivierten Terrorismus
Nicht erst seit den offenbar aus Gefangenenbefragung gewonnen Erkenntnissen zu potenziellen Anschlägen in Deutschland im Winter 2010 und dem vermehrten Auftauchen bewaffneter Polizisten im Straßenbild manifestiert sich zu Recht der Eindruck bei den Bürgern, dass der gewaltbereite Islamismus in Deutschland angekommen ist. Die glücklicherweise vereitelten Anschläge der islamischen „Sauerland Gang“ im öffentlichen Personenverkehr 2006 und die Vorbilder aus New York 2001 (rund 3.000 Tote), Madrid 2004 (191 Tote), Beslan 2004 (331 Tote), London 2005 (56 Tote), Mumbai 2008 (170 Tote) und anderen Städten verdeutlichen, wie nah der Terrorist uns gekommen ist. Der Verfassungsschutz geht von mehreren Tausend gewaltbereiten Gefährdern aus, die religiös hochmotiviert sind, einen nahezu beispiellosen Selbstaufopferungswillen besitzen und teilweise in Terrorcamps in Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern fundiert ausgebildet sind bzw. von denen einige auch Kampferfahrung in Afghanistan, im Irak oder in den Nachfolgestatten der ehemaligen Sowjetunion gesammelt haben.
Islamistischer Terror wird nicht mehr durch einen „turbantragenden Saudi“ mit AK-47 irgendwo im pakistanischen Grenzgebiet verkörpert, sondern zu einem wesentlichen Teil auch durch „home grown Terrorism“, also z.B. den im Westen aufgewachsenen jungen Mann mit Migrationshintergrund oder den deutschen Konvertiten von nebenan, von denen sich nur eine Minderzahl so kleidet oder benimmt, dass sie im Straßenbild auffallen.
Die Endausbaustufe terroristischer Vorhaben
Auch dieses Thema bietet sich nicht für eine breite öffentliche Erörterung an. Im Gegenteil stammen Bücher wie Bruce Bawers „While Europe Slept. How Radical Islam is Destroying the West From Within“ oder Mark Steyns „America Alone“ nahezu ausschließlich aus den USA und werden in Deutschland allenfalls diskret empfohlen. Erstens gerät derjenige, der diese Diskussion anstößt regelmäßig in den Verdacht der Ausländerfeindlichkeit oder des Rechtsextremismus – was häufig seinem politischen oder wirtschaftlichen Ende gleichkommt, auch wenn z.B. seine Bücher Millionenauflagen haben. So warnt z.B. der deutsche Innenminister lieber vor einer „Islamophobie“ anstatt die Imame, die er zum Meinungsaustausch empfängt anzuregen, sich offiziell und entschieden von Gewalt, die sich auf ihren Glauben beruft, zu distanzieren - eine Geste, die zweifellos geeignet wäre, die Integration durch die unbedingte Anerkennung des Grundgesetzes und einer Kultur des gewaltlosen Meinungsaustauschs nachhaltig zu fördern. Zweitens sind selbst dramatische Maßnahmen wie massive Polizeipräsenz faktisch eher hilflose Gesten, die zumindest das Zünden eines schmutzigen oder auch nur herkömmlichen Sprengsatzes im öffentlichen Raum nicht verhindern können. Drittens ist eine wirksamere Gefahrenabwehr mit Einschnitten in persönliche Freiheiten verbunden (z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung oder der Einführung der „Nacktscanner“) die heftige öffentliche Kritik nach sich ziehen.
Zunahme der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum
Es sind nicht nur medienwirksame Fälle wie der brutale Mord an Dominik Brunner oder die ebenso brutale Körperverletzung an dem seitdem geistig behinderten Studenten Mathias R. (interessanterweise geschahen diese und andere Fälle in München, einer Stadt, die rigoroser gegen den privaten Waffenbesitz vorgeht, als es der Innenminister dieses Landes vorgibt). Es ist die Alltäglichkeit von Straßengewalt und die Unfähigkeit, diese wirkungsvoll zu bekämpfen, die Angst macht. Allein in Berlin, wo Justizsenator Körting (SPD) wiederholt durch Maximalforderungen gegen den Legalwaffenbesitz auf sich aufmerksam machte, gab es von Januar bis November 2010 2.600 Gewalttaten im Öffentlichen Nahverkehr, davon richteten sich 2.132 Fälle gegen Fahrgäste. Insgesamt gab es in Bussen und Bahnen sowie Bahnhöfen Berlins 17.328 Straftaten – von der Vergewaltigung über den Raub bis zum Diebstahl. Nur wenige dieser Fälle schafften es in die Schlagzeilen.
