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Der Kormoran-Konflikt

Der Kormoran (Phalacrocorax carbo) ist ein gänsegroßer Wasservogel und frisst täglich zwischen 300 und 500 Gramm Fisch. In Europa gibt es 1,5 bis 2 Millionen Kormorane. Obwohl sich die Bestände erholt haben und die Zunahme des Kormorans und sein enormer Nahrungsbedarf die Fischereiwirtschaft und die Sportangler erheblich beeinträchtigen, ist er nach wie vor in Deutschland besonders geschützt. Die Ausbreitung des Kormorans schädigt darüber hinaus auch einige Fischarten, wie z.B. den bedrohten Aal. Deshalb erlaubt das Bundesnaturschutzgesetz ausnahmsweise Eingriffe in die Bestände im Sinne einer Bejagung. Allerdings hat sich der Kormoran – ähnlich dem Wolf – zu einem Symbol von Natur- und Tieraktivisten und –organisationen entwickelt und steht im Zentrum einiger ihrer Kommunikationskampagnen. Dem gegenüber finden Positionen von Jägern und Anglern weniger Gehör, so dass mit einem Auslaufen der jagdlichen Regulierung gerechnet werden muss.
Das Bundesnaturschutzgesetz (§ 45) sieht vor, dass Eingriffe in die Bestände des Kormoran zulässig sind, wenn sie nachprüfbar belegt werden und ein zumutbares Maß überschreiten. Zudem darf es keine Alternativen geben (z.B. Vergrämung oder geänderte Bewirtschaftungspraxis), der Bestand des Kormorans darf nicht nachteilig beeinflusst werden, und es müssen wissenschaftlich abgesicherte Erfolgsaussichten bestehen. Diese Einschränkungen erschweren erheblich eine wirkungsvolle Regulierung des Kormorans, denn erstens erfordern sie, dass ein Schaden bereits umfänglich eingetreten sein muss (dadurch ist der fischwirtschaftliche Schaden bereits unwiderruflich entstanden) und zweitens kann vom einzelnen Fischer und Angler nicht erwartet werden, wissenschaftlich abgesicherte Prognosen zu stellen – insbesondere dann nicht, wenn ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage bereits gefährdet oder auch schon vernichtet ist.
                        
Zwar haben mittlerweile einige Bundesländer eine Ausnahmegenehmigung in Form einer Kormoranverordnung erteilt – allerdings sind einige bereits ausgelaufen oder laufen demnächst aus (die Kormoranverordnung in Nordrhein-Westfalen endete 2010) und die Politik wird Seitens Umwelt- und Tierorganisationen bereits teilweise heftig unter Druck gesetzt, diese nicht zu erneuern.
       
                
In der Kormoranverordnung von Mecklenburg-Vorpommern, die 2007 verabschiedet wurde und noch bis 2012 gilt, heißt es z.B. „Zur Abwendung erheblicher fischereiwirtschaftlicher Schäden wird … allgemein zugelassen, Kormorane (Phalacrocorax carbo) abweichend von § 42 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes durch Abschuss zu töten. Als Munition darf Bleischrot nicht verwendet werden. … Zur Nachsuche sind brauchbare Jagdhunde zu verwenden. … Der Abschuss und die Vergrämung der Kormorane sind gestattet, wenn sie sich auf, über oder in einem Abstand von weniger als 300 Metern von 1. fischereiwirtschaftlich genutzten Binnengewässern …oder 2. Anlagen der Teichwirtschaft, Fischhaltung und Fischzucht … aufhalten. … Nicht getötet oder vergrämt werden dürfen Kormorane 1. in Nationalparken und Naturschutzgebieten, 2. in Brutkolonien im Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Juli und 3. an Schlafplätzen. … Der Abschuss ist im Zeitraum vom 1. August bis 31. März in der Zeit von eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang bis eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang zulässig. … (1) Zum Abschuss … sind berechtigt 1. jagdausübungsberechtigte Personen im Gebiet ihres Jagdbezirkes, 2. von ihnen zum Abschuss ermächtigte Personen, 3. Fischereiausübungsberechtigte nach § 4 Abs. 4 des Landesfischereigesetzes im Bereich der von ihnen fischereiwirtschaftlich genutzten Binnengewässer mit Zustimmung des jeweils zuständigen Jagdausübungsberechtigten oder 4. Betreiber von bewirtschafteten Anlagen der Teichwirtschaft, Fischhaltung und Fischzucht im Bereich der von ihnen betriebenen Anlagen mit Zustimmung des jeweils zuständigen Jagdausübungsberechtigten, wenn sie Inhaber eines gültigen Jagdscheins sind. … Der jeweils zuständige Jagdausübungsberechtigte hat der unteren Jagdbehörde bis zum 10. April eines jeden Jahres die Gesamtzahl der im Vorjahr in seinem Jagdbezirk abgeschossenen Kormorane schriftlich mitzuteilen.“
                 
