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Jagd in Russland – Rezension von „Kein Pulver – keine Feder“

Ich nehme „Kein Pulver – keine Feder. Ein Jahr unter sibirischen Berufsjägern“ von Christoph Stubbe auf ein langes Jagdwochenende mit. Vielleicht werde ich während der Fahrt etwas lesen, denke ich vorher, greife aber dann in den Pausen zwischen Morgen- und Abendpirsch und Ansitz immer wieder zu dem Buch. Der Verfasser verbringt als „DDR-Bürger“ in den 70er Jahren ein Jahr zum Studium in Sibirien und lernt unmittelbar und unter primitivsten Bedingungen die dortigen Jagdmethoden kennen. Das Buch ist nicht nur für Jagdreisende nach Russland interessant.
Das Buch ist über weite Teile sehr lesenswert – oft allerdings eher wegen des Überlebens des Menschen in feindlicher Umgebung und wegen dem Fertigwerden mit primitiven Rahmenbedingungen (z.B. selbst gefertigten Flintenlaufgeschossen), als wegen der eigentlichen Jagd - und bietet einen einmaligen Einblick in die Jagdpraxis in der Sowjetunion.
                         
                               
Um die drei Kritikpunkte dennoch gleich vorweg zu nehmen: Das Buch hat einige Längen (so müsste man ist die dritte erfolglose Fußpirsch nicht in gleicher Weise wie die erste schildern), es beharrt auch heute noch zu sehr auf einer „DDR- bzw. Ostblockperspektive“ (man muss sicherlich nicht aktiver Regimegegner gewesen sein, aber heute bedürften die Zwänge dieses Systems – in jagdlicher und gerade in alltäglicher Hinsicht – doch einer kritischeren Würdigung) und die nahezu ausschließliche Beschränkung auf Flinte und Falle ist angesichts der Möglichkeiten des Jagdgebiets äußerst bedauerlich. Die Präzision von eigenhändig aus einem Stuck Blei gefertigter Flintenlaufgeschossen in selbst geladenen Patronen (freilich ohne Pulverwaage o.ä.) ist erwartungsgemäß dürftig und das Beherrschen der Waffe nimmt einen erstaunlich geringen Stellenwert ein. Wie reizvoll muss heute deshalb mit moderner Waffe und Ausrüstung eine Jagdreise nach Sibirien sein (und erinnert das hysterische Verbot gezogener Läufe nicht an manche aktuelle Waffenrechtsdiskussion)? Man muss dazu nicht, wie der Verfasser anzunehmen scheint, in übel riechenden Hütten auf dem Boden schlafen. Das hat nichts mit Jagd zu tun, sondern mit den Rahmenbedingungen eines harten Lebens in Armut und unter dem Kommunismus. Trotzdem macht das Lesen des Buches Spaß: Pirschgänge zu Fuß im sibirischen Winter, die – allerdings gewöhnungsbedürftige und gefährliche - Jagd auf einen Bären, der Einsatz sibirischer Laikas und der Arbeitsalltag sibirischer Berufsjäger – das alles ist nicht nur offensichtlich sehr authentisch, sondern auch spannend beschrieben. Erstaunlich ist, wie wenig Kenntnis in Sibirien von den möglichen Zubereitungsarten des Wildbrets bestand und wie selten der jagdliche Erfolg war. Jagd ist hier nicht Passion, sondern ausschließlich Sicherung des Überlebens. Aber auch diese ursprüngliche Perspektive, die wir heute weltweit natürlich noch häufiger antreffen, als es Jagdkritiker wahrhaben wollen, erweitert unseren Horizont. Die Qualität der Bilder entspricht leider dem Herstellungsjahr. Aber sie illustrieren etwas die heute in Deutschland unvorstellbaren Lebensbedingungen Sibiriens.

Prof. Dr. Stubbe ist Jagdwissenschaftler und leitete zuletzt an der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Hamburg das angegliederte Fachgebiet Wildtierökologie und Jagd.

Christoph Stubbe: Kein Pulver – keine Feder. Ein Jahr unter sibirischen Berufsjägern. 19,95 Euro

Vorbereitung auf die Auslandsjagd