Die im Herbst veröffentliche Kriminalitätsstatistik für Deutschland 2009 zeigte ein ähnlich dramatisches Bild: So gab es u.a. 149.301 Fälle schwerer und gefährlicher Körperverletzung, 49.317 Raubdelikte, 369.709 Fälle leichter Körperverletzung und 7.314 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Naturgemäß ist das Dunkelfeld, das insbesondere bei Körperverletzung und Vergewaltigung höher ist als etwa bei Diebstahl, Mord oder Totschlag, hiermit nicht erfasst. Zwar mögen einzelne der genannten Deliktarten um 1,2 oder 1,3 Prozent zurückgegangen sein, andere sind aber gestiegen. Zusammenfassend lässt sich die Lage dieser Deliktarten als unverändert beschreiben. Der Eindruck, Kriminalität werde nur noch verwaltet anstatt wirkungsvoll bekämpft, wird regelmäßig artikuliert und auch im internationalen Raum blamieren sich die Deutschen durch hilflose Versuche, dem Recht nötigenfalls auch bewaffnet zum Durchbruch zu verhelfen. Unvergessen ist die 2009 abgebrochene Aktion von GSG9 und KSK zur Befreiung des deutschen Frachters „Hansa Stavanger“ aus der Hand somalischer Piraten. Der Einsatz der auch im internationalen Vergleich exzellenten Einheiten scheiterte am Kompetenzgerangel deutscher Behörden.
Politik und Medien oft vom "Ende der Geduld" meilenweit entfernt
Ähnlich tabuisiert wie die Diskussion islamisch motivierten Terrors und seiner Ursachen und Unterstützer ist die Diskussion über die Gründe zunehmender Straßengewalt. Natürlich sind Menschen mit Migrationshintergrund oder moslemischem Glauben nicht per se krimineller als solche ohne. Aber es ist eben schon auffällig, dass Studien zeigen, dass Jugendliche islamischen Glaubens mit Migrationshintergrund offenbar oft ein anderes und vielfach problematischeres Verhältnis zur Gewalt haben als andere. Dem öffentlichen Interesse an diesem Thema, das sich z.B. durch die Millionenauflagen des Buches „Das Ende der Geduld“ zeigt, findet keine mediale oder politische Entsprechung. Das wäre schnell als „Populismus“ gebrandmarkt.
Wie gefährlich ist dagegen privater Legalwaffenbesitz?
Die Frage ist einfach zu beantworten: Er ist nicht gefährlich. Und wer sagt das? Zum Beispiel die folgenden internationalen Zitate:
"Moderne Schusswaffen sind seither – bis auf einige Jagdwaffen – in Großbritannien für den Privatbesitz verboten. Ein Erfolg? Mitnichten. Die Rate der Straftaten mit Schusswaffen geht seither ungebremst weiter nach oben und hat Größenordnungen erreicht, die weit über den vergleichbaren Zahlen hierzulande liegen. Im Jahr 2007 gab es – wie der „Telegraph“ die britische Innenministerin Jacqui Smith zitierte – mehr als 10.000 Straftaten mit Schusswaffen, weit mehr als das Doppelte wie in Deutschland. In den britischen Großstädten hat sich eine höchst gefährliche Subkultur entwickelt, in der es für Jugendliche zur Selbstverständlichkeit gehört, bewaffnet zu sein – gerade auch mit Schusswaffen. Die Illegalität des Waffenbesitzes ist keine Abschreckung, im Gegenteil. … Was ist eigentlich nach dem Amoklauf vom April 2002 in Erfurt passiert? Dass das Waffengesetz verschärft und die Einstellung von deutlich mehr Schulpsychologen angekündigt wurde. Angekündigt – dabei ist es weitgehend geblieben. Mehr fachkundiges Personal einzustellen hätte ja auch Geld gekostet."
W. Dicke: Waffen im Visier – doch das Problem ist viel komplexer. In: Deutsche Polizei 5/2009. www.gdp.de/id/_dp200905/$file/DeuPol0905.pdf
“A third myth is that the United States has such a high murder rate because Americans own so many guns. There is really no international evidence backing this up. This claim is usually based on a comparison of a few artfully selected countries. When you look at the data available for dozens of countries, there is no real relationship. Many countries - including Switzerland, New Zealand, Finland, and Norway - have gun ownership rates similar to what we have here in the United States, yet they have relatively low murder rates. ... Israel probably has one of the highest gun possession rates in the world, yet it has a murder rate that is about 40 percent below even Canada’s.”
