School Shootings: Immer noch nichts gelernt

Wieder gibt es in den USA ein schreckliches Verbrechen an Schülern und wieder kann vielfach von einer angemessenen Aufarbeitung nicht die Rede sein. Dass oft Kommerz und Headlines wichtiger zu sein scheinen, als Prävention, macht mich als Vater besonders wütend.
Experten können hundert Mal davor warnen, dem Killer Aufmerksamkeit zu schenken, seine Waffen zu zeigen, seinen Namen zu nennen, seine Motive rauf- und runterzudiskutieren oder gar spektakuläre "Opferlisten" inklusive der Vergleiche, wer der schlimmere Killer ist, oder gar "Actionbilder" von der Tat zu veröffentlichen. Viele Medien können darauf scheinbar nicht verzichten. Dass so etwas in den vielgescholtenen sozialen Netzwerken passiert, ist wohl unvermeidlich. Aber heißt es nicht, dass professionelle Journalisten eben den Unterschied machen?

Und genau so geht es weiter. Gerne werden weiter Klischees bedient, die von den durchgeknallten, waffengeilen Amis generell über die besondere Gefährlichkeit des AR-15 bis hin zur allmächtigen Waffenlobby und dem obligatorischen Trump-Bashing reichen. Ist damit irgendetwas erklärt? Kommen wir damit dem Verständnis oder gar der Verhinderung solcher Taten näher? Ich glaube nicht. Ich glaube, wir entfernen uns davon immer weiter.

Manche Binsenweisheiten finden bei vielen unserer tollen Medienleute nach wie vor keine Beachtung: Es gibt in den USA nicht ein einheitliches Waffengesetz, ein Selbstlader schiesst nicht vollautomatisch, Gesetze und Verbotsschilder allein verhindern keine Verbrechen, Meldungen über verhaltensauffällige potenzielle Gefährder müssen ernst genommen werden, die Häufigkeit von Erkrankungen, die mit Psychopharmaka behandelt werden bei School Shootings ist auffällig etc.

Einmal Einschaltquoten, Clicks und Auflage optimieren und sich selbst besser fühlen, weil man ja diese Wahnsinnstaten versteht, weiß, wie man sie verhindert und hier eben auch das gute und sichere Deutschland ist, in dem wir ohne Angst leben können ...

Was mich besonders traurig und wütend macht sind Fragen, die nicht gestellt werden: Wenn wir fast jedes Volksfest mit Betonpollern schützen, jedes kleine Amtsgericht und jeden Provinzflughafen mit Metalldetektoren und jedes etwas größere Geschäft mit Securitymitarbeitern, warum schützen wir dann das Wertvollste, was wir haben, nämlich unsere Kinder, nicht einmal annähernd so gut? Warum kann man z.B. oft einfach so in unsere Schulen rein? Als ich letzte Woche einen vergessenen Turnbeutel brachte, sah der Lehrer im Klassenraum nicht mal auf, als ich die Türe öffnete und mit Kindern sprach. Um die englische Partnerschule ist ein Zaun und Pförtner kontrollieren die Legitimation, das Schulgelände zu betreten.

Ich frage mich schon lange: Ist es wichtiger, dass der schöne Schein gewahrt wird? Darf man Kindern und Eltern nicht zumuten, dass sie eine mögliche Gefahr und ihre Prävention sehen, anstatt, dass sie nur unsichtbar vorhanden ist?

Als es damals an der Grundschule meiner Kinder Vorfälle mit "Männern" gab, die sich Kindern genähert oder kleine Mädchen fotografiert hatten, musste ich mir von der Schulleiterin anhören, eine Information aller Eltern "verunsichere nur" und Kameraüberwachung "sei illegal". Das ist die gleiche Person, die an Karneval so konsequent durchsetzt, dass z.B. die kleinen Pirat*innen ohne Gummisäbel erscheinen und selbst Zauber*innen (Hexen sind scheinbar ohnehin unerwünscht, da nicht sauber durchzugendern) ohne Plastikzauberstab.
Mit dem Ortspolizisten hatte ich eine Meinungsverschiedenheit, als ich den Aufwand von täglich zwei Mitarbeitern des Ordnungsamtes gegen falsch haltende oder parkende Muttis und Papis mit dem gegenüber mutmaßlichen Kinderschändern verglich.
Und die Lokalpresse schwieg natürlich wieder einmal. Das ist jenes Blatt, dass damals bei der Personenbeschreibung des Exibitionisten in unserem Wald "vergass", zu schreiben, dass dieser mutmaßliche Täter schwarz war. Da wir oft und gerne in diesen Wald gehen, ich selbst einmal dort eine komische Type in der Dämmerung gesehen hatte und es auch im Nachbarort einen Vorfall mit einem Exibitionisten gegeben hatte, hätte mich das deshalb interessiert, um zu verstehen, ob es der selbe war. Die Beschreibung "Mann" war zudem wenig hilfreich, um Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen.  Wer in der wertfreien äußeren Beschreibung eines flüchtigen mutmaßlichen Täters das Problem sieht und nicht in dessen Tat, ist meiner Meinung nach eher Teil eines Sicherheitsproblems aller hier lebenden Menschen, als Teil der Lösung.

Wenn ich also jetzt effektheischende Headlines über das jüngste School Shooting lese und meine Kinder in der Schule weiß, dort, wo ich sie nicht beschützen kann, macht mir das Sorge. Genau so Sorge wie diese Gruppenvergewaltiger im Ruhrgebiet oder die Gefahren im öffentlichen Nahverkehr. Ich glaube, dieses diffuse Angstgefühl können viele Eltern verstehen.

Noch mehr Sorge aber macht mir, wenn ich mir vorstelle, wie manche Entscheidungsträger und Medien in diesem Land mit so komplexen Gefahren wie School Shootings oder der von mir als erheblich gestiegen wahrgenommenen Gefahr im öffentlichen Raum umgehen bzw. an welcher Stelle ihrer Agenda sie stehen,  durch welche weltanschauliche Brille sie betrachtet werden und vor allem wie wenig transparent mir das alles ist.

PS: Hier eine Stimme aus den USA, die zum Nachdenken über unsere Vorurteile anregt.