Diese Beschreibung zeigt deutlich, wie restriktiv die Bejagung des Kormorans betrieben werden darf. Auch wenn der Kormoran nicht im Jagdrecht vorkommt, so ist der Begriff „Abschuss“ doch irreführend und der Begriff „Verfolgung“, den selbst das Bundesamt für Naturschutz verwendet, für Jäger und Angler diskriminierend. Denn üblicherweise assoziiert man in Deutschland mit dem Begriff „Verfolgung“ keine Wasservögel. Auch wenn der Kormoran auf Basis von besonderen Verordnungen bejagt wird, wird er immer noch waidgerecht bejagt und nicht einfach vernichtet. Der Konflikt um den umstrittenen Wasservogel ist auch ein Konflikt um Worte und die Deutungshoheit.
                       
Dass diese Bejagung des Kormorans nicht von langer Dauer sein wird, lassen einige Beobachtungen vermuten. Der Wasservogel wurde von der Umweltorganisation NABU und dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern programmatisch zum Vogel des Jahres 2010. Er hat sich zum Lieblingsobjekt diverser Organisationen entwickelt – und ist sogar teilweise mit erheblichem Merchandising kommerzialisiert und verniedlicht worden. So bietet der NABU u.a. an: „Tauchen Sie ein in die Welt des Kormorans und entdecken Sie seinen Lebensraum per Mausklick. Werden Sie Kormoranfreund und geben sie dem oft zu Unrecht verfolgten Vogel eine Stimme. Prominente wie Gerhard Polt und Senta Berger sind bereits dabei“ oder „Verschicken Sie die neuen Kormoran-Cartoons oder einen der beiden Schnappschüsse vom Vogel des Jahres 2010. Freunde und Familie, liebe Kollegen oder Mitschüler freuen sich bestimmt über die fröhlichen Kormoran-Grüße.“
                
Diese Form der Emotionalisierung hat Folgen: In Nordrhein-Westfalen läuft die Kormoran-Verordnung aus und ihre Erneuerung erscheint – insbesondere angesichts der von der Linken tolerierten Regierungskoalition von SPD und Grünen fraglich. Das Nachsehen haben Jäger, Angler und Fischer. Allerdings gelingt es Anglern und Fischern besser als oftmals den Jägern, sich öffentlich zu artikulieren und wenn es notwendig ist, auch massenhaften Protest – vermeintlich ausschließlich das Mittel der Umweltorganisationen – zu organisieren. So demonstrierten z.B. im März 2010 mehr als 6.000 Angler, Teichwirte und Berufsfischer unter dem Motto „Das Schweigen hat ein Ende“ in Ulm gegen den überzogenen Kormoranschutz. Pikanterweise fand parallel eine Tagung des NABU statt – auch die dadurch entstandene medienwirksame Parallelität der Ereignisse ist üblicherweise ein Mittel von Umweltaktivisten.
                                  
Beispielhaft sind auch gemeinsame Aktionen von Jägern und Anglern wie im Februar 2010 an der Weser. Nach einem Bericht des „Rheinisch Westfälischen Jägers“ erlegten sie 78 Kormorane, die zuvor den Besitzern der Fischereirechte erhebliches Kopfzerbrechen bereitet hatten. Jeder Jäger wurde von einem Angler begleitet und man nahm auch das Streckelegen und Schüsseltreiben gemeinsam vor. Nicht nur, weil Jäger und Angler wie erwähnt viel gemeinsam haben oder, weil viele Jäger auch (zumindest gelegentlich angeln), lohnen sich solche Aktionen. Man kann auch viel voneinander lernen – z.B. die Auffassung, dass es natürlich nicht um vollständige Vertreibung dieses Vogels geht, sondern um eine vernünftige und maßvolle Reduzierung. Insofern ist die Forderung nach Erneuerung der Kormoranverordnung in NRW mehr als verständlich. Die Bejagung im Rahmen dieser Verordnung seit 2006 (jeweils 16.9. bis 15.2.) ermöglichte jedenfalls eine Reduzierung der Brutpaare auf 800 bis 1.000 bzw. das Überwintern von rund 7.500 Einzeltieren. Schon diese Zahlen zeigen, dass von einer Bedrohung dieser Art keine Rede sein kann.