Flinten im militärischen und polizeilichen Einsatz. Eine kurze Einführung

Aus Flinten werden hauptsächlich Schrote und Flintenlaufgeschosse verschossen. Unter Schrot versteht man Bleikugeln (oder heute auch Kugeln aus anderen Metallen wie Weicheisen, Wismut, Wolfram oder Zink) verschiedener Durchmesser, von denen eine bestimmte Zahl Kugeln mit gleichem Durchmesser zu einer Patronenladung zusammengefasst werden.
Flintenläufe können auch Einzelgeschosse verschießen, so genannte Flintenlaufgeschosse (engl. Slugs). Heute gibt es dazu auch Flinten mit gezogenen Läufen. In der Regel waren Versuche, dem Flintenlaufgeschoss durch eine spezielle Formgebung des Geschosses selbst einen Drall zu verleihen, erfolglos. Präzisionsverbessernd wirkte sich jedoch die Erfindung eines zweiteiligen Treibkäfigs („Sabot“) aus (in Deutschland verboten).
Schrotpatronen werden durch Kaliberbezeichnung und Hülsenlänge gekennzeichnet. Historisch bedingt ist der Maßstab zur Kaliberberechnung ein englisches Pfund (453,6 Gramm). 453,6 Gramm Blei in jeweils im Durchmesser gleiche Kugeln aufgeteilt ergeben bei: 12 Kugeln = Kaliber 12 (Laufdurchmesser 18,53 mm), bei 16 Kugeln = Kaliber 16 (Laufdurchmesser 16,84 mm) und bei 20 Kugeln = Kaliber 20 (Laufdurchmesser 15,63 mm).
Die Hülsenlängen sind: 65 mm, 67,5 mm, 70mm, 76 mm, 89 mm. Zwar können Patronen mit kleinerer Hülsenlänge aus größeren Patronenlagern verschossen werden (z.B. eine 12/70-Patrone aus einem 12/76 Patronenlager), aber nicht umgekehrt. Die englischen Kaliber-Bezeichnungen sind „Gauge“ (USA) bzw. „Bore“ (Großbritannien). Das Kaliber 12 wird englischsprachig also als „12 Gauge“ oder „12 Bore“ bezeichnet.
Militärisch genutzt wurden neben herkömmlicher Schrotmunition u.a. besondere Munitionen wie der „Quadrangle Buckshot“ (scharfkantige Einzelgeschosse mit je 2,66 g bzw. viereckiges Postenschrot) für den Einsatz gegen Fahrzeuge und elektronische Apparaturen (verstärkte Zerstörung) sowie so genannte „Flechettes“ (Pfeilgeschosse) und Kugel-Schrotkombinationen („Buck and Ball“). Insbesondere polizeilich genutzte less lethal-Munition sind z.B.: Gummi Slugs, Gummi Buckshot, Bean bags (mit Gummischrot gefüllt), Geschosse mit CS-Gas, Geschosse mit Farbmarkierungen (als Zusatz zu anderen Wirkmitteln), das Extended Range Electronic Projectile von Taser sowie Flash Bang- oder Stun-Geschosse (Blitz-Knall oder Blend-Schock-Munition).
                                                            
Flintenarten
Militärisch und polizeilich genutzt werden im Wesentlichen Vorderschaftrepetierer, halbautomatische und automatische Flinten.
Bei Vorderschaftrepetierern erfolgt die Patronenzuführung durch manuelles Repetieren des Vorderschafts. Beim Zurückziehen öffnet sich der Verschluss öffnet sich, die leere Kartusche wird durch die Auszieherkralle aus dem Patronenlager gezogen und ausgeworfen. Gleichzeitig wird aus dem Magazin eine Patrone auf den Ladelöffel gebracht. Beim abschließenden Vorschieben des Vorderschafts hebt sich der Ladelöffel auf die Höhe des Patronenlagers und der Verschluss drückt eine neue Patrone ins Patronenlager. Englische Begriffe für Vorderschaftrepetierer sind „Slide action“ oder „Pump action“ (eine „Pumpgun“ gibt es also im Englischen nicht). Röhrenmagazine unter dem Lauf fassen bis zu neun Schuss. Weiterhin gibt es seltener Stangenmagazine für Repetierer. Nachteile von Vorderschaftrepetierern sind die Notwendigkeit der Repetierbewegung per Hand, der dadurch entstehende Zeitverzug sowie die Gefahr des zu kurzen Repetierens. Vorteile sind die extreme Zuverlässigkeit mit jeder Munition, trotz Verschmutzung und bei allen Witterungsbedingungen.
In der Bundesrepublik sind für Zivilisten Vorderschaftrepetierer mit Revolvergriff an Stelle des Hinterschaftss sowie mit einer Lauflänge von unter 45 cm und/oder einer Gesamtlänge von unter 95 cm verboten (seit 1.4.2008). In Österreich sind Vorderschaftrepetierer unabhängig von ihrer Beschaffenheit verbotene Gegenstände. Beide Restriktionen sind weitgehend irrationale Bewältigungsstrategien nach Amoktaten bzw. Verbrechen, denn technisch gesehen besteht eine grundsätzlich größere Gefährlichkeit eines Vorderschaftrepetierers als etwa die eines Halbautomaten oder einer Kurzwaffe nicht.
Halbautomatische oder automatische Flinten sind Gasdruck- oder Rückstoßlader und nutzen den entstehenden Gasdruck bzw. Rückstoßimpuls. Die Vorteile dieser Flinten sind das Entfallen der Repetierbewegung und der leichtere Ladevorgang. Die Nachteile sind jedoch die Anfälligkeit bei Munitionsmängeln bzw. unterschiedlichen Ladungen.
                               