J.R. Lott: More Guns, Less Crime. Understanding Crime and Gun Control Laws. In: American Experiment Quaterly. Summer 1999. www.americanexperiment.org/uploaded/files/aeqv2n2lott.pdf
"Das Hauptargument für eine Verschärfung der Waffengesetze ist meistens die Verfügbarkeit von Waffen und ihre Gefährlichkeit für den Einsatz bei Delikten und Gewalttaten. ... Als Ergebnis kann eindeutig festgestellt werden, dass die Verschärfung des Waffengesetzes im Jahr 1996 keinen Einfluss auf die Delikte des Waffengesetzes hatte. ... Die Untersuchung hat offengelegt, dass vor allem ein großes Angebot an ohnehin schon illegalen Waffen die Zahlen zu den Delikten ansteigen lässt. … Der angesprochenen Argumentation, dass ein Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Schusswaffen und ihrer Verwendung bei Delikten bestehe, widersprechen die Zahlen der Kriminalstatistik zumindest in Österreich ganz offensichtlich. Da somit einer der propagierten Hauptzwecke einer Verschärfung der Waffengesetze verfehlt wird, wundert es den kritischen Beobachter, dass es überhaupt eine Diskussion in diese Richtung gibt."
B. Klob: Schusswaffen-Delikte in Österreich. In: IWÖ – Nachrichten 4/2009. (Autor ist am Institut für Strafrecht und Kriminologie, Universität Wien tätig) www.vdw-duesseldorf.de/documents/Schusswaffen-Delikteinosterreich_IWOE_Klob.pdf
"In der zukünftigen Diskussion über den Waffenbesitz und die Waffengesetzgebung in Deutschland muss die Tatsache, dass legale, erlaubnispflichtige Schusswaffen keine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen, berücksichtigt werden."
A.S. Dobat, A. Heubrock, J. Stöter: Waffenbesitz und Waffenmißbrauch in Deutschland. In: Kriminalistik 12/2006. www.psv-murnau.de/pol09/statistik.pdf
"Aus meiner staatsanwaltschaftlichen Praxis sind mir jedoch nur sehr wenige Strafverfahren wegen Verstöße gegen das Waffenrecht erinnerlich, die sich gegen Beschuldigte richteten, die Inhaber einer gültigen waffenrechtlichen Erlaubnis waren. Diese wenigen Verfahren wurden fast durchweg wegen des Verdachts 'leichterer' Verstößen geführt, die nicht selten in der Komplexität des Waffengesetzes begründet waren. … Natürlich muss das immense Leid der vielen Angehörigen und das sichtbare Mitgefühl in der Bevölkerung besonders starker Anlass sein nach Wegen zu suchen, vergleichbare Taten künftig möglichst zu verhindern. Die dabei entwickelten Ideen müssen aber auch frei von emotional beeinflussten Bewertungen einer Tauglichkeitsprüfung Stand halten. Wer die im polizeilichen Sprachgebrauch als 'Amoklagen' bezeichneten Einsätze näher überprüft wird feststellen, dass als Tatwerkzeuge keineswegs nur Schusswaffen und wohl nur in wenigen Fällen legal erworbene Faustfeuerwaffen in näherer und weiterer Vergangenheit zum Einsatz kamen. Solche Täter bedienen sich nicht selten verschiedener anderer Werkzeuge, voran Stichwaffen. Aber auch Autos wurden eingesetzt und sogar der Fall eines Flammenwerfers als Tatwaffe ist dokumentiert. ... Den Vorschlag, (legale) Schusswaffen weitgehend oder vollständig nicht mehr in den Wohnräumen des privaten Erlaubnisinhabers, sondern zum Beispiel gesammelt aufzubewahren, halte ich nicht für weiterführend.“
Oberstaatsanwalt R. Hofius, Referent in der Strafrechtsabteilung des Ministeriums der Justiz Rheinland-Pfalz, Stellungnahme für den Innenausschuss des Deutschen Bundestages zur Öffentlichen Anhörung am 15.6.2009 zur Änderung des Waffenrechts www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse/a04/anhoerungen/Anhoerung_25/Stellungnahmen_SV/Stellungnahme_04.pdf
„Das Gefahrenpotenzial der Waffenkriminalität liegt in Deutschland schwerpunktmäßig im illegalen Besitz und Führen von Waffen. Allerdings ist die Anzahl der Straftaten unter Verwendung von Schusswaffen seit dem Jahr 2005 rückläufig, zudem kamen in rund 74% der Fälle des Berichtsjahrs überwiegend erlaubnisfreie Schusswaffen wie Gas-/Alarm- und Druckluftwaffen zum Einsatz.“
Bundeskriminalamt: Bundeslagebild Waffenkriminalität 2007. http://www.bka.de/lageberichte/waf/bundeslagebild_waffenkriminalitaet_2007.pdf
Was bleibt denn noch als Thema?
