Kriegspropaganda im Zweiten Weltkrieg


Befragungen der Alliierten vom März 1945 zeigten, dass zwischen Dezember 1944 und März 1945 zwischen 66 und 90 Prozent der gefangenen Deutschen alliierte Flugblätter gesehen hatten. Rund zwei Drittel von ihnen gaben an, dadurch auch beeinflußt worden zu sein. Auch wenn diese Zahlen in der besonderen Situation der sich abzeichnenden deutschen Niederlage gesehen werden müssen, vermitteln sie doch einen ungefähren Begriff vom Potenzial der Kriegspropaganda.
Eine genauere Bestimmung ergibt sich aus der praktischen Umsetzung der Propaganda. Eine Direktive des alliierten Expeditionskorps, des Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force (SHAEF), vom 11. März 1944 definierte genau Arten und Wirkungsgebiete der alliierten Propaganda. Demnach ist strategische Propaganda gegen die deutschen Truppen und die Bevölkerung in Deutschland und den besetzten Gebieten gerichtet. Sie soll „den Widerstandswillen des Feindes brechen und die Moral der uns Wohlgesonnen [.] stützen“. Strategische Propagandaaktionen nutzen Rundfunksendungen, Flugblätter, Agenten und Gerüchte. Kampfpropaganda oder taktische Propaganda dagegen richtet sich an die Streitkräfte in den vorderen Linien und die Bevölkerung direkt hinter den feindlichen Linien. Sie greift zurück auf bewegliche Rundfunkstationen, Abhörabteilungen. Lautsprecherwagen, Felddruckereien und taktische Flugblätter.
                                                
                      
Die Deutschen verstanden im gleichen Jahr unter Propaganda „eine Waffe der nationalen wie der internationalen Politik zur Bildung der öffentlichen Meinung.“ Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda erließ grundsätzliche Richtlinien, aber die eigentliche praktische Arbeit führten die Propagandaeinheiten der Wehrmacht durch, überwacht und geleitet von militärischen Dienststellen. Propagandatruppen führten nicht nur taktische Propaganda durch, sondern waren auch für Kriegsberichterstattung zuständig und übten Zensur über militärische Vorgänge aus. Genau wie die Alliierten setzten die Deutschen die Propaganda mit dem Ziel ein, den Siegeswillen der eigenen Truppen und Bevölkerung aufrecht zu erhalten und die Moral des Gegners zu erschüttern.
Der Begriff der Propaganda starb 1945 nicht aus, sondern lebte im kalten Krieg weiter. Aus der politischen Praxis bezeichnete Werner Lambertz, der ehemalige Sekretär des Politbüros der SED, Propaganda als „überzeugende, verändernde (und) zur bewussten Tat führende ideologische Tätigkeit“.
                         
Weiß, schwarz, grau: Arten der Propaganda
Die verschiedenen Formen der Propaganda unterscheidet man auch nach der Offenlegung ihres Absenders. Unter weißer Propaganda versteht man eine Maßnahme, z.B. ein Flugblatt, einen Hörfunksender oder eine Zeitung, die offen einem Absender zuzuordnen ist.
                     

                                
Der Begriff Propaganda wird häufig gebraucht und selten definiert. Der Kommunikationswissenschaftler Gerhard Maletzke versteht Propaganda als „geplante Versuche [.], durch Kommunikation die Meinung, Attitüden, Verhaltensweisen von Zielgruppen unter politischer Zielsetzung zu beeinflussen“.

Weiße Propaganda
Beispiele für weiße Propaganda aus dem Zweiten Weltkrieg sind sowohl unter Sendungen der britischen BBC (British Broadcasting Corperation), als auch unter denen des deutschen Reichsrundfunks zu finden. In den jeweiligen Landessprachen der Gegner wurden Sendungen ausgestrahlt, die der gegnerischen Bevölkerung andere Informationen und Meinungen zur Kenntnis bringen sollte, als die der offiziellen Organe ihrer Regierungen.
Weiße Propaganda wurde auch unmittelbar auf dem Gefechtsfeld erfolgreich praktiziert. Im Zuge des Propaganda-Sonderkommandos „Wintermärchen“ 1944 an der Ostfront wurde einigen grundlegenden Prinzipien zum Durchbruch verholfen. Gemäß einer Denkschrift von Hans Weidenmann, Untersturmführer und SS-Kriegsberichter und nach dem Krieg Mitarbeiter der Zeitschrift „Stern“, wurde nicht nur die Truppe über den einmaligen Stellenwert der Propaganda unterrichtet, ihre Ausstattung mit den notwendigen Propagandatruppen - mindestens ein Zug pro Division oder Armeekorps - und dem entsprechenden Personal und Material verbessert, sondern auch der Massenabwurf durch die Luftwaffe sichergestellt. Man bediente sich auch Feldhaubitzen und Granatwerfer zum Verschuss von Geschossen mit Flugblättern und Ballonen. Weidenmann verlangte, sich auf die Gefechtsfeldpropaganda zu konzentrieren und zusammen forciert Lautsprecherwagen und Flugblätter einzusetzen. Durch enge und standardisierte Zusammenarbeit mit dem Ic-Bereich (Nachrichtengewinnung und Auswertung) sollte die Feindaufklärung besser als bisher in den Dienst der Propaganda gestellt werden. Die Rote Armee befand sich mitten in Angriffsvorbereitung, als Flugblätter und Durchsagen zum Überlaufen aufforderten und Simulationspropaganda die Angst der Soldaten vor dem Einsatz zur Selbstverstümmelung und Simulation von Krankheiten und Verletzungen verleiten wollte. Die größte Schwierigkeit der Überläufer bestand offensichtlich darin, die eigenen Hindernisse zu überwinden und sich nicht gegenüber anderen Soldaten zu verraten. Während eines Angriffes und gegenüber einem bereits erschütterten Feind war deshalb diese Art Gefechtsfeldpropaganda am wirkungsvollsten. Die größten Lautsprecherwagen konnten mit einer 1.000 Watt Anlage unter günstigsten Bedingungen bis zu 9.000 Meter weit senden. Die übrigen Lautsprecherleistungen lagen zwischen 300 und 3.000 Metern Reichweite.
Genaue Überläuferstatistiken liegen für dieses Unternehmen nicht vor. Es gibt jedoch Vermutungen, die sich auf Überläuferzahlen und Gefangenenaussagen der Wehrmacht stützen, dass allein die Rote Armee den Personalbestand von elf Divisionen durch die deutsche Propaganda verloren hat. Eine einzige Propagandakompanie mit Lautsprecherwagen soll im Jahr 1941 12.000 Überläufer gewonnen haben. Insbesondere die Lautsprecherdurchsagen mit Musik der verschiedenen Völker der Sowjetunion und einem Soldatenchor von freiwilligen Gefangenen scheinen die Rotarmisten angesprochen zu haben. Dabei haben aber sicherlich auch die schwer einzuschätzende Einstellungen der Völker in der damaligen Sowjetunion und ihre Unzufriedenheit mit dem stalinistischen Regime geführt. Die anfänglichen militärischen Erfolge der Wehrmacht im Osten dürften auch eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Andererseits gab es während der Wintermonate, in denen die Aktivpropaganda eingestellt wurde, kaum Überläufer und die Gerüchte über die Behandlung in deutscher Kriegsgefangenschaft, die von der sowjetischen Internpropaganda aufgegriffen wurden, stärkten den Widerstandswillen der Rotarmisten.
                
                          
Anders beurteilt Julius Mader, Autor mehrere „Enthüllungsbücher“ über den BND und deutsche Politiker aus der DDR-Sicht des Kalten Krieges, naturgemäß deutsche Propagandaaktionen im Zweiten Weltkrieg, die seiner Beschreibung nach in Zusammenarbeit zwischen Reinhard Gehlens Abteilung Fremde Heere Ost und dem Reichssicherheitshauptamt (RSH) entstanden: „Gehlen hatte nämlich auch die trügerische Hoffnung, die Kampfmoral der sowjetischen Truppen und die politisch-moralische Entschlossenheit der in der Sowjetunion brüderlich nebeneinander lebenden Nationalitäten mit Tausend Tonnen Papier aufweichen zu können“. Der Hintergrund dieser Darstellung eines persönlichen Interesses Gehlens dürfte der Versuch sein, ihn als BND-Chef (aus Sicht der DDR einer der Hauptgegner) mit dem RSH in Verbindung zu bringen und darüber hinaus die unauflösbare Brüderlichkeit der Sowjetvölker zu propagieren, die gleichzeitig gegenwärtige oder - im Falle eines heißen Konfliktes zwischen den Blöcken - zukünftige Maßnahmen westdeutscher psychologischer Kriegführung sinnlos erscheinen lässt.
Reinhard Gehlen selbst beschreibt in seinen Erinnerungen beispielsweise die Aktion „Silberstreif“, bei der 1.500 russische Offiziere und Soldaten und Propagandisten in Dabendorf von den Deutschen geschult und dann eingesetzt wurden. Er gibt zwar keine Erfolgszahlen an, nennt aber die Zahl von 176 Infanterie, Kavallerie und Artillerie Bataillonen und 38 Arbeits-, Wach- und Ausbildungseinheiten in Kompaniestärke, die von Völkern der Sowjetunion und wenigen umliegenden Ländern gestellt wurden.
                                             
Gefechtsfeldpropaganda in deutscher Sprache, die sich gegen die Wehrmacht richtete, wurde auch durch übergelaufene deutsche Soldaten in den Diensten der Roten Armee betrieben. Nicht nur als solche gekennzeichnete Angehörige des sogenannten „Nationalkomitee Freies Deutschland“ arbeiteten mit Lautsprecherwagen, Flugblättern und Zeitungen direkt an der Front gegen ihre ehemaligen Kameraden, sondern auch Überläufer in sowjetischen Uniformen. Teilweise wurden Überläufer sogar in ihrer Wehrmachtsuniform als verdeckt kämpfende Truppen eingesetzt. Als Spähtrupps getarnt konnten sie Propagandamaterial direkt in die Hauptkampflinie der Wehrmacht bringen.
Eine Veröffentlichung aus der DDR über das Nationalkomitee beschreibt erstaunlich offen, allerdings mit deutlich verherrlichendem Charakter, wie diese Stoßtrupps des völkerrechtswidrig auf Seiten der sowjetischen Armee in ihren deutschen Uniformen (teilweise mit gefälschten Papieren, Orden und Dienstgraden) in die deutschen Linien eingesickert sind, um dort Fernaufklärung zu betreiben oder propagandistisch zu arbeiten: „‘Danke’, näselt der Führer des Fernspähtrupps und hebt lässig die Hand an die Mütze, täuschend ähnlich einem typischen Offizier der faschistischen Wehrmacht [...] Und damit die Feldgendarmen erfuhren, wen sie so großzügig beliefert hatten, wurde auch ihnen als Dank für ihre Freundlichkeit der Aufruf des Nationalkomitees ‘Freies Deutschland’ an die Fensterläden geklebt“. In welchem Dienst das so genannte Nationalkomitee stand, wird unumwunden zugegeben: „In Begleitung des sowjetischen Gardeoberstleutnant Kusinen fahre ich heute als Frontbevollmächtigter des Nationalkomitees ‘Freies Deutschland’ mit der Eisenbahn von Moskau nach Leningrad. [...] Im Gepäck führe ich die Uniform eines deutschen Leutnants mit breiter schwarz-weiß-roter Armbinde mit. Ich will das Manifest des Nationalkomitees unter den deutschen Soldaten und Offizieren propagieren“.
                
                     
Die positive Darstellung der Ergebnisse des Nationalkomitees in der DDR-Publikation täuschten über die weitgehende Wirkungslosigkeit der sowjetischen Propaganda hinweg: „Die Frage, wo in Deutschland der Sender ‘Freies Deutschland’ gehört wird, kann mit dem Wort ‘überall’ beantwortet werden. [...] In M. wurde der Sender ‘Freies Deutschland’ während eines Infanterieausbildungslehrganges in den Baracken mehrere Wochen lang allabendlich gehört. In einem Fliegerhorst wurde bereits im Juni 1944 der Sender des Nationalkomitees durch Lautsprecher auf allen Stuben gehört, da der Radioempfang aus dem Zimmer des Unteroffiziers vom Dienst zentral geregelt wurde“. Auch die Verwendung von deutschen Redakteuren und Sprechern konnte der sowjetischen Propaganda zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd die Glaubwürdigkeit westalliierter Maßnahmen verschaffen.
                        
Schwarze Propaganda
Im Gegensatz zur weißen Propaganda gibt schwarze Propaganda aber immer einen falschen oder fiktiven Absender oder Urheber an.
Ein Beispiel dafür aus dem Zweiten Weltkrieg ist der „Soldatensender Calais“, der sich als Wehrmachtssender ausgab, aber von einer britischen Täuschungseinheit des SHAEF betrieben wurde.
Die Deutschen betrieben während des Frankreichfeldzuges den Sender „Radio Humanité“, der vom Propagandaministerium betrieben wurde und unter kommunistischer Tarnung wesentlich dazu beitrug, eine gewaltige Flüchtlingswelle hinter den Linien der französischen Armee und des britischen Expeditionskorps auszulösen und so ihre Operationsfreiheit zu beeinträchtigen. Ein anderer schwarzer deutscher Sender „Camerade du Nord“ versuchte vor Ausbruch der Kämpfe 1940 den Eindruck zu erwecken, es handele sich um einen französischen Untergrundsender, der für eine Politik der Verständigung eintrat.
Die Erzeugung von Unsicherheit und Verwirrung beim Gegner und die Störung seiner operativen Handlungsfähigkeiten, seiner militärischen und zivilen Gliederungen und ihres Zusammenwirkens ist eine der wichtigsten angestrebten Wirkungen schwarzer Propagandamaßnahmen. Es wurden beispielsweise von den Briten Steckbriefe abgeworfen mit dem Absender und Stempel der deutschen Polizei, in denen nach imaginären deutschen Fahnenflüchtigen in deutscher Uniform gesucht wurde. Man wollte damit Verwirrung stiften und Armee und Polizei diskreditieren und beschäftigen.
                
Tiefschwarz: Bildfälschungen
Wie viele von den uns bekannten Kriegsbilder im Rahmen von Propagandamaßnahmen gefälscht wurden, ist nicht annähernd bekannt. Neben der Fotomontage handelt es sich in erster Linie um gestellte Aufnahmen.
Alain Jaubert verweist auf die Entstehungsgeschichten zweier wichtiger Bilder. Die heute noch in vielen Werken über den Zweiten Weltkrieg oder das Afrikakorps zu findende englische Aufnahme der angeblichen Einnahme von Tobruk im Oktober 1942 ist „eine ergreifende Inszenierung, die wenige Tage nach der Schlacht mit Hilfe von Nebelbomben“ gemacht worden war.
                          
Geplünderte Armbanduhren beim Fahnenträger wegretuschiert
                        
In viel größerem Umfang ließen die Russen 1945 nach Ende der Kämpfe die Eroberung Berlins, einschließlich der Erstürmung des Reichstages und der Gefangennahme der im Führerbunker verbliebenen deutschen Offiziere, nachstellen und filmen. Der sowjetische Militärfotografen Jewgeni Chaldej beschreibt die Entstehung seines Bildes von der Hissung der roten Fahne auf dem Reichstag: „Es war am frühen Morgen des 2. Mai 1945. Ich betrat das Reichstagsgebäude. [...] Ein junger sympathischer Soldat kam auf mich zu. Ich hatte eine rote Fahne in der Hand. Er sagte: 'Leutnant dawei, lass uns mit der Fahne aufs Dach klettern'. 'Deswegen bin ich ja hier', sagte ich. [...] Ich suchte lange nach Kompositionsmöglichkeiten. Dann sagte ich: 'Jungs, geht und stellt euch da hin und hisst die Fahne an der und der Stelle'“. Offenbar war es auch wichtig, das Bild des Gegners im Sinne eigener Ziele zu verändern. Das Titelbild der von der Armee herausgegebenen britischen Illustrierten „Parade“ zeigte z.B. 1943 einen angeblichen deutschen Soldaten, der das geschlagene Afrikakorps darstellen sollte. Die Bildunterschrift „master race“, Herrenrasse, steht in Widerspruch zur Physiognomie der Person. Der verantwortliche Soldat der „Army Film and Photographic Unit“ erklärte zu dem Bild nach dem Krieg, dass die abgebildete Person „die hässlichste Figur war, die man auf den Straßen von Kairo auftreiben konnte und in eine uniformähnliche Verkleidung stecken ließ“.
Fälschungen entstehen auch da, wo Bilder zwar nicht gestellt, aber bewusst in einen falschen Kontext gebracht werden. Eines der bekanntesten Kriegsbilder von Robert Capa zeigt offenbar einen im spanischen Bürgerkrieg getöteten Soldaten. Dieses Bild wird heute mit der Unterschrift „Why?“, benutzt um gegen Krieg zu protestieren. Im Spanischen Bürgerkrieg wurde diese „Momentaufnahme von hoher Suggestivkraft [...] zum meistgedruckten optischen Sinnbild für Opferbereitschaft und Martyrium im Kampf gegen das Böse des Faschismus“ wie Mira Beham schreibt und forderte damit auch zum bewaffneten Widerstand auf. Eine unparteiische und kritische Untersuchung der Herkunft des Bildes konnte aber keinen Aufschluss darüber geben, wen und was das Bild wirklich zeigt und wer es wo aufgenommen hat.
Diese Befunde sollten zu einer grundsätzlich kritischen Position gegenüber angeblich "wahren" und "unbestechlichen" Bildern führen. Bevor nicht geklärt ist, wer, wie, wann und von wem die Aufnahmen gemacht sind, belegen sie wenig bis gar nichts. Sie zeigen allenfalls etwas mehrdeutiges. Das gilt sowohl für Aufnahmen in modernen Büchern, als auch in Ausstellungen wie z.B. die damals kontrovers diskutierte Wehrmachtsausstellung.                      
                     
Flugblattabwurf aus US-Flugzeug
               
Graue Propaganda
Als Graue Propaganda schließlich bezeichnet man Maßnahmen, die keinen Urheber angeben und auch sonst nicht anhand oberflächlicher Erkennungsmerkmale zuzuordnen sind. Graue Propaganda kann dem Empfänger aber durch ihren Inhalt Schlüsse auf den wirklichen oder fiktiven Absender erlauben.
Abgesehen davon, dass schwarze oder graue Propagandamaßnahmen den Empfänger bewusst täuschen wollen, konnte auch der Empfänger, der den wirklichen Absender kannte, unter Umständen glaubhaft versichern, sich über den Absender nicht im klaren gewesen zu sein. Denn in vielen Situationen war es streng untersagt, sich gegnerische Propagandamittel anzueignen und erst recht, sie weiter zu verbreiten. Wer aber glaubhaft versichern konnte, er habe die betreffende "Information" für eine eigene Truppeninformation gehalten, konnte sich etwas sicherer fühlen.
Die verschiedenen Arten der Propaganda müssen miteinander koordiniert werden und auf die gesamte Kriegführung abgestimmt sein, um Wirkung entfalten zu können.
                          
Gegenmaßnahmen gegen Propaganda
Gegenmaßnahmen gegen die Propaganda umfassten nicht nur das Verbot, "Feindsender" zu hören und Flugblätter zu besitzen, sondern auch die Aufforderung oder den Befehl, diese sofort mit der Aufschrift „Feindpropaganda“ zu markieren und Vorgesetzten oder Polizeidienststellen unter Angabe des Fundortes zu überbringen. Es gab auch Broschüren von der Abteilung Wehrmacht Propaganda im Oberkommando der Wehrmacht, die demonstrierten, wie von den Alliierten Fotos retuschiert und gefälscht wurden und welche Wirkung das haben konnte.
                       
Die psychologische Beeinflussung der eigenen Streitkräfte und Bevölkerung ist eine häufige Maßnahme, um tatsächlicher oder angeblicher gegnerischer Propaganda entgegenzuwirken. In der Nationalen Volksarmee (NVA) hat man unter psychologischer Verteidigung unter anderem auch die gezielte Hass-Propaganda gegen den „Klassenfeind“, den potentiellen Gegner, verstanden. Besondere Einrichtungen, wie das „Kabinett zur politischen und psychologischen Vorbereitung der Armeeangehörigen auf den Krieg“, wurden systematisch von Offizieren der Polit-Abteilung in zahlreichen Liegenschaften und an der Offizierhochschule „Franz Mehring“ betrieben wie Koop und Schössler darstellen. Sie zeigten in multimedialen Darstellungen Kriegsszenen und Schreckensbilder so genannter kapitalistischer Gesellschaften. Ob derartige Psychokabinette in Anbetracht der modernen Erkenntnisse über Gefechtsstress und Stressbewältigung bei einer bewaffneten Auseinandersetzung produktiv gewesen wären, ist allerdings fraglich. Walter Lambertz erläuterte entsprechend dieser Auffassung in der DDR in einem Referat im Jahr 1972 die Beschlüsse des Politbüros des Zentralkomitees der SED dahingehend, dass – wie Hundhausen zitiert –„Agitation und Propaganda [.] noch zielstrebiger auf die allseitige Stärkung unserer sozialistischen DDR, auf ihre immer festere Verankerung in der sozialistischen Staatengemeinschaft zu konzentrieren“ sind. Eine der wichtigsten Aufgaben sei es, die Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten zu entwickeln. In diesem Prozess nähmen die Massenmedien der DDR eine Schlüsselstellung ein, und deshalb seien neben den Gesellschaftswissenschaftlern die Journalisten wesentliche Träger der Propaganda. Die systematische Erziehung zum Hass auf den potentiellen Gegner wurde auch von der Führung der NVA keineswegs geleugnet. Der Generaloberst Keßler betonte, dass das Ziel der Erziehung sei, „bei allen Angehörigen der NVA, der Grenztruppen und der Zivilverteidigung der DDR in kompromissloser Auseinandersetzung mit der feindlichen Ideologie revolutionäre Wachsamkeit und unerbittlichen Hass auf den Feind auszuprägen“ wie Hartke zitiert.
               
Selbstverständlich ist die Propaganda nicht mit dem Ende des Kalten Krieges beendet worden. Die Erscheinungsformen haben sich gewandelt - denkt man etwa an die Amateurvideos der Islamisten in Afghanistan oder Luftbildaufnahmen von angeblichen irakischen Raketenstellungen - die grundlegenden Mechanismen sind gleich geblieben.
                
Verweise
Psychologische Kriegführung im Hörfunk
Krieg im Dunkeln. Desinformation und Aufklärung der Stasi
Information Operations der US-Streitkräfte
                
Literatur
- M. Beham: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik. 1995.
- O. Buchbender: Das tönende Erz. Deutsche Propaganda gegen die Rote Armee im 2. Weltkrieg. 1978.
- K. Hartke: Zur Rolle der funkelektronischen Medien in der ideologischen Diversion der NATO-Staaten. In: Militärwesen. 10/81.
- E. Howe: Die schwarze Propaganda. Ein Insider-Bericht über die geheimsten Operationen des britischen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg. 1983.
- C. Hundhausen: Propaganda. Grundlagen, Prinzipien, Materialien, Quellen. 1975.
- A. Jaubert: Fotos, die lügen. Politik mit gefälschten Bildern. 1989.
- K. Kirchner: Krankheit rettet. Psychologische Kriegführung. 1976.
- V. Koop und D. Schössler: Erbe NVA. Eindrücke aus ihrer Geschichte und den Tagen der Wende. 1992.
- J. Mader: Die graue Hand. Eine Abrechnung mit dem Bonner Geheimdienst. 1960.
- T. Le Tissier: Deutsche gegen Deutsche. Spuren bewaffneter 'Seydlitz-Truppen'. In: Militärgeschichte. 4/95.
- B. Wittek: Der britische Ätherkrieg gegen das Dritte Reich. Die deutschsprachigen Kriegssendungen der British Broadcasting Corporation. 1962.