Optik
Für die Flinte stehen als Optiken neben dem Flintenkorn, das nicht für eine präzise Zielaufnahme geschaffen wurde, zur Verfügung: Lichtpunktvisiere (z.B. die Modelle Eotech 511, 512), Ghost Ring Sight-Visiere (Ringvisier) sowie Kimme und Korn (Büchsenvisier).
Ein Beispiel verdeutlicht, wie erfolgreich sich diese Optiken nutzen lassen: Ein befreundeter Sportschütze ohne Erfahrung mit Flinten erhielt eine Mossberg Mariner in 12/76 mit einem Eotech-Visier, um damit Rollhasen zu beschießen. Er erhielt eine sehr kurze Einweisung in die Optik. Der Schütze kannte einen solchen Schießstand mit Rollhase oder einen solchen Vorderschaft-Repetierer nicht. Dennoch konnte er auf Anhieb zwischen 8 und 9 von 10 Rollhasen treffen. Auch wenn es sich um einen guten Schützen handelte, ist das Ergebnis bemerkenswert und spricht für die einfache Verstehbarkeit der Optik.
                                                                                               
"Flinte als Entry Tool"
                                 
Einsatz in bewaffneten Konflikten
Bereits im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775-83 wurden Flinten mit „Buck and ball“ (Geschossen mit Posten und Kugeln) eingesetzt.
Weitere Einsätze dieser Waffen fanden beispielsweise statt: 1835 während der mexikanischen Belagerung der von amerikanischen Siedlern verteidigten und zur Festung ausgebauten Missionsstation Alamo, und während des Sezessionskrieges 1861-65. 1897 wurden von US Army und Marine Corps Vorderschaftrepetierer an Stelle der Unterhebelrepetierer eingeführt und u.a. beim Moro-Aufstand auf den Philippinen und in Mexiko gegen Panco Villa eingesetzt.
Im Ersten Weltkrieg erfolgte der Einsatz von sogenannten „trench guns“, Vorderschaftrepetierern mit 6-Schuß-Magazin, Buckshot-Munition und Bajonett, ab 1917 durch die USA. 1918 waren ca. 20.000 Gewehre verfügbar. Die deutsche Regierung hatte erfolglos auf Grundlage der Haager Landkriegsordnung gegen den Einsatz der Flinten protestiert. Dort heißt es in Artikel 22: „Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes“ und weiter in Artikel 23: „Abgesehen von den durch Sonderverträge aufgestellten Verboten, ist namentlich untersagt: [...] der Gebrauch von Waffen, Geschossen oder Stoffen, die geeignet sind, unnötig Leiden zu verursachen.“. Die Frage, ob diese Definition auf die Verwendung von Flinten zutrifft, ist umstritten und wird insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Kampfmitteln wie Giftgas und Flammenwerfern sowie allen möglichen anderen Geschossarten als Vollmantelmunition für Büchsen im Ersten Weltkrieg kontrovers diskutiert.
Im Zweiten Weltkrieg setzten US-Truppen verschiedene Flintentypen im Pazifik ein, nicht nur im Kampf, sondern auch bei der Bewachung von Schiffen, Hafenanlagen, Flugplätzen und anderen ortsfesten Einrichtungen sowie bei der Bewachung von Gefangenen. Weiters setzten die französische Resistance und ähnliche Bewegungen Flinten ein – meist aufgrund mangelhafter Ausstattung mit Kriegswaffen. In diesem Kontext wurde auch das so genannte „Balle Blondeau“-Geschoss von Pierre Blondeau für den Einsatz gegen ungepanzerte deutsche Fahrzeuge erfunden. Die so genannte British Homeguard sah Flinten ebenfalls in Ermangelung von Kriegswaffen vor.
Nach 1945 fanden Flinten Verwendung im Dschungel- und Buschkrieg der Briten während der „Malayan Emergency“ und während des Mau Mau-Aufstandes in Kenia sowie während des gesamten Kalten Krieges als Waffe der Sicherungstruppen von US Airforce und Navy.
Eine besondere Renaissance erlebte die Flinte als Werkzeug zur Öffnung von Türen bei Operationen im urbanen Gelände. So berichtet ein amerikanischer Infanterieoffizier über die Flinte im Einsatz im Irak 2004:

„The shotgun proved to be a very useful weapon for my company. We conducted urban operations in five cities during Operation Iraqi Freedom. For all of these missions the shotgun was the most versatile weapon in our arsenal. ... During urban operations in Iraq, 90 percent or more of the door breaches executed by my infantry squads were with a shotgun. ... When called to conduct a breach, the breach man moves into position, loads the first round, then fires. If it is determined that another shot is required, the breach man will load another round and fire. The firing sequence should be aim, load, fire, reload, fire etc ... After the last shot is fired; the shotgun should not have another shell chambered. After this sequence the door is kicked in, and the team enters and clears the room with the breach man taking up the last position in the stack. The shotgun should be carried on a sling that allows it to hang on the soldier‘s body where it is readily available to switch with the soldiers primary weapon.“

Aktuell verwenden z.B. die US-Streitkräfte die Flinten Mossberg 500 und 590 A1 (Vorderschaftrepetierer), KAC Masterkey (eine modifizierte Remington 870 an einem M16 oder M4) sowie die M1014 (der Halbautomat Benelli M4 Super 90). Die Schweizer Armee verwendet das „Mehrzweckgewehr 9“ (eine Remington 870) und das österreichische Bundesheer ebenfalls die Remington 870 in mehreren Versionen. Das Bundesheer setzt dabei beispielsweise Patrone im Kaliber 12/70 als „Anti-crime/9 Gummikugel“ ein. In einer Taschenkarte für den Einsatz dieser Waffe heißt es: „Das Gummigeschoss darf nur durch im Einsatz dieser Munition ausgebildetes Personal eingesetzt werden. Der Einsatz des Gummigeschosses ist Schusswaffengebrauch. Der Einsatz des Gummigeschosses ist – wenn die Umstände es erlauben – in Englisch oder der entsprechenden Landessprache mit den Worten „NATO, Halt oder ich schieße“ anzudrohen. ... Ohne Androhung ist ein Waffengebrauch nur zulässig, wenn er das einzige Mittel ist, um eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben abzuwehren (z.B. wenn jemand eine Schusswaffe in Anschlag bringt). ...Der Einsatz ist gegen eindeutig identifizierte Personen, von welchen eine Gefährdung von Leib und Leben oder der Aufgabe des Soldaten ausgeht, zulässig. Der Einsatz gegen eine Menschenmenge ist grundsätzlich verboten. ... Bei der Bekämpfung von Personen ist grundsätzlich auf deren Beine zu zielen. Der Einsatz ist grundsätzlich nur gegenüber mindestens 40 m entfernten Personen zulässig.“
                    
Resümee
Die Flinte, insbesondere der Vorderschaftrepetierer, ist eine robuste, zuverlässige und einfach zu bedienende Waffe und ein ebensolches Werkzeug. Sie wird von Militär und Polizei sowie weiteren Vollzugsbehörden eingesetzt: zur Zerstörung von IEDs (Improvised Explosive Devices) und behelfsmäßigen Öffnung der meisten Türen sowie auf Nahdistanz (mit Wirkungseinschränkung aufgrund ballistischer Westen) gegen sich schnell bewegende Ziele (besonders auch kleine Ziele wie gefährliche Hunde), gegen mehrere, auch sich bewegende Angreifer, im Orts- und Häuserkampf, in unübersichtlichem Gelände, für Bewachungsaufgaben (auch als psychologisches Element) und mit less lethal Munition gegen Gewalttäter.

Verweise
Mossberg Mariner
Remington 870
Unternehmensseite Mossberg

Literatur
- B. Barbour: The evolution of the army combat shotgun. In: Military Police. April 2003.
- H. Hoffmann: Die Flinte. 2005.
- R.J. Morgan: The Tactical Shotgun in Urban Operations. In: Infantry Magazine November-December 2004.
- G. Suarez: The Tactical Shotgun. 1996.
- L. Thompson: Einsatzflinten. 2004.