Einige der relevantesten Themen der Inneren Sicherheit können offenbar nicht öffentlich diskutiert werden, ohne die Gefahr der Ächtung kritischer, aber möglicherweise sicherheitswirksamer Positionen nach sich zu ziehen. Behördliche Aktivitäten sind häufig unpopulär, oft gefährlich für die Beteiligten und schwer umzusetzen – vor allem ohne öffentliche Entrüstung nach sich zu ziehen.
Der legale Waffenbesitz hingegen bietet sich als Thema an:
Erstens sind Waffen als solche in einem Teil der Gesellschaft – darunter auffallend viele Medienschaffende – geächtet und Waffenbesitzer verfügen eben doch (noch?) nicht über eine schlagkräftige Lobby (es macht sich aber gut, eben das zu behaupten, denn dann werden Waffen noch gefährlicher - Verschwörungstheorie pur!). Im Gegenteil verfügen Legalwaffengegner über eine wirkungsvolle internationale und nationale Vernetzung, die es geschafft hat, falsch, aber erfolgreich den Eindruck zu vermitteln, zwischen einem jagdlich geführten deutschen Drilling und einem ursprünglich ukrainischen Mörser auf dem Schwarzmarkt bestehe faktisch kein Unterschied.
Zweitens hat niemand von Legalwaffenbesitzern etwas zu befürchten – weder bei einer Kontrolle (anders als bei einem Polizeieinsatz an einem „sozialen Brennpunkt“ etwa, wo sich die Beamten durchaus plötzlich einer Anzahl gewaltbereiter Jugendlicher gegenüber sehen können). Gut, es mag einige Protestschreiben geben, aber zunächst sind Legalwaffenbesitzer ja gerade behördlicherseits als ungefährlich klassifiziert (sonst wären es keine), weiters besteht ohnehin kein Naheverhältnis (Leser, Abonnent, Wähler, Mitglied) zwischen den schärfsten politischen Gegner und den unfairsten Medien auf der einen und Jägern, Schützen und Sammlern auf der anderen Seite, und schließlich weisen die sozialdemographischen Merkmale der meisten Legalwaffenbesitzer nicht darauf hin, dass ein umfassender und phantasievoller Protest in der Fläche gegen Restriktionen und überzogene Forderungen zu erwarten ist.
Es ist nicht davon auszugehen, dass es eine gigantische Verschwörung und Absprache gibt, an Stelle der drei tatsächlichen Sicherheitsprobleme den legalen Waffenbesitz zu stigmatisieren und zu verfolgen. Aber erstens gibt es das kommunikationswissenschaftlich beschriebene Phänomen der Schweigespirale (verkürzt gesagt: man schweigt mit scheinbar unpopulären Meinungen und macht sie dadurch erst unpopulär, weil sie schließlich niemand mehr äußert) und zweitens bedarf es gar keiner Absprache, weil einige Medien, Politiker und Behörden jeweils unterschiedliche Partikularinteressen damit verfolgen können, die drei Themen nicht zu erörtern, wohl aber den kriminalistisch irrelevanten Legalwaffenbesitz anzugreifen. Hauptsache man vermittelt den Eindruck, „etwas zu tun“, um den Bürger zu schützen.
Das ist in etwa vergleichbar mit der Firma, in der einschneidende Veränderungen anstehen und wo erst einmal die Parkordnung geändert wird. Warum? Weil die allermeisten Mitarbeiter genug damit zu tun haben, sich mit diesem leicht verstehbaren Sachverhalt zu befassen und ihn kontrovers zu diskutieren und damit weniger über Merger, Acquisition oder Börsengang sinnieren.
Und: Gesetze und soziale Ausgrenzung kosten auch gar nichts. Notfalls schützt man den Bürger eben auch vor etwas, das ihn gar nicht gefährdet, wenn es bloß nichts kostet und „keinen Stress“ verursacht (bezeichnenderweise werden zwar zumindest rechtlich fragwürdige anlasslose Kontrollen eingeführt, nicht aber die Zahl der Kontrolleure erhöht – bis auf dem untauglichen Versuch, ein paar 400-Euro-Kräfte oder hilfswillige Rentner einzustellen). Deutschland wird nicht nur am Hindukusch verteidigt. Deutschland wird auch mit jeder einzelnen Bestimmung "verteidigt", die den privaten Waffenbesitz einschränkt - so lautet der platte und falsche Slogan der Waffengegner.
Dies aber kann man sehr wohl als eine große Irreführung verstehen. Es ist an der Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Fangen wir damit an, dass wir die Dinge beim Namen nennen.
